Perspektiven der Grid Parity

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Illusion oder Hoffnung der Erneuerbare-Energien-Branche

„Grid Parity” stellt eine enorme Chance der Erneuerbare-Energien-Branche dar, um endlich nachhaltige Marktmodelle durchzusetzen und zukünftig ohne Subventionen am Markt bestehen zu können. Die Herausforderungen, die es dabei zu überwinden gilt, sind vielfältig. So ist zunächst einmal entscheidend, die tatsächlichen Stromgestehungskosten zu kennen. Anschließend ist der Begriff Grid Parity im Hinblick auf Wertschöpfungskette, Marktsegment und das zukünftige Strommarktmodell zu analysieren.

 

Was ist Grid Parity?

Grid Parity – im Deutschen oft auch als Netzparität bezeichnet – gilt üblicherweise dann als erreicht, wenn aus Sicht der Endverbraucher selbst produzierter Strom dieselben Kosten je Kilowattstunde verursacht wie der Kauf von einem Stromanbieter, also der Strombezug über das Netz. Hierbei ist jedoch zu beachten, über welchen Zeitraum und zu welchem Zeitpunkt eine Aussage zur Netzparität getroffen wird. Insbesondere dynamische Effekte sind