Erfolgsstrategien für Stadtwerke: Interview mit Anton Berger

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1. Herr Berger, das „neue” Energiewirtschaftsgesetz 2005 feiert in diesem Jahr seinen 10. Geburtstag.  Wie hat sich in diesen 10 Jahren das Geschäftsmodell der Stadtwerke verändert und was sind die prägenden Meilensteine der Entwicklung.

Der prägendste Einschnitt ist sicher der im Jahr 2011 in Folge der Reaktorkatastrophe von Fukushima beschlossene endgültige Atomausstieg. Seither haben sich die Verhältnisse auf dem Stromerzeugungssektor und an der Strombörse komplett gedreht. Das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) hat die Grundlage für einen rasanten Ausbau der Erneuerbare Energien gelegt, mit der Folge, dass durch das Überangebot an Energie die Energiepreise gefallen sind und die konventionelle Energieerzeugung vielerorts nicht mehr rentabel betrieben werden kann. Das trifft vor allem die Stadtwerke, die vor dem Hintergrund der bis 2011 stetig steigenden Energiepreise und dem Ausblick auf hohe Gewinne in konventionelle Erzeugungsanlagen investiert haben. Mit der Novellierung des EEG im Jahr 2014 wurde der Ausbau der Erneuerbaren Energien in einzelnen Bereichen allerdings stark abgebremst. Seitdem gestalten sich die Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Engagements in der regenerativen Erzeugung schwieriger und künftige Investitionsentscheidungen müssen differenzierter betrachtet werden. 
 
Im Bereich der Versorgungsnetze rückte in den letzten Jahren das Thema Kommunalisierung respektive Konzessionsvergabe sehr stark im Fokus vieler Stadtwerke. Sie haben die Gunst der Stunde genutzt, um sich im Rahmen der zahlreichen Konzessionsvergaben wirtschaftlich an den lokalen Strom- und Gasverteilernetzen zu beteiligen. Rödl & Partner hat eine Vielzahl von Netzübernahmen begleitet. Wir sehen das Netzgeschäft trotz der Einführung der Anreizregulierung und der damit einhergehenden Aufgaben und Risiken nach wie vor als sehr solide – mit attraktiven Renditechancen. Allerdings nimmt der regulatorische Aufwand für die Netzbetreiber stetig zu, was kontinuierliche Anpassungen im Netzbetrieb und Effizienzsteigerungen erfordert. 
   
Letztlich geht von der Energiewende eine disruptive Innovationskraft aus. Wir stehen erst am Anfang des Energiewendeprozesses und das Ende – sprich das künftige System der Energieversorgung – ist noch lange nicht absehbar. Wir sind aber davon überzeugt, dass vor allem Stadtwerke mit ihrer einmaligen Vor-Ort-Präsenz und der damit verbundenen Kundennähe von der Energiewende profitieren können. Eine große Rolle spielt dabei auch das langjährige Vertrauensverhältnis zwischen den Stadtwerken und ihren Kunden. Gerade in Zeiten struktureller Veränderungen setzten Kunden auf bewährte Beziehungen. Das hat auch die Finanzmarktkrise und die robuste Attraktivität von Sparkassen und Volksbanken gezeigt. 
 

2. Abgesehen von der Erzeugung und dem Netzbetrieb – wie sehen Sie die aktuelle wirtschaftliche Lage von Stadtwerken und können Sie eine Empfehlung geben, in welches Geschäftsfeld Stadtwerke aktuell investieren sollten?

Tatsache ist, dass das Geschäftsmodell der Stadtwerke auf allen Wertschöpfungsstufen von einer hohen Marktdynamik gekennzeichnet ist und zunehmend unter Druck gerät. Die Wechselbereitschaft der Verbraucher nimmt zu. Gleichzeitig sinkt die Marge. Hinzu kommen die erwähnten Schwierigkeiten bei der Erzeugung. Der Regulierungsaufwand erhöht sich. Die Finanzierung von Projekten wird auch nicht einfacher und stellt mancherorts bereits eine erhebliche Herausforderung dar. Da wird der Ruf laut nach einem verlässlichen Geschäftsmodell mit langer Laufzeit und langfristiger Kundenbindung. So praktizieren beispielweise Unternehmen der Fernwärme solche Ansätze bereits seit mehreren Jahren sehr erfolgreich.
 

3. Können Sie die Vorteile, die Sie für Stadtwerke im Hinblick auf die Energiewende sehen, genauer beschreiben?

Was die Zukunft der Industrie anbelangt, ist gerade das Projekt „Industrie 4.0”  in aller Munde. Auf die  Energiewirtschaft übertragen, bedeutet das die intelligente Vernetzung von  Energieproduktion und -verbrauch mit Hilfe der digitalen Informations- und Kommunikationstechnologie.  Treibende Kraft ist hierbei die Dezentralisierung der Energiewirtschaft. Konsumenten werden zunehmend zu Prosumenten, also gleichzeitig zu Erzeugern und Verbrauchern. Sie produzieren den Strom, den sie konsumieren selbst und vermarkten überschüssige Energie durch Teilnahme an virtuellen Kraftwerken. Neue Geschäftsmodelle werden darauf abzielen, Angebot und Nachfrage der volatilen Stromerzeugung mittels innovativer Kommunikationstechnologie, Mess-, Steuer- und Regeltechnik sowie Speichertechnologie in Einklang zu bringen. Das ist eine überaus spannende und komplexe Entwicklung, in der eine neue Nachfrage nach Dienstleistungen entsteht, auf die die Stadtwerke mit innovativen lokalen Angeboten reagieren müssen.
  
Allerdings ist dieses Szenario und seine flächenweite Realisierung eher mittel bis langfristig zu erwarten. Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Entwicklung ist ein verlässlicher rechtlicher Rahmen und ein klar definierter Kommunikationsstandard für das intelligente Netz.
 

4. Welche Strategie sollten Stadtwerke Ihrer Meinung nach verfolgen, um jetzt von diesen Chancen zu profitieren?

Leider gibt es für die beste Strategie der Stadtwerke keine „Blaupause”. Als Beratungsunternehmen unterstützen wir unsere Mandanten dabei, Entscheidungen auf ein rechtlich und wirtschaftlich solides Fundament zu stellen. Für die Entscheidungsvorbereitung ist es dabei unbedingt notwendig, verschiedene potenzielle  Szenarien zu betrachten und zu analysieren.  
  
Ein Grund mehr, genau diese Frage mit dem interessierten Teilnehmerkreis zu diskutieren. Deshalb wird sich unsere energiewirtschaftliche Tagung am 7. Oktober 2015 in unserer Kanzlei in Nürnberg mit dem Thema „Masterplan Stadtwerke: Strategien für erfolgreiche Geschäftsmodelle in der Zukunft” beschäftigen. Neben mehreren Beiträgen externer Referenten führen wir im Vorfeld eine Kurzumfrage zur Unternehmensstrategie von kleinen und mittleren Energieversorgern durch, deren Ergebnisse ebenfalls als richtungsweisende Diskussionsgrundlage vorgestellt wird.
  
Geschäftsführer und Entscheidungsträger können an der Umfrage jetzt noch bis 23. September 2015 unter dem Link www.roedl.de/strategieumfrage teilnehmen. Als kleines Dankeschön ist für Sie die Teilnahme an der genannten Veranstaltung kostenlos.
 
zuletzt aktualisiert am 20.08.2015

Kontakt

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Anton Berger

Diplom-Ökonom, Diplom-Betriebswirt (FH)

Partner

+49 911 9193 3601

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