Energy Charter Treaty – Schiedsverfahren gegen den Staat Spanien auf Schadensersatz wegen Tarifkürzungen

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Seit Ende 2010 kürzt Spanien nach und nach die Fördertarife für EE-Anlagen. Dies gipfelte im Sommer 2013 in einer Umgestaltung des Tarifsystems und der rückwirkenden Fixierung einer „angemessenen Rentabilität” (rentabilidad razonable) für bestehende Solarinvestitionen. Unter dem Strich ist mit erheblichen Einbußen zu rechnen. Investoren sollten zu Verfahren des völkerrechtlichen Investitionsschutzes greifen und wegen indirekter Enteignung, unbilliger Behandlung und Verletzung berechtigten Investorenvertrauens Schadensersatz beanspruchen. Maßstab ist die Energy Charter Treaty (ECT). 
 
Wie in vorangegangenen Ausgaben berichtet, hat Spanien zu rückwirkenden Maßnahmen gegriffen, um schrittweise die Einspeisevergütungen für EE-Anlagen zu kürzen.
 
Mit der Verabschiedung des Königlichen Gesetzesdekrets (RDL) 9/2013 vom 12. Juli 2013 wird zuletzt das gesamte Tarifsystem aufgehoben mit der Begründung, das Tarifdefizit zum 10. Mai 2013 belaufe sich auf 26,062 Milliarden Euro, was das Ergreifen von Eilmaßnahmen zwingend erforderlich mache, um dieser unhaltbaren Situation Einhalt zu gebieten.
 
Die neue Norm führt ein Vergütungssystem ein, das auf der Beteiligung am Markt basiert und in dem die Produzenten zusätzlich zum Poolpreis eine „zweckspezifische Vergütung” beziehen können, um einerseits diejenigen Investitionskosten zu decken, die ein wirtschaftlich „effizientes und gut geführtes Unternehmen” (Standardanlage) am Markt nicht erwirtschaften kann, und andererseits auch den Differenzbetrag, der zwischen den Betriebskosten und den Einkünften aufgrund der Beteiligung der Standardanlage am Markt besteht. Mit den Durchführungsnormen zur Festsetzung der Parameter wird im ersten Quartal 2014 gerechnet, wobei sich bereits Verzögerungen abzeichnen. Solange aber die Ausgestaltung des Vergütungssystems und der Standardparameter nicht veröffentlicht ist, kann der Investor seinen Schaden nicht berechnen. Fraglich ist, welche Maßnahmen zum Schutz der Investoren ergriffen werden können.
Verwaltungsgerichtliche Maßnahmen auf nationaler Ebene, d. h. die Prüfung der Normen durch das Verfassungsgericht, können vom Investor nur auf Basis der betroffenen staatlichen Jahresendabrechnungen der Produktion ab 2011 ergriffen werden. Diese Endabrechnungen lassen jedoch noch Jahre auf sich warten, weshalb die Erfolgsaussichten dieser Klagen derzeit als nicht gut einzuschätzen sind. Damit rückt die Möglichkeit einer Investorenschutzklage nach Energy Charter Treaty (ECT – Text und Rechtsprechung stehen unter http://www.encharter.org/ zur Verfügung) in den Vordergrund. Vier Verfahren laufen bereits. 
 
Bei ECT handelt sich um eine am 17. Dezember 1994 in Lissabon beschlossene weltweite Energieverfassung, die auch von Spanien und der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert wurde. Dieses Regelwerk sieht bei Verletzung bestimmter Grundsätze ein Schadensersatzverfahren gegen den verletzenden Staat vor, bei dem eigens eingesetzte (Schieds-)Richter auf Betreiben der Investoren über eine vollstreckbare Schadensersatzpflicht des verklagten Staates befinden. Nachfolgend gehen wir auf die möglicherweise verletzten „Energie-Grundsätze” ein und geben einen kurzen Überblick über das ECT-Schiedsverfahren.

 

1. Verletzung von Grundsätzen des Energy Charter Treaty

Artikel 10 ECT behandelt die Förderung, den Schutz und die Behandlung von Energieinvestitionen – fair and equitable treatment: 
 
1. Jede Vertragspartei fördert und schafft im Einklang mit diesem Vertrag stabile, gerechte, günstige und transparente Bedingungen für Investoren anderer Vertragsparteien, in ihrem Gebiet Investitionen vorzunehmen. Diese Bedingungen umfassen die Verpflichtung, den Investitionen von Investoren anderer Vertragsparteien stets eine faire und gerechte Behandlung zu gewähren.
 
