Energiewende „Made in India”: Die Erneuerbaren weiter auf dem Vormarsch

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zuletzt aktualisiert am 11.01.2017   
von Michael Wekezer

      

„In Indien ist alles größer.” Diese Aussage gilt auch für die kontinuierlich wachsende Energiebranche, die in der nahen Zukunft alle 1,3 Milliarden Bewohner des indischen Sub­kontinents mit Strom versorgen soll. Ein entscheidender Wachstumsmotor sind die Erneuerbaren Energien, die dem gut vorbereiteten Investor eine interessante Alternative zu den stagnierenden Märkten in Europa bieten.

 

Energieerzeugung in Indien: Ein Sektor im Wandel

Die indische Energiebranche unterliegt schon seit Jahren einem kon­ti­nu­ier­lichen Wandel, und das in einer Phase des extremen Wachstums der Kapazi­täten. Die indische Unions­regierung in New Delhi unter Premier­minister Modi versucht zum einen den uni­ver­sellen und un­unter­brochenen Zugang zur Energie­versorgung für alle zu gewähr­leisten und zum anderen Indiens Ab­hängig­keit von fossilen Brenn­stoffen zur Strom­erzeu­gung deutlich zu reduzieren. In der mit 1,3 Milliarden Einwohnern größten Demo­kratie der Welt keine einfache Aufgabe. Das gilt vor allem vor dem Hinter­grund, dass in ländlichen Gebieten Indiens etwa 300 Millionen Menschen immer noch keinen Zugang zur Strom­ver­sor­gung aus einem zentralen Energie­netz haben. Weitere Heraus­for­der­un­gen der Politik liegen in der Not­wendig­keit, das Außen­bilanz­defizit – maßgeblich verursacht durch den Import fossiler Brenn­stoffe – zu senken, die Luft­qualität in den Ballungs­zentren zu verbessern und auch Maß­nahmen gegen den globalen Klima­wandel zu ergreifen.

Das pro­gnos­tizierte Wirt­schafts­wachs­tum für das Jahr 2015 über­trifft mit mehr als 8 Prozent deutlich die Aussichten für China. Der Schlüssel zum nach­hal­tigen Wirt­schafts­wachs­tum ist und bleibt die Infra­struk­tur, insbesondere die Energie­ver­sorgung. Die Nachfrage nach Elektr­izität wird in den nächsten Jahren also weiter steigen und es ist zu erwarten, dass der Bedarf allein in den nächsten zwölf Jahren um das Zwei­ein­halb­fache zu­nehmen wird. Indien hat das Potenzial, bis zum Jahr 2035 der weltweit größte Ver­braucher von elek­trischer Energie zu werden. Bereits jetzt ist Indien der welt­weit dritt­größte (nach Japan und Russland) Erzeuger von elektrischer Energie.


   Abbildung 1: Stromproduktion in Indien in TWh
 


   Abbildung 2: Jährliche Kapazitätserweiterung
 

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass man die Er­neuer­baren Energien als einen maß­ge­bli­chen Lösungs­ansatz identifiziert hat. So hat die Regierung die vergleichs­weise gi­gan­tische Ziel­vor­gabe von 175 GW Kapazität bei den Erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2022 ausgegeben. Allein 12 GW sollen im Jahr 2016 hin­zu­kommen. Von den geplanten 175 GW sollen 100 GW auf die Solar­energie, 60 GW auf die Wind­kraft, 10 GW auf die Bio­masse und 5 GW auf die sog. „kleine Wasser­kraft” (Projekte bis 25 MW) entfallen.

 

  Abbildung 3: Jährliche Kapazitätserweiterung
 
Die Er­neuer­baren Energien in Indien: Eine betriebs­wirt­schaft­liche Analyse

Die generelle Entwicklung in Indien geht zu einer kon­ti­nu­ier­lichen Ver­teuer­ung der Energie aus tra­di­ti­o­nellen, meist fossilen, Energie­quellen. Die zusätzlichen Kosten sind vor allem auf die – zumindest mittel­fristig – steigenden Brenn­stoff­kosten, aber auch auf Trans­port­kosten und Auf­wen­dungen für die technische In­stand­haltung älterer Kraft­werke zurück­zu­führen. All diese Faktoren spiegeln sich in Kal­ku­la­ti­onen wider, die neuen langfristigen Strom­verträgen zugrunde liegen.

