Facts zu Agri-Photovoltaik in Italien – Ein Überblick über eine im Wandel begriffene Regulierung

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veröffentlicht am 28. November 2023

Aus dem Entwurf des Dekrets über die Festlegung der zu Errichtung von PV-Anlagen geeigneten Flächen in Italien (zur Umsetzung der Bestimmungen von Artikel 20, Absätze 1 und 2 des Gesetzesdekrets Nr. 199/2021) geht hervor, dass die Regierung auf landwirtschaftlich genutzten Flächen Agri-Photovoltaik-Anlagen gegenüber PV-Anlagen deutlich bevorzugt. Der derzeit vorliegende Entwurf scheint für Ackerflächen zur Solarstromerzeugung fast ausschließlich Agri-PV zu erlauben, so dass die Ausübung landwirtschaftlicher Tätigkeiten weiterhin erhalten bleibt.

In diesem Artikel werden die Grundzüge für diese Art von EE-Anlagen skizziert, auf die sich aller Voraussicht nach und auf der Grundlage der derzeit geltenden Vorschriften die Investitionen der Betreiber in diesem Sektor in den kommenden Jahren konzentrieren werden.


Was ist eine Agri-PV-Anlage und wie unterscheidet sie sich von einer gewöhnlichen Photovoltaik-Anlage auf landwirtschaftlichen Flächen?

Eine Agri-PV-Anlage ist eine Anlage zur Erzeugung von elektrischer Energie aus Sonnenenergie, die in einem Gebiet liegt, welches städtebaulich als „landwirtschaftlich genutzt“ eingestuft ist und durch die Installation von Photovoltaikmodulen realisiert wird, und zwar auf eine solche Art und Weise, dass die gleichzeitige Durchführung von landwirtschaftlichen und stromerzeugenden Aktivitäten auf demselben Gelände möglich ist. Die Besonderheit von Agri-PV-Anlage besteht also in dem parallelen oder symbiotischen Bestehen von zwei Produktionsarten (Energieerzeugung und Landwirtschaft), was bei herkömmlichen Photovoltaikanlagen mit auf dem Boden montierten Modulen, soweit sie die gesamte Fläche für sich beanspruchen, unmöglich ist.

Wie viele Arten von Agri-PV-Anlagen gibt es?

Die Leitlinien für Agri-PV-Anlage von Juni 2022 wurden von einer Arbeitsgruppe ausgearbeitet (bestehend aus: CREA – Rat für landwirtschaftliche Forschung und Analyse der Agrarwirtschaft; GSE S.p.A. - Nationaler Energie-Verwalter; ENEA – Nationale Agentur für neue Technologien, Energie und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung; RSE S.p.A. – Forschungsstelle zum Energiesystem), die vom MASE – Ministerium für Umwelt und Energiesicherheit koordiniert wurden, und unterscheiden zwischen "einfachen" und „fortgeschrittenen“ Agri-PV-Anlagen.  Einfache Agri-PV-Anlagen sind demnach solche Photovoltaikanlagen, die es ermöglichen, das fragliche Grundstück weiterhin auch zum landwirtschaftlichen Anbau oder Viehbetrieb zu nutzen, "fortgeschrittene" Agri-PV-Anlagen hingegen müssen zusätzlich zur Fortsetzung der landwirtschaftlichen Tätigkeit seit 2021 die folgenden Voraussetzungen erfüllen (geregelt in der derzeitigen Fassung des Artikel 65 Absatz 1-quater des Gesetzesdekrets 1/2012):

  • (i) Nutzung innovativer kombinierender Lösungen, bei denen die Module zum Boden erhöht montiert werden, gegebenenfalls auch mit Rotation der Module, und gegebenenfalls auf eine Art und Weise, welche eine digitaler und präziser landwirtschaftlicher Bewirtschaftung erlauben;
  • (ii) Einrichtung von Überwachungssystemen, um die Auswirkungen der Photovoltaikanlage auf die Kulturen, Wassereinsparung, die landwirtschaftliche Produktivität je nach Kultur und die Fortsetzung der Tätigkeit der einbezogenen landwirtschaftlichen Betriebe zu überprüfen.

