PPAs für Erneuerbare-Energien- und KWK-Erzeugungsanlagen

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Regelmäßig werden neue Schlagwort-Säue durch die energiewirtschaftlichen Dörfer getrieben: Unter möglichst unpräzisen, möglichst anglizistischen Begriffen werden technische oder wirtschaftliche Entwicklungen prognostiziert, für die durch die Bezeichnung als „Mega-Trend” eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit suggeriert werden soll. Hinter manchem Schlagwort verbergen sich tatsächlich wichtige und richtige Zukunftsprognosen und -strategien. Andere ziehen vorbei, ohne eine Spur wesentlichen wirtschaftlichen Erfolgs zu hinterlassen. In jüngster Zeit häufen sich die Pressemeldungen über „den ersten PPA” für die förderfreie Finanzierung von regenerativen Erzeugungsanlagen. Ebenso reißen die Meldungen großer Industrieunternehmen über ihr klimapolitisches Engagement durch sog. „Corporate PPA” nicht ab und eine Seminarveranstaltung jagt die nächste. Ob Schlagwort-Sau oder neuer Wein, das muss sich dabei erst noch herausstellen.

 

Was ist ein PPA?

Power Purchase Agreement (PPA) ist zunächst lediglich der englische Begriff für einen Strombezugsvertrag. Im Unterschied zu den als Stromliefervertrag bezeichneten Energieverträgen spiegelt die Bezeichnung als Bezugsvertrag den Schwerpunkt der Regelung langfristiger Absatzinteressen wider, ohne dass die jedem Austauschverhältnis zugrundeliegenden, gegenseitigen Liefer- und Abnahmepflichten tatsächlich anders als in einem Liefervertrag gestaltet sein müssen. Diese Sichtweise wurde vor allem durch die Projektfinanzierung von Energieerzeugungsanlagen geprägt, bei denen die rechtliche Absicherung der wesentlichen Input- und Output-Beziehungen Voraussetzung für die nachhaltige Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit und damit für die Finanzierbarkeit (sog. „Bankability”) eines Projekts sind. Typisch für einen PPA als Voraussetzung für die Finanzierbarkeit und damit Realisierbarkeit des Projekts ist deshalb die Verhandlung und der Abschluss des Vertrags lange vor Baubeginn und Inbetriebnahme der Energieerzeugungsanlagen. Deshalb sind PPAs häufig auch durch eine enge Verzahnung mit den Anlagenbau- und sonstigen Projektverträgen geprägt. Damit ein Projekt wirtschaftlich ist, müssen zum Beispiel Lieferbeginn und Verfügbarkeitsgarantien durch entsprechende Regelungen aus Finanzierungs-, Anlagenbau- und Wartungsverträgen gedeckt sein.
 

Alte Schläuche?

Insofern ist die Bedeutung von PPAs für ein Kraftwerksprojekt kein neues und vor allem kein deutsches Phänomen. So werden konventionelle Kraftwerksprojekte schon immer auf der Grundlage von PPAs finanziert. Und insbesondere im internationalen Kraftwerksgeschäft haben die immer wieder ähnlichen Interessengegensätze der Projektbeteiligten zu einem jurisdiktionsübergreifenden Vertragstypus des PPAs geführt. Da bei Wind- und Solaranlagen die Input-Seite durch die weitgehend entgeltfreie Nutzung der natürlichen Ressourcen Sonneneinstrahlung und Wind abgedeckt wird und nur in geringem Umfang laufende Betriebskosten anfallen, hat hier das PPA eine überragende Bedeutung für die langfristige Refinanzierung der Investitionskosten. Deshalb haben sich vor allem in Ländern, in denen Wind- und Solarkraftanlagen ohne eine staatliche Förderung betrieben werden müssen, rechtliche Standardregelungen für PPAs entwickelt. Hier sind vor allem die USA, die südeuropäischen Staaten und Entwicklungs- und Schwellenländer mit fehlenden konventionellen Versorgungsinfrastrukturen zu nennen.

 

Neuer Wein in alten Schläuchen?

Insofern kann in rechtlicher Hinsicht bei dem Phänomen PPA wohl eher von neuem Wein in alten Schläuchen gesprochen werden. Denn bei PPAs für regenerative Anlagen sind einerseits die aus dem Großkraftwerksbau historisch hergebrachten Vertragsstandards mit den neueren Strukturen der Direktvermarktungsanlagen zu kombinieren. Dabei ist der besonderen, teilweise volatilen Erzeugungstechnologie, neuen Vermarktungskomponenten (wie z.B. der Vermarktung von Flexibilität, Areal- oder Eigenstrom, Zertifikaten etc.), neuen Organisationsformen (wie z.B. Bürgerenergiegesellschaften) oder dem besonderen energieumweltrechtlichen Regulierungsrahmen (z.B. aus nachgelagerten, förderrechtlichen Anforderungen der KWKG-Wärmenetzförderung, des EEWärmeG oder der EnEV) Rechnung zu tragen.

 

Vertragsrechtliche Rahmenbedingungen für PPAs

Grundlage jedes Vertrages ist zunächst das allgemeine Schuld- (§§ 241 BGB ff.) und Vertragsrecht (§§ 311 BGB ff.). Dabei werden Stromlieferverträge grundsätzlich als Kaufverträge (§§ 433 BGB ff.) eingestuft. Aufgrund der hohen Anforderungen an die Qualifikation eines Vertrags als individuell verhandelten Vertrag sind für Stromlieferverträge, mit bestimmten Einschränkungen auch im unternehmerischen Bereich (§ 310 Abs. 1 BGB), in der Regel auch die allgemeinen verbraucherschutzrechtlichen Standards des AGB-Rechts (§§ 305 BGB ff.) einzuhalten.

 

Obwohl PPAs die besonderen energiewirtschaftlichen Anforderungen aus § 41 EnWG und § 310 Abs. 2 BGB als Großkunden- und Weiterverteilerstromverträge nicht erfüllen müssen, orientieren sich auch derartige Verträge häufig an den gesetzlich in den Verordnungsregelwerken der StromGVV und der NAV normierten Vertragsstandards für die Massenkundenversorgung, sodass sich typische Klauselformulierungen häufig auch in PPAs wiederfinden. Insbesondere Klauseln zur Messung, Erzeugungs- und Lieferdatenerfassung und -verarbeitung, Abrechnung und zu Zutrittsrechten entsprechen hier regelmäßig weitgehend den allgemeinen Standards, wobei individuelle Abweichungen bis zur relativ weit gezogenen Grenze der allgemeinen Sittenwidrigkeit (§§ 138, 242 BGB) zulässig sind.

 

 

 Rechtsrahmen ppa

 

 

Schließlich befinden sich dezentrale, regenerative Erzeugungsanlagen in einem inzwischen komplexen regulativen, vor allem förder-, steuer- und abgabenrechtlich geprägten Umfeld. Auch im Rahmen der geförderten Direktvermarktung können langfristige Stromvermarktungsverträge Grundlage der Anlageninvestition sein. So spielt bei der Finanzierung der offshore-Windparks bereits heute der Direktvermarktungsvertrag eine wesentliche Rolle, da der gesetzlich anzulegende Wert als Mindestvergütung zwar eine hohe Refinanzierungssicherheit bietet, der Mehrwert aus der Stromlieferung an den Direktvermarkter aber mindestens für die Projektrendite entscheidend ist. Dabei ist der anzulegende Wert nur eine gesetzliche Mindestvergütung. Nachdem die Höhe der Mindestvergütung im Rahmen des Ausschreibungssystems der Einschätzung des EEG-Anlagenbetreibers unterworfen wird, ist zu erwarten, dass Fehlprognosen sich zukünftig nur über Direktvermarktungsverträge auffangen lassen, die über den Zuschlagswert hinaus bestehende Refinanzierungslücken wieder schließen. In diesem Fall bedarf es in PPA-Verträgen der aus EEG- und KWKG-Direktvermarktungsverträgen bekannten, umfassenden Regelungen zur Regelung der Rechte und Pflichten aus dem gesetzlichen Förderungsregime.

 

Aufgrund des Finanzierungscharakters spielen die sicherungsrechtlichen Instrumente des Sachenrechts (z. B. §§ 93 ff. BGB i.V.m. § 946 BGB, Dienstbarkeiten, Reallasten und Vorkauf- und Erbbaurechte) sowie die Regelungen des Bürgschafts- (§§ 765 BGB ff.) und Insolvenzrechts (z. B. § 119 InsO) eine wesentliche Rolle.

 

Schließlich spiegeln PPAs teilweise Regelungen aus den Anlagenbauverträgen wider, sodass die gerade erst novellierten Regelungen des §§ 651a BGB ff. und die weiteren bauvertragsrechtlichen Anforderungen des AGB-Rechts und der VOB/B häufig zu beachten sind.

 

 

Vertragsbestandteile ppa

Ausblick: Individuelle PPA-Gestaltung oder Ausschreibung von Standardverträgen?

Wie schnell regenerative und hocheffiziente Energieerzeugungsprojekte tatsächlich ohne jede Förderung auskommen, ist zurzeit im deutschen Markt noch schwer zu prognostizieren. Nach wie vor ist der Energiemarkt in hohem Maße von politischen und allgemeinwirtschaftlichen Entwicklungen abhängig, die nur eingeschränkt vorhersehbar sind. Gleichwohl ist unstreitig, dass dieser Zeitpunkt früher oder später eintreten wird. Deshalb lassen die langfristigen Refinanzierungszeiträume von Energieanlageninvestitionen eine Wette auf die Erreichung der „grid parity” im Refinanzierungszeitraum zu. Darüber hinaus geht es für stromkostenintensive Unternehmen, Erzeugungsanlagenbauer, Banken, Stromversorger und -händler darum, eine neue Marktnische, die sich langfristig voraussichtlich zu einem wesentlichen Teil des Markts entwickeln wird, rechtzeitig zu besetzen. Damit führt an der Entwicklung von PPA-Verträgen für regenerative, effiziente oder auch nur dezentrale Strom- oder Wärmeerzeugungsprojekte auch im bisher vom marktfernen Grundsatz der Abnahme- und Einspeisevergütungsgarantie des EEG und KWKG geprägten deutschen Erzeugungsanlagenmarkt kein Weg vorbei. Es spricht deshalb viel dafür, dass es sich bei PPAs nicht nur um eine energiewirtschaftliche Dorfsau, sondern vielmehr um einen – allerdings noch sehr jungen – neuen Wein mit hohem Potenzial für die weitere wirtschaftliche Entwicklung handelt.

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Joachim Held

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