Klimawahl 2021 – Das haben die Parteien vor

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veröffentlicht am 16. September 2021

 

Die Bundestagswahl 2021 steht bevor. Die Parteien haben ihre Wahlprogramme veröffentlicht und befinden sich inmitten des Wahlkampfes. Am Thema Klimaschutz und Energiewende kommt dabei keine der Parteien vorbei. In einem Punkt sind sich CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen dabei alle einig: Die Ziele des Pariser Klimaabkommens müssen eingehalten werden. Doch wie soll das geschehen? Wie soll der Klimawandel aufgehalten werden? Was sind die Stellungen der verschiedenen Lager? Ein Überblick über die Vorhaben und Wahlprogramme der Parteien mit einem besonderen Fokus auf die Energie- und Klimapolitik.

 

CDU/CSU

Die CDU/CSU um ihren Spitzenkandidaten Armin Laschet gibt als langfristiges Ziel Deutschlands Klimaneutralität bis 2045 aus. Die Partei hält dabei an dem von der Bundesregierung beschlossenen Fahrplan fest. Zwischenziel ist eine Reduktion der Treibhausgasemissionen in Höhe von 65 Prozent bis 2030 und 88 Prozent bis 2040 gegenüber dem Referenzjahr 1990. Zusammen mit dem Green Deal soll Europa der erste klimaneutrale Kontinent werden, dafür soll der europäische Emissionshandel auf die Sektoren Wärme und Verkehr ausgeweitet, im Schiffsverkehr etabliert und im Luftverkehr verstärkt werden.


Zum Ausgleich sollen die Einnahmen aus dem Emissionshandel an die Bürgerinnen und Bürger in Form von billigeren Strompreisen zurückgegeben werden. Als Erstes will die Partei dafür die EEG-Umlage abschaffen und gleichzeitig Investitionen in klimafreundliche Technologien und Energieeffizienz durch steuerliche Erleichterungen belohnen. Zur Unterstützung von Unternehmen sollen sogenannte Carbon Contracts for Difference (CCfD) eingeführt werden. Zudem soll die heimische Wirtschaft durch einen CO2-Grenzausgleichsmechanismus vor Nachteilen im internationalen Wettbewerb geschützt werden und somit Carbon-Leakage, also die Abwanderung von Unternehmen ins Ausland aufgrund von hoher inländischer CO2-Bepreisung, verhindert werden.


Die CDU/CSU sieht für Deutschland einen intelligenten Energiemix vor und setzt dafür auf die Energiegewinnung aus Sonne, Wind, nachhaltiger Biomasse, Wasserkraft und Geothermie. Durch ein sog. „Sonnenpaket“ soll dabei speziell der Ausbau von Photovoltaikanlagen beschleunigt werden. Im Wahlprogramm werden zudem Fördermaßnahmen für den Ausbau und das Repowering von Windkraftanlagen erwähnt, dazu gehört die Schließung von europäischen Energiekooperationen und die explizite Ausweisung von Erzeugungsflächen.

 

Für die effiziente Nutzung der erzeugten Energie sollen digitale Lösungen entwickelt und gezielt Übertragungsnetze ausgebaut werden. Bei dem Thema Wasserstoff will die Partei Deutschland zum „Wasserstoff-Land Nr.1“ machen. Hierfür wird in dem Parteiprogramm der umfassende Aufbau einer Netz- und Erzeugungsinfrastruktur genannt. Zudem soll Deutschland als Industrieland international als führender Technologieexporteur positioniert werden. Die Anwendung von Wasserstoff sieht die CDU/CSU breit gestreut in verschiedenen Sektoren, bei der Farbenlehre soll neben grünem Wasserstoff in der Markthochlaufphase auch auf blauen Wasserstoff gesetzt werden.


Im Bereich Mobilität setzt die Partei auf Elektromobilität und synthetische Kraftstoffe im Straßenverkehr, zusätzlich soll im Schwerlastverkehr Wasserstoff zum Einsatz kommen. Zur Förderung der E-Mobilität soll die Ladeinfrastruktur massiv ausgebaut werden.


Insgesamt setzt die CDU/CSU in ihrem Wahlprogramm im Bereich der Energiewende auf Anreize statt auf Verbote, auf Innovationen und Wettbewerb, auf die Zusammenarbeit mit Industrie und Landwirtschaft und will gleichzeitig Forschung, Entwicklung und Pilotprojekte unterstützen.

 

SPD

Als „Zukunftsmission I.-Klimaneutrales Deutschland“ betitelt die SPD ihr Vorhaben im Hinblick auf Klimaschutz in ihrem Wahlprogramm. Wie auch die CDU/CSU bleibt die SPD dabei bei dem Kurs, der schon zu Regierungszeiten verfolgt wurde. Ziel ist ebenso Klimaneutralität bis 2045 mit Minderungszielen von 65 Prozent bis 2030 und 88 Prozent bis 2040. Für den Stromsektor gilt das Ziel der Treibhausgasneutralität bereits für 2040. Die Partei prognostiziert aufgrund der Elektrifizierung von Verkehr und Industrie einen steigenden Strombedarf in Höhe von ungefähr 10 TWh jährlich. Um diesen zu decken, möchte die SPD im kommenden Jahrzehnt entschlossen Erneuerbare Energien ausbauen, dabei sollen unter anderem alle geeigneten Dächer eine Solaranlage bekommen.

 

Angestrebt wird dabei, in einem ersten Schritt auf allen öffentlichen und gewerblichen Neubauten Solarstrom zu erzeugen. Neben klassischen PV-Anlagen sollen dabei auch gezielt Innovationen wie integrierte PV-Anlagen oder Agri-PV gefördert werden. Für das Stromnetz der Zukunft setzen sie zudem auf Digitalisierung, Energieeffizienz, Speichertechnologien, Infrastrukturausbau und auf Investitionen in klimafreundliche Produktionsprozesse in der Industrie. Zur Dekarbonisierung der Industrie wird dabei explizit der Einsatz von Wasserstoff im industriellen Maßstab erwähnt, bis 2030 soll Deutschland zum Leitmarkt für Wasserstofftechnologien gemacht werden.


Um auch im Gebäudesektor die CO2-Minderungsziele zu erreichen, sollen hier bis 2030 fünf Millionen Häuser mit innovativen klimafreundlichen Heiz- und Energiesystemen, wie beispielsweise Wärmepumpen, ausgestattet werden. In dem Wahlprogramm der SPD wird zudem die Modernisierung von Gebäuden erwähnt. Der Umstieg auf innovative und saubere Technologien soll der Partei zufolge durch den bestehenden nationalen und europäischen Emissionshandel und durch direkte staatliche Investitionsförderungen geschehen. Gleichzeitig sollen klima- und umweltschädliche Subventionen reduziert werden. Zum sozialen Ausgleich soll die EEG-Umlage für Verbraucher bis 2025 abgeschafft werden. Erwähnt wird im Wahlprogramm zudem ein Pro-Kopf-Bonus als Ausgleich bei einem Anstieg des CO2-Preises. Bürger*innen sollen zudem durch Bürgerbeteiligungen, wie beispielsweise Energiegenossenschaften, an Energieprojekten beteiligt werden.


Die SPD sieht bei der Mission „klimaneutrales Deutschland“ großes wirtschaftliches Potenzial für den Industriestandort Deutschland und bezeichnet Klimaschutz im Zuge dessen auch als „Jobmotor“. Dabei sollen durch den Export von CO2-neutralen Technologien Arbeitsplätze gesichert werden. Die Verkehrswende soll durch 15 Millionen Pkw mit elektrischen Antrieben bis 2030 gelingen, das hierfür erforderliche Ladesäulennetz möchte die SPD ausbauen. Zusätzlich soll im Schwerlastverkehr die Wasserstofftechnologie zum Einsatz kommen.


Die zentralen Bestandteile der Klimapolitik der SPD sind der massive Ausbau von erneuerbaren Energien, der Erhalt von Arbeitsplätzen und die Beteiligung von Bürger*innen vor Ort.

 

FDP

Auch die FDP bekennt sich klar zum Pariser Klimaabkommen und der Mission Klimaneutralität in Deutschland und Europa bis spätestens 2050. Zur Erreichung der Ziele soll das bestehende EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS) auf alle Sektoren und geografisch ausgeweitet werden. Das EU-ETS soll möglichst alle ausgestoßenen Emissionen erfassen und durch die Ausgabe eines CO2-Limits reguliert werden. Dem Markt sollen dadurch Anreize gegeben werden, auf klimafreundliche Technologien umzusteigen. Wie dabei Emissionen eingespart werden, will die FDP dem Markt selbst überlassen, nachfragegetrieben und anreizorientiert sollen hierdurch erneuerbare Erzeugungskapazitäten zugebaut werden. Langfristig gesehen möchte die FDP ein globales CO2-Zertifikatehandelssystem einführen. Um weitere Emissionen einzusparen, will die Partei von Art. 6 des Pariser Klimaabkommens Gebrauch machen. Darin ist festgelegt, dass es möglich ist, Klimaschutzprojekte in anderen Ländern auf die eigenen Emissionsminderungsziele anzurechnen.


Um steigende Kosten für alle Verbrauchergruppen zu senken, wollen die Freien Demokraten Umlagen, Steuern und Abgaben auf Energie reduzieren. Die Stromsteuer soll auf das EU-Mindestmaß abgesenkt und die EEG-Umlage abgeschafft werden. Die Einführung einer pauschalen Klimadividende für jeden Bürger sorgt zusätzlich für Aufkommensneutralität. Finanziert werden soll das durch die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung, die in den kommenden Jahren steigen werden. Zudem setzt sich die Partei für den Ausbau von Carbon-Leakage Schutz ein, um die deutsche und europäische Industrie trotz Bepreisung durch das EU-ETS international nicht zu benachteiligen.


Explizite Ausbauziele zu erneuerbaren Energien lassen sich im Wahlprogramm nicht finden. Im Hinblick auf die Produktion von gut speicher- und transportierbaren Energieträgern, wie beispielsweise Wasserstoff, wird jedoch der Ausbau von PV- und Windkraftanlagen erwähnt. Wichtige Elemente der Energiewende sind laut der Partei alternative Kraftstoffe und Speichertechnologien, deren Einsatz soll von Umlagen und Abgaben befreit und die Zertifizierung vereinfacht werden. Beim Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft wird mehr Tempo gefordert, wobei auf grünen, blauen und türkisen Wasserstoff gesetzt wird. Die FDP bezeichnet Wasserstoff als „zweite Säule“ im zukünftigen emissionsfreien Energiesystem. Klimafreundlicher Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe sollen in verschiedenen Sektoren zur Dekarbonisierung beitragen.

 

Zum Hochlauf der Technologie will die Partei die erforderliche Infrastruktur ausbauen und setzt aufgrund des hohen Importbedarfs von Wasserstoff auf internationale Partnerschaften. Gestärkt werden soll vor allem eine europäische Wasserstoffunion. Im Wahlprogramm wird zudem für den Abbau von Bürokratie im Energierecht und für die vereinfachte Nutzung von Strom aus Altanlagen und Smart Meter geworben. Außerdem soll der umstrittene Bau von Nord Stream 2 einem Moratorium unterzogen werden. Durch Bürgerbeteiligungen und Ausgleichsmechanismen möchte die FDP die allgemeine Akzeptanz der Energiewende stärken.


Grundsätzliches Ziel der FDP ist die Schaffung eines kosteneffizienten, sicheren und weltweit vernetzten europäischen Energieversorgungssystems. Die Energiewende soll durch Innovationen, Technologieoffenheit und internationale Zusammenarbeit gelingen.


Bündnis 90/Die Grünen

Die ehrgeizigsten Emissionsminderungsziele der vier betrachteten Parteien hat die Partei Bündnis 90/Die Grünen. Die Klimakrise wird in ihrem Wahlprogramm als „Existenzfrage unserer Zeit“ bezeichnet. In einem Klimaschutz-Sofortprogramm will die Partei das deutsche Klimaziel bis 2030 mit einem definierten Ausbaupfad von 65 Prozent auf 70 Prozent anheben. Durch 100 Prozent Erneuerbare Energien bis 2035 soll Deutschland innerhalb von 20 Jahren klimaneutral werden, hierfür möchten die Grünen eine Ausbauoffensive für erneuerbare Energien starten. Die Zubauziele im Bereich Onshore Windkraft sollen demnach bei jährlich 5-6 GW, ab Mitte der 20er bei 7-8 GW liegen. Bei Offshore Windkraft wird ein Ziel von 35 GW bis 2035 angesetzt.

 

Im Bereich Solarenergie sollen pro Jahr 10-12 GW und ab Mitte der 20er jährlich 18-20 GW zugebaut werden, Ziel sind dabei 1,5 Millionen neue Solardächer bis 2025. Zum Vergleich: 2020 lag der Zubau im Bereich Onshore Windkraft bei 1,47 GW, Offshore Windkraft bei 0,24 GW und Solarenergie bei 4,9 GW.1 Gelingen soll der Ausbau durch anreizorientierte CO2-Bepreisung, ordnungsrechtliche Maßnahmen sowie durch Abbau von umweltschädlichen Subventionen. Der aktuelle CO2-Preis für die Sektoren Wärme und Verkehr soll bereits 2023 von 25 €/tCO2 auf 60 €/tCO2 angehoben werden. Zudem soll auf nationaler Ebene für das EU-weite EU-ETS eine CO2-Mindestbepreisung für die Sektoren Industrie und Strom in Höhe von 60 €/tCO2 eingeführt werden.


Zur Entlastung von Verbrauchern wird ein pro Kopf „Energiegeld“ angestrebt, dieses würde sich aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung finanzieren. Den Ausstieg aus der Atomenergie und die Vorgaben aus dem Pariser Klimavertrag möchten die Grünen im Grundgesetz verankern. Der Kohleausstieg soll von 2038 auf 2030 vorgezogen und der Bau der Erdgaspipeline Nord Stream 2 gestoppt werden. Gefördert werden hingegen Solardächer für Neubauten, Dachsanierungen, öffentliche und Gewerbegebäude - Solarenergie soll zum Standard gemacht werden. Hierfür werden Verbesserungen der Rahmenbedingungen und die Reduzierung von bürokratischen Hürden angestrebt. PV-Anlagen sollen zur Vermeidung von Flächenkonkurrenz vorzugsweise auf versiegelten Flächen, neben Autobahnen und Schienen, als auch auf Konversions- oder Bergbaufolgeflächen errichtet werden.


Für den Ausbau von Windenergie wollen die Grünen die Mindestabstandsregelungen zu Siedlungen abschaffen. Stattdessen sollen Bürgerbeteiligungen, Ausschlussgebiete und Artenschutzprogramme vor Ort für Akzeptanz sorgen. Zudem möchte die Partei durch Repowering, Ausbau von Offshore Windparks, Abbau von bürokratischen Hürden und der Ausweisung von industriellen und gewerblichen Flächen für Onshore Anlagen den Windenergieausbau in Deutschland beschleunigen.


Im Gebäudesektor ist eine Klimasanierungsoffensive vorgesehen. Die Sanierungsquote soll verdoppelt und ein Investitionsprogramm für 2 Millionen Wärmepumpen bis 2025 gestartet werden. Auch die Dekarbonisierung von Fern- und Nahwärme ist geplant. Die Wärmewende soll fair gestaltet werden, indem diejenigen den CO2-Preis bezahlen, die für die Investitionen zuständig sind.


Mit Marktanreizen und Förderprogrammen soll Deutschland seine Führungsrolle beim Thema Wasserstoff ausbauen, primär wird dabei auf grünen Wasserstoff gesetzt. Hierfür sollen in Deutschland Produktionskapazitäten geschaffen werden und zur Bedarfsdeckung Wasserstoffimporte aus wind- und sonnenreichen Ländern erfolgen. Anwendung von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen sehen die Grünen vor allem in der Industrie- und im Verkehrssektor, im Letzteren überwiegend im Schiffs- und im Flugverkehr. Im emissionsintensiven Flugverkehr möchten sie den Anteil strombasierter Kraftstoffe bis 2030 auf 10 Prozent erhöhen. Zur Senkung der Emissionen im Automobilverkehr sollen ab 2030 laut Parteiprogramm nur noch emissionsfreie Autos zugelassen werden. Zur Umsetzung möchte die Partei CO2-Flottengrenzwerte einführen und bis 2030 15 Millionen E-Autos auf die Straße bringen. Hierfür möchte die Partei europaweit eine flächendeckende Ladeinfrastruktur errichten.

 

Fazit

Abschließend lässt sich feststellen, dass energie- und klimapolitische Themen in allen betrachteten Wahlprogrammen ein zentrales Element darstellen. Die Dringlichkeit und Wichtigkeit der damit verknüpften Themen wird jedoch unterschiedlich eingeschätzt. Auch die Herangehensweise und die angesetzten Zeitpläne unterschieden sich innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen. Am Ende kommt es auf die Entscheidungen der Wählenden an und was die Parteien aus dem Vertrauensvorschuss machen. Die Kooperationsfähigkeit der Parteien ist dabei im Hinblick auf Koalitionsverhandlungen ein weiterer entscheidender Punkt. Rechnerisch sind dabei laut den aktuellen Umfragewerten verschiedenste Konstellationen möglich.

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1 Photovoltaik-Zubau in Deutschland steigt 2020 auf knapp 5 Gigawatt – pv magazine Deutschland

 

 

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