Bei fortgeschrittenen Agri-PV-Anlagen wird folglich eine landwirtschaftliche Nutzung des Bodens unmittelbar unter den Modulen ermöglicht und nicht lediglich die Nutzung des Bodens zwischen den Modulreihen.

Welchen Vorteil bietet die Einrichtung einer "fortgeschrittenen" Agri-PV-Anlage?

Der von fortgeschrittenen Agri-PV-Anlagen erzeugte Strom kann bestimmte staatliche Förderungen erhalten, was für einfache Agri-PV-Anlagen nicht der Fall ist. 

So sehen beispielsweise die oben genannten Leitlinien vor, dass für den Zugang zu PNRR-Mitteln (die im nationalen Recovery-Plan vorgesehenen Fördermittel) zusätzliche Überwachungsmechanismen vorgesehen werden müssen, die auch die Überprüfung der Bodenfruchtbarkeit, des Mikroklimas und der Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel ermöglichen.

Am 14.4.2023 erstellte das MASE den Entwurf eines Dekrets vor, welches die Kriterien und die Art und Weise der Inanspruchnahme von Fördermitteln für die Errichtung von fortgeschrittenen Agri-PV-Anlagen regelt. Der Text, der vor einigen Tagen von der Europäischen Kommission genehmigt wurde, sieht eine Vergabe der Förderung bis zum 31.12.2024. Weiterhin soll der Bau und Betrieb von insgesamt 1,04 GW Leistung für eine Produktion von mindestens 1300 GWh/Jahr gefördert werden. Die Förderung wird wie folgt vergeben: 

  • a) durch einen Kapitalzuschuss von maximal 40 Prozent der maximal förderfähigen Kosten (insgesamt werden Finanzmittel in Höhe von 1, 1 Milliarden Euro bereitgestellt); 
  • b) durch einen Fördertarif, der auf die Nettoerzeugung des ins Netz eingespeisten Stroms gezahlt wird. 

Den Förderantrag können landwirtschaftliche Unternehmer (gemäß Art. 2135 c.c.) stellen, in Einzel- oder Gesellschaftsform, einschließlich Genossenschaften, landwirtschaftliche Gesellschaften, Konsortien zwischen zwei oder mehreren landwirtschaftlichen Unternehmern und/oder landwirtschaftlichen Gesellschaften und landwirtschaftlichen Unternehmern sowie zeitweilige Unternehmensvereinigungen (ATI), die mindestens eines der oben genannten Rechtssubjekte umfassen.

Der Bau einer fortgeschrittenen Agri-PV-Anlage ermöglicht zudem die Durchführung von vereinfachten und beschleunigten Genehmigungsverfahren.

Welche Genehmigungen sind für den Bau einer Agri-PV-Anlage erforderlich?

Die für den Bau und den Betrieb von EE-Anlagen einzuholenden Genehmigungen ergeben sich entsprechend der Leistung der Anlage: dies bedeutet, dass für eine Anlage, die mehr Strom erzeugt, auch "mehr" Genehmigung erforderlich ist. In aufsteigender Reihenfolge sind folgende Arten von Genehmigungen vorgesehen: freie Bauanzeige (comunicazione di edilizia libera), beeidigte Erklärung über den Beginn der Arbeiten (DILA), vereinfachtes Genehmigungsverfahren (PAS) und Einheitsgenehmigung (AU).

Generell ergeben sich auch erhebliche Vorteile, wenn eine EE-Anlage in einem so genannten geeigneten Gebiet gebaut wird, wie es heute im D.Lgs. Nr. 199/2021 definiert ist und wie es im Durchführungsdekret, das sich derzeit im Entwurf in der Anhörung befindet, definiert wird. In solchen Fällen ist eine DILA für Anlagen mit einer Leistung von bis zu 1 MW, eine PAS für Anlagen mit einer Leistung von mehr als 1 MW und bis zu 10 MW und eine AU für Anlagen mit einer Leistung von mehr als 10 MW erforderlich.

Artikel 6, Absatz 9-bis des D.Lgs. Nr. 28/2011 sieht jedoch eine spezifische Ausnahmeregelung für fortgeschrittene Agri-PV-Anlagen  vor, die es ermöglicht, diese in PAS zu genehmigen, auch wenn die Leistung 10 MW übersteigt, sofern sie sich in einem Umkreis von weniger als 3 km von industriell, handwerklich und gewerblich genutzten Gebieten befinden.

Die Ausweitung des Genehmigungsverfahrens der PAS auf fortgeschrittene Agri-PV-Anlagen  wurde vor kurzem vom MASE selbst bestätigt, das in seiner Antwort auf die Anfrage einer Gemeinde klarstellte, dass die Anwendung der Leistungsgrenze von 10 MW, ausschließlich für „neue Photovoltaikanlagen und damit verbundene Arbeiten“ gilt, während die einzige Anforderung, die in Bezug auf fortgeschrittene Agri-PV-Anlagen vorgeschrieben ist, darin besteht, dass sie "nicht weiter als 3 km von Gebieten mit industrieller, handwerklicher und kommerzieller Nutzung entfernt sein dürfen".

Nach der endgültigen Verabschiedung des Dekrets über die geeigneten Flächen werden fortschrittgeschrittene Agri-PV-Anlagen darüber hinaus Zugang zu einer weiteren Verfahrensvereinfachung haben. Artikel 49 des D.L. Nr. 13 vom 24.2.2023 (sog. PNRR 3) sieht nämlich (vorbehaltlich der Definition geeigneter Flächen) vor, dass sie als der landwirtschaftlichen Tätigkeit dienend angesehen werden können und daher genehmigungsfrei installiert werden können, wenn sie direkt von landwirtschaftlichen Unternehmern oder von Joint-Venture-Gesellschaften mit Stromerzeugern errichtet werden, denen das Unternehmen oder der Unternehmenszweig von ebendiesen landwirtschaftlichen Unternehmern übertragen wird, denen die unternehmerische Leitung vorbehalten ist, mit Ausnahme der technischen Aspekte des Anlagenbetriebs und der Stromvermarktung.

Inwieweit werden Agri-PV-Anlagen  durch den Entwurf des Dekrets über die geeigneten Flächen begünstigt? 
Der Entwurf des Dekrets über die geeigneten Flächen scheint die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für die Installation von PV-Anlagen erschweren zu wollen, indem er strenge Beschränkungen hinsichtlich der Fläche, die von den Anlagen eingenommen werden kann, vorschreibt, während Agri-PV-Anlagen einfacher und fortgeschrittene Agri-PV-Anlagen fast ohne Einschränkungen zugelassen werden.

Das Dekret sieht nämlich vor, dass auf landwirtschaftlichen Flächen, die nicht ausdrücklich als "ungeeignet" eingestuft sind, gebaut werden kann:

  1. auf "genutzten" landwirtschaftlichen Flächen, Freiflächen-PV-Anlagen und einfache Agri-PV-Anlagen bis zu einem maximalen Prozentsatz der Belegung der landwirtschaftlichen Fläche, die "dem Subjekt, welches das Vorhaben durchführt, zur Verfügung stehen", zwischen 5 und 10 %;
  2. auf "ungenutzten" landwirtschaftlichen Flächen, Freiflächen-PV-Anlagen und einfache Agri-PV-Anlagen  ohne die im vorstehenden Absatz genannten prozentualen Grenzen; 
  3. für fortgeschrittene Agri-PV-Anlagen gibt es keine maximal belegbare Fläche und keine Unterscheidung zwischen landwirtschaftlich genutzten und nicht landwirtschaftlich genutzten Flächen. Außerdem wird den Regionen die Möglichkeit eingeräumt, nach Erreichen festgelegter Grenzen die verbleibenden landwirtschaftlichen Flächen als "ungeeignet" für die Installation von PV-Anlagen einzustufen. Dies würde die Installation weiterer EE-Anlagen unmöglich machen, aber es wird ausdrücklich eine Ausnahme für fortgeschrittene Agri-Photovoltaik-Anlagen gemacht, die daher weiterhin installiert werden könnten.

Das sich noch im Entwurf befindende Dekret sieht darüber hinaus vor, dass die als „DOP“, „IGP“, „STG“, „DOC“, „DOCG“, „Bio“ und „traditionelle Produktionen“ eingestuften Flächen nur für die Zwecke der Installation fortgeschrittener Agri-PV-Anlagen als geeignet anzusehen sind.

Welche Orientierung gibt es in der Rechtsprechung zum Thema Agri-PV?

Richter des Verwaltungsgerichts haben in jüngster Zeit in mehreren Urteilen auf den klaren Unterschied zwischen PV-Anlagen und Agri-PV-Anlagen hingewiesen, insbesondere im Hinblick auf die unterschiedlichen Auswirkungen auf die Umwelt, da ihre Installation die Landschaft und den Boden in unterschiedlichem Maße beeinträchtigt. So wurde festgestellt, dass "während bei PV-Anlagen der Boden undurchlässig gemacht und das Wachstum der Vegetation verhindert wird (wodurch die landwirtschaftlichen Flächen ihr gesamtes produktives Potenzial verlieren), wird die Anlage bei Agri-PV-Anlagen direkt auf höhere Pfosten gesetzt, die einen großen Abstand zueinander haben, um die landwirtschaftliche Bearbeitung mittels Maschinen zu ermöglichen. Durch diese Technik bleibt die Oberfläche des Bodens tatsächlich durchlässig und somit für Sonne und Regen zugänglich und kann somit für landwirtschaftliche Zwecke voll genutzt werden" (Staatsrat, Urteil Nr. 8029 vom 30.8.2023). In Anbetracht dieses wesentlichen Unterschieds wurde der Verwaltungsakt, mit dem ein Antrag auf Erlass einer PAUR für eine Agri-PV-Anlage abgelehnt wurde, als rechtswidrig eingestuft, da die Verwaltung "rein mechanisch die Leitlinien und Richtlinien, die der Regionale territoriale Landschaftsplan (PPTR ) für PV-Anlagen vorsieht, auch auf Agri-PV-Anlagen anwendet und damit deren strukturelle Unterschiede außer Acht lässt" (Staatsrat, Urteil Nr. 8029/2023).

In diesem Sinne wurde in einem weiteren Urteil des Staatsrats (Urteil Nr. 8258 vom 11.9.2023) die Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns bei der Ablehnung eines Genehmigungsantrags für die Errichtung einer Agri-PV-Anlage mit folgender Begründung festgestellt: "Die innovativen technischen Merkmale der Agri-PV-Anlagen erforderten, dass die regionalen Stellen auch in dem gegenständlichen Verfahren die Vereinbarkeit dieser Anlagen mit den Bestimmungen des PPTR sorgfältig prüfen, und zwar im Wege der Auslegung, die es ermöglicht, zu überprüfen, ob die neuen Technologien als geeignet angesehen werden können, die den Bestimmungen des PPTR innewohnenden Schutzzwecke zu gewährleisten. Stattdessen haben die zuständigen Stellen, diese Regelungen  auch auf Anlagen der neuen Generation angewandt und deren Zulässigkeit ausgeschlossen, obwohl diese sich ausdrücklich auf "bodenmontierte" PV-Anlagen bezogen haben und obwohl die Anlagen mit Systemen ausgestattet sind, die in der Lage sind, den Bodenverbrauch stark einzuschränken und vor allem die Koexistenz der durch den PPTR geschützten traditionellen land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeiten mit dem Zweck der Erzeugung alternativer Energie zu gewährleisten".

Agri-PV-Anlagen, so die inzwischen mehrheitlich vertretene Auffassung, sind von gewöhnlichen PV-Anlagen zu unterscheiden und daher müssen die Behörden bei der Prüfung der Auswirkungen von EE-Anlagen auf die Flächen, die Landschaft und die Umwelt, deren innovative Besonderheiten berücksichtigen, die es ermöglichen, dass der Boden nicht versiegelt wird und somit die landwirtschaftliche Tätigkeit fortgesetzt werden kann.





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