Wir sind der Auffassung, dass die Einschnitte der letzten Jahre einen Verstoß gegen den Grundsatz des in Artikel 10 ECT ausformulierten Fair and Equitable Treatment durch den spanischen Staat darstellen können. Dies betrifft Kürzungen, aber auch die mit der jüngsten Energiereform überraschend und rückwirkend revidierte Rentabilitätserwartung des Investors, der seine Aktivität und Investition unter gänzlich anderen Vorzeichen plante. Dazu führt das ECT-Schiedsgericht im Fall AZURIX gegen Argentinien am 14. Juli 2006 aus, dass der ausländische Investor damit rechnet, „dass der investitionsempfangende Staat in seinen Beziehungen mit dem ausländischen Investor kohärent, unmissverständlich und transparent handelt, sodass dieser, um seine Aktivitäten planen zu können und sein Verhalten anzupassen, vorzeitig Kenntnis nicht nur über die Vorschriften oder Verordnungen, denen seine Tätigkeiten unterworfen sind, sondern auch über die durch derartige Vorschriften oder Verwaltungsanweisungen verfolgte Politik erlangen kann.”
  
Weiterhin ist an dieser Stelle Artikel 13 ECT über die Enteignung zu nennen:
Investitionen von Investoren einer Vertragspartei im Gebiet einer anderen Vertragspartei dürfen nicht verstaatlicht oder einer Maßnahme gleicher Wirkung wie Verstaatlichung oder Enteignung (im folgenden als „Enteignung” bezeichnet) unterworfen werden ...
 
Hierzu führt das ECT-Schiedsgericht in seiner Plasmakonsortium Ltd.-Entscheidung gegen Bulgarien vom 27. August 2008 aus, dass „internationales Recht anerkennt, dass Eigentumsrechte eines Investors betroffen sein können von staatlichem Handeln, auch wenn keine physische Kontrolle oder die formale Eigentümerschaft erlangt wird, sondern wenn staatliches Handeln zum Verlust des wirtschaftlichen Nutzens der Investition führt, dieser Verlust dauerhaft und irreversibel ist und damit die geschützte Investition erheblich an Wert verliert.”
   
Es lässt sich vertreten, dass die Kürzungen des spanischen Staates und die Neugestaltung der Energieproduktionsvergütung einer Enteignung im engeren Sinne zumindest gleich gesetzt werden können, da dem Investor unter bestimmten Voraussetzungen geschaffene „legale” Werte aberkannt werden, ohne dass ein Ausgleich angeboten wird. 
 

2. Schiedsverfahren: International Arbitration gem. Energy Charter Treaty

Das Energie Charter Treaty regelt in Artikel 26, dass Streitigkeiten zwischen einer ECT-Vertragspartei und einem Investor eines anderen Staates über die Erfüllung der ECT-Grundsätze des Staates in einem internationalen Schiedsverfahren geklärt werden können.
 
Das Verfahren beginnt mit dem Versand eines so genannten Trigger Letters, mit dem der Investor den beklagten Staat einlädt, mit ihm in Verhandlungen einzutreten. Lässt sich der Staat nicht binnen drei Monaten auf Verhandlungen ein, ist es möglich, Schiedsklage zu erheben. 
 
Laut ECT stehen mehrere Verfahrensordnungen und Austragungsorte zur Verfügung, um den Ablauf des Investorenschutzverfahrens zu regeln. Die Verfahrensführung unterliegt in vielen Punkten dem Willen der Parteien bzw. dem Ermessen der Schiedsrichter und es wird mit langen Diskussionen zu rechnen sein, die schon mit der Besetzung des Gerichts beginnen können. Klageberechtigt ist der nicht spanische Investor bzw. eines seiner Investitionsvehikel. So genannte „class actions”, also Sammelklagen, sind möglich. Die Klage lautet auf Ersatz des kausal durch unfaires oder enteignendes staatliches Handeln verursachten Schadens. An dieser Stelle werden sämtliche sukzessiven Tarifänderungen und ihre Wechselwirkungen untereinander zu berücksichtigen sein. Solange die Ausgestaltung des Vergütungssystem und der Standardparameter nicht veröffentlicht sind, ist eine genaue Schadensberechnung nicht möglich. Das Verfahren wird voraussichtlich drei bis vier Jahre dauern.
 
Wegen der von Spanien verfügten „fork in the road clause” hat der Investor nicht die Möglichkeit, sowohl ein Schiedsverfahren als auch ein nationales Verwaltungsverfahren durchzuführen.

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Christoph Himmelskamp

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