Bei den Er­neuer­baren Energien hingegen ist ein gegen­läufiger Trend fests­tellbar: Bei­spiels­weise ge­ner­ier­ten die im Bieter­ver­fahren durch die öffentliche Hand ver­steigerten Tarife für Solar­pro­jekte noch im Jahr 2009 Angebote in der Größen­ordnung von 20 Eurocent/kWh, wohin­gegen dieser Betrag 2015 – im Schnitt – auf unter 7 Eurocent/kWh fiel. Gründe hierfür sind vor allem die Kosten­re­du­zie­rungen bei den Solarmodulen, aber auch Steigerungen in der Effizienz des Anlagenbetriebs. Die Zahlen sind durchaus mit den Tarifen aus kon­ven­ti­on­ellen lang­fristigen Strom­lie­fer­ungs­ver­trägen ver­­gleich­bar, was wiederum bedeutet, dass sich die Er­neuer­baren Energien in Indien zu­nehmend auf dem freien Markt be­haup­ten können und nicht nur über staat­liche För­derungen die Wett­be­werbs­fähig­keit erlangen. Daraus folgt un­mittel­bar die hohe Anzahl plausibler Geschäfts­modelle, die in Indien erfolgreich sein können und den betriebs­wirt­schaft­lichen Rahmen für die Pro­jekt­ent­wicklung und zum Verkauf von Strom aus erneuerbaren Quellen bilden:
  • Feed-in-Tarif: Der Projekt­entwickler unterzeichnet einen langfristigen Strom­lieferungs­vertrag mit festen Abnahme­preisen. Bei Solar­projekten werden die festen Abnahme­preise jeweils im Rahmen einer Auktion ermittelt.
  • RECs: Das sind sog. „Renewable Energy Certificates”, die der Projekt­entwickler erhält, nachdem er seinen Output zu einem fest­gelegten Preis – meist an EVUs – verkauft hat. Die RECs können dann an einer Börse gehandelt werden. Über­wiegend werden sie von Unter­nehmen erworben (z.B. Netzbetreiber), die sog. „Renewable Purchase Obligations” unterliegen.
  • Open Access: Der Projekt­entwickler verkauft direkt an End­kunden. Der Preis ist frei ver­handelt.
  • Captive and Group Captive: Bei diesem Modell wird ein Projekt zum Eigen­gebrauch entwickelt und muss zumindest zu 26 Prozent dem Verbraucher oder den Verbrauchern gehören.

 

Flankierend greifen auch zahlreiche Förder­instrumente (sowohl auf Unions- als auch auf Bundes­staat­en­ebene). Hier eine Auswahl:

 

  • beschleunigte Abschreibung für Wind- und Solar­projekte bis jährlich 80 Prozent; diese Förderung wird wohl im Laufe des Jahres 2017 auslaufen,
  • Ein­kommen­steuer­befreiung für die ersten zehn Jahre des Betriebs; Minimum Alternative Tax wird u.U. fällig,
  • GBIs oder „Generation Based Incentives” für Windprojekte i.H.v. 0,5 INR pro kWh,
  • bevorzugte Behandlung beim „Open Access“ nach dem Electricity Act, 2003 und bei der Durchleitung.

 

Nichts­desto­weniger bestehen Probleme mit der Finanzierung der Projekte durch Banken. Bürg­schaften der Konzern­mutter sind häufig erforderlich, da Banken teilweise nicht in der Lage sind, die Risiken eines Projektes richtig zu bewerten. Ebenfalls sind in Indien Finan­zierungen mit einer Lauf­zeit von mehr als zehn bis zwölf Jahre eher unüblich. Auf der anderen Seite ist die staat­liche Rural Electrification Corporation nunmehr in der Finanzierung von Projekten tätig und bietet teilweise attraktive Konditionen an. Unter bestimmten Voraus­setzungen können indische Gesell­schaften auch zur Finanzierung von Projekten Obligationen in Rupien im Ausland ausgeben.

 

Chancen für deutsche Unternehmen

Chancen für deutsche Unter­nehmen liegen vor allem in der Größe des indischen Marktes und der Tat­sache, dass die Erneuerbaren Energien in Indien noch eine vergleichbar junge Branche sind. Vielfach verfügen ein­hei­mische Unter­nehmen (noch) nicht über ausgereiftes technisches Know-how, das für die effiziente Errichtung und den zu­ver­lässigen Betrieb von Anlagen erforderlich ist.

Zugleich lässt sich nicht verbergen, dass Indien kein ganz einfacher Markt ist. Eine gute Vor­be­rei­tung des Markt­eintritts ist daher kein Luxus, sondern eine grund­legende Voraus­setzung. Sie beinhaltet neben der Zusammen­stellung der ein­schlä­gi­gen Förder­instrumente auch die Aus­einander­setzung mit praktischen Fragestellungen wie:

        

  • Identifizierung von Standorten mit existierenden Projekten (die örtliche Verwaltung wird mit den ein­schlägigen Genehmi­gungs­ver­fahren vertraut sein),
  • mögliche Auswahl eines indischen Partners (wird möglicher­weise den Umgang mit der „indischen Realität” erleichtern, kann aber auch zu Auseinander­setzungen führen, falls Kooperation nicht klar definiert),
  • Beauftragung eines Beraters, der sowohl die gesetzlichen Rahmenbedingungen als auch die indische Praxis kennt.

 

Gut vorbereitete Investoren, die die genannten Voraussetzungen beachten, finden im indischen Markt eine sehr interessante Alternative.

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Tillmann Ruppert

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