Windenergie an Land - Ausschreibungsverfahren

PrintMailRate-it

​Während in den 90er-Jahre nur wenige Länder Ausschreibungsverfahren zur Vergabe von Konzessionen für die Errichtung und den Betrieb von Windkraftanlagen verwendeten, sind es inzwischen über 30 an der Zahl. Auch die deutsche Bundesregierung hat nach der Einführung des EEG 2014 angekündigt, dass es nach den Pilotverfahren für Photovoltaik ab Ende 2016/Anfang 2017 Ausschreibungen von Förderberechtigungen für EE-Anlagen in Deutschland geben wird. Damit reagierte die Regierung auf die neuen europäischen Beihilferichtlinien, welche das EU-Parlament im Jahr 2014 verabschiedete. Die Ziele sind dabei die bessere Planbarkeit des Erneuerbare-Energien-Ausbaus, mehr Wettbewerb zwischen den Anlagenbetreibern und damit sinkende Kosten des EEGs sowie eine weiterhin hohe Akteursvielfalt.

 

Das Prinzip der Ausschreibung ist nicht neu, wie an den folgenden ausgewählten Ländern ersichtlich.

 

 Installierte Windkapazität 20141

Abbildung 1: Installierte Windkapazität 20141

 

In Großbritannien fand von 1990 bis 1998 in fünf Runden eine Ausschreibung über insgesamt knapp 1.000 MW an Windleistung statt. Es wurde eine fixe Marktprämie (in €/kWh) versteigert, die die Kostendifferenz zwischen Stromgroßhandelspreis und Stromgestehungskosten ausgleichen sollte. Zu Beginn schien das Instrument ideal geeignet zu sein, da sich nach der ersten Runde eine Realisierungsquote, also das Verhältnis von umgesetzten zu ausgeschriebenen Kapazitäten, von 95 Prozent einstellte. Die weiteren Runden waren jedoch weniger erfolgreich, was bereits in der zweiten Runde in einer Realisierungsquote von nur noch 64 Prozent resultierte. Dies lag u. a. daran, dass einige Projekte an landschaftlich bedeutenden Stellen keine Genehmigung erhielten.

 

Die gleiche Problematik tat sich mit der Einführung des Ausschreibungsverfahrens 1995 in Irland auf. Auktioniert wurde auch hier ein Arbeitspreis (€/MWh), der jedoch die komplette Einnahmequelle darstellt. Regelmäßige Veränderungen des Programms sollten die zunehmende Nichtrealisation verhindern. Trotzdem wurde bis 2005 nur ein Drittel der kontrahierten Leistung umgesetzt.

 

Italien als viertgrößter Windenergieerzeuger in Europa verabschiedete im März 2011 ein Gesetz, welches die zukünftige Vergabe von Windenergieprojekten über Ausschreibungen regeln soll. Gleichzeitig dient die Ausschreibung auch dazu, den Ausbau von Windenergie zu drosseln. Seitdem werden pro jährlicher Runde nur noch etwa 500 MW ausgeschrieben. Verglichen mit dem durchschnittlichen jährlichen Ausbau von 1.090 MW während der letzten fünf Jahre vor dem Ausschreibungsverfahren bedeutet das eine Minderung um mehr als 50 Prozent. Obwohl das Verfahren 2013 startete, wurden bisher nur wenige Projekte aus den Ausschreibungen umgesetzt. Aufgrund der weiter bestehenden Kautionen ist jedoch davon auszugehen, dass die meisten der Projekte noch realisiert werden.

 

Damit die Niederlande ihr Ziel, bis 2020 16 Prozent des Endenergieverbrauchs aus Erneuerbaren Energien zu gewinnen, erreichen, sollen noch mindestens 12 GW an Erneuerbare-Energien-Anlagen errichtet werden. Dabei setzen die Niederlande auf ein Budget, das für alle EE zusammen die Obergrenze der Förderungen bildet. Damit stehen die EE-Technologien in direkter gegenseitiger Konkurrenz. Ähnlich wie in Großbritannien ist eine fixe Marktprämie (in €/MWh) Gegenstand der Auktion. Die Förderung erfolgt über mehrere Runden, wobei die Förderhöhe in jeder Phase ansteigt. Es gilt das „First come, first served“- Prinzip, sodass Antragsteller, die eine Förderung erst im Rahmen einer späteren Förderrunde beantragen, Gefahr laufen, wegen eines ausgeschöpften Budgets abgewiesen zu werden. Mit einer Differenzierung der Windstandorte zwischen offshore, Binnenmeeren und onshore, und einer Tarifanpassung der Onshore-Windanlagen mit verschiedenen Volllaststunden fanden erste Neuerungen am Programm statt.

 

Seit 2009 setzt Brasilien auf das Instrument der Ausschreibungen, um das Potenzial von 143 GW Windenergie auszunutzen. Um die Realisierung zu garantieren, sind Kautionen zu hinterlegen sowie technische und regulatorische Bedingungen zu erfüllen. Besonders interessant ist der Aspekt, dass 2009 zu Beginn des Ausschreibungsverfahrens die Auktionsstrompreise von knapp 150 R$/MWh auf 90 R$/MWh (2012) gefallen sind, was zur Folge hatte, dass Projekte nicht realisiert wurden. In den letzten beiden Jahren fand jedoch wieder ein Preisanstieg auf etwa 130 R$/MWh statt.

 

Der wachsende Bedarf an Energie in Südafrika führte 2007 und 2008 zu Krisen in der Energieversorgung. Als Möglichkeit, diesen wachsenden Bedarf zu decken, stehen Erneuerbare Energien immer mehr im Fokus der Überlegungen. Die Bieter müssen zwei Phasen durchlaufen, bevor sie an der Ausschreibung teilnehmen dürfen: In der Qualifikationsphase müssen sie vor allem materielle Qualifikationen nachweisen, zum Beispiel Garantien für die kommerzielle Tragfähigkeit und die fristgerechte Umsetzung des Projekts. In der Evaluationsphase erfolgt eine Bewertung der qualifizierten Bieter: zu 70 Prozent nach ihrem Gebot und zu 30 Prozent nach anderen Kriterien. Zudem sind auch in der zweiten Phase finanzielle Garantien zu hinterlegen. Der Aufwand für die Teilnahme an der Ausschreibung ist erheblich und schreckte auch schon diverse Projektentwicklungsunternehmen ab.

 

Das Eckpunktepapier des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie

Die Idee der Ausschreibung ist, die Förderhöhe (€/MWh) wettbewerblich bestimmen zu lassen. Bieter können für eine von ihnen bestimmte Leistungsgröße einen Förderwert (€/MWh) nennen, der zur Berechnung der gleitenden Marktprämie dient. Dieser (individuelle) Förderwert entspricht sinngemäß dem bisherigen anzulegenden Wert und baut somit auf der Vergütungssystematik des EEG 2014 auf. Falls die gebotene Menge aller Teilnehmer die Ausschreibungshöhe (MW) übersteigt, bekommen jene Teilnehmer den Zuschlag, die den niedrigsten Förderwert geboten haben. Für die Zuschlagserteilung spielt ausschließlich die Gebotshöhe eine Rolle. Es wird eine verdeckte „Pay-asbid“- Versteigerung vorgeschlagen, da sie einfach und transparent sowie gegenüber Preisabsprachen weniger anfällig ist. Es ist geplant, bei schwachem Wettbewerb den Preis zusätzlich über einen veröffentlichten Höchstpreis zu deckeln. Drei bis vier Ausschreibungen pro Jahr sind vorgesehen, um lange Wartezeiten zu vermeiden und Flexibilität für die Projektentwickler zu schaffen. Projekte mit einer installierten Leistung unter 1 MW sind vom Ausschreibungsverfahren freigestellt, da die Zahl dieser Anlagen verhältnismäßig gering ist. Deren Förderung soll auch weiterhin über eine Festvergütung erfolgen.

 

Damit die kontrahierten Mengen auch zuverlässig umgesetzt werden, gelten folgende Teilnahmevoraussetzungen:

 

  • Im Trade-off zwischen Realisationsquote und Heterogenität der Marktteilnehmer hat sich das BMWi dafür entschieden, hohe materielle Qualifikationen und sehr geringe finanzielle Präqualifikationen zu fordern. Die materielle Qualifikation soll dabei die Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) sein, da Projekte, für die der Genehmigungsbescheid bereits vorliegt, eine hohe Realisierungswahrscheinlichkeit aufweisen.
  • Der Handel mit vergebenen Förderberechtigungen soll nicht erlaubt sein.
  • Mit 30 € pro kW des Projekts soll für eine ausreichende finanzielle Sicherheit gesorgt werden. Dieser Bid-Bond wird nach 24 Monaten als Pönale schrittweise fällig, bis nach 36 Monaten die Förderberechtigung komplett entzogen wird. 

 

Das neue Referenzertragsmodell soll die Idee des bisherigen EEG (2014) fortsetzen, aber noch stärker eine Angleichung der Renditen von schwachen und starken Windstandorten vollziehen, wofür die Referenzertragskurve angepasst werden soll. Die neue Referenzertragskurve (publizierte Annäherung) liegt dabei deutlich unter der bislang durch das EEG 2014 definierten Kurve. Windstarke Standorte sind aufgrund des höheren Windaufkommens und der infolgedessen höheren Umsatzerlöse (bei gleichen Förderwerten zu Beginn) weiterhin als vorteilhaft anzusehen. Nach der Beratung über das Eckpunktepapier, die bis zum 1. Oktober dieses Jahres lief, soll nach deren Auswertung bereits an einem Gesetzesentwurf gearbeitet werden. Die Verabschiedung durch Bundestag und Bundesrat soll dann planmäßig im Sommer 2016 erfolgen.

 

Kritik am Ausschreibungsverfahren

Mit der Einführung des Ausschreibungsverfahrens hofft die Politik, zukünftig weniger Einfluss auf den Ausbau der EE nehmen zu müssen. Dies ist allein aufgrund des entstehenden Verwaltungsaufwandes aufseiten der BNetzA zu bezweifeln: Die Verfahren sind anzustoßen, zu publizieren, durchzuführen, zu evaluieren und abzuschließen. Das ist mit viel Verwaltungsaufwand verbunden, den bis dato zum Teil vereinfacht die Netzbetreiber und Direktvermarkter erledigt haben.

 

Der Bundesverband WindEnergie e. V. (BWE) ist weiterhin der Ansicht, dass es für die Erreichung der EE-Ausbauziele ratsam ist, „sehr vorsichtig an das Instrument der Ausschreibungen heranzugehen und sich nicht vorschnell von administrativ festgelegten Vergütungshöhen und der hiermit einhergehenden, niedrigen Investitionsrisiken und Transaktionsrisiken zu verabschieden”. Mit Blick auf die untersuchten Ausschreibungsverfahren in verschiedenen Ländern ist es oftmals vonnöten, die Verfahren über die Zeit den verschiedenen Anforderungen und Problemstellungen anzupassen. Hier sieht der BWE die Politik in der Pflicht und hinterfragt dabei die Idee, diese Verantwortung an einen neutralen Markt abzugeben.2

 

In einer Studie zur Akteursvielfalt bei Ausschreibungsverfahren kommt die Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) zu dem Schluss, dass „die Einführung der verpflichtenden Auktion künftiger Vergütungshöhen […] für einen Teil der heutigen Akteure eine möglicherweise unüberwindbare Marktzugangsbarriere bedeuten kann”. In diesem Zusammenhang haben vor allem kleine Akteure, Bürgerenergie-Gruppen, kleine Projektierer oder kleine Stadtwerke einen Nachteil, da sie die Kosten, die bei der Projektentwicklung entstehen und durch eine gescheiterte Auktion zu sogenannten „sunk costs” werden, nicht mit anderen Projekten auffangen. Dies kann dazu führen, dass sich die genannten kleinen Projektierer aus Windprojekten zurückziehen könnten.3

 

Das Ziel der Kostensenkung ist laut Institut für ZukunftsEnergieSysteme „(IZES)” erreichbar, wobei insoweit die Marktsituation entscheidend ist. Dabei zeigt sich, dass „die größten Potenziale in einem solchen Marktumfeld zu erwarten sind, das aus wenigen, großen Akteuren besteht”. Dies hat vor allem mit den Skaleneffekten der EE-Investitionen und der Vermarktung der Stromerzeugung zu tun, so IZES. In dem Zusammenhang weist das Institut gleichzeitig darauf hin, dass mit wenigen Bietern bei einer Ausschreibung die Gefahr des strategischen Bietens bestehe, was die Kostensenkung gefährde.4  

 

In einem Gastbeitrag in der Energy Weekly des Dow Jones kritisiert Ingrid Spletter-Weiß von der Commerzbank, dass „eine Realisierungsquote von 100 Prozent schwer zu erreichen sei”. Das bestätigt auch die BWE-Studie, die Realisierungsquoten von z. T. unter 50 Prozent aufzeigt. Dabei spielen Pönalen und andere Präqualifikationen eine signifikante Rolle. Der Gastbeitrag erwähnt zudem, dass vor allem das Risiko aufseiten der Projektierer steigt: „Je früher im Planungsprozess geboten wird, desto größer auch das Risiko steigender Projektkosten, etwa durch schwankende Einkaufspreise, Wechselkurse oder neue Technologien”. Wenn diese zusätzlichen Kosten den gebotenen Preis überstiegen, könne das Projekt nicht mehr wirtschaftlich umgesetzt werden und die Realisationsquote sinke, so der Gastbeitrag.5

 

Fazit

Inwiefern sich die Ziele der Bundesregierung also erreichen lassen, bleibt offen. Die Unterschiede zu anderen Ländern lassen eine direkte Vergleichbarkeit und Prognose nur in geringem Umfang zu. Es bleibt deshalb abzuwarten, wie sich die Vergütung und die Akteursvielfalt einstellen. Antworten hierzu wird hoffentlich der Gesetzentwurf zum Ausschreibungsdesign („EEG 2016”) geben. Vor dem Hintergrund, dass das Ausbauziel Deutschlands erreicht werden soll, wird es sicherlich noch zu weiteren Anpassungen der Regierung kommen.

 

 


 
1 GWEC: Global Wind Report – Annual Market Update 2014.
2 Bundesverband WindEnergie: Ausschreibungsmodelle für Wind Onshore: Erfahrungen im Ausland vom April/Juli 2014.
3 Fachagentur Wind an Land: Charakterisierung und Chancen kleiner Akteure bei der Ausschreibung für Windenergie an Land vom Juli 2015.
4 Institut für ZukunftsEnergieSysteme: Bewertung von Ausschreibungsverfahren als Finanzierungsmodell für Anlagen erneuerbarer Energienutzung vom 26.06.2014.
5 Dow Jones Energy Weekly Nr. 20 vom 15. Mai 2015.

Aus dem Newsletter

Kontakt

Contact Person Picture

Kai Imolauer

Diplom-Wirtschaftsingenieur (FH)

Partner

+49 911 9193 3606

Anfrage senden

Themen im Fokus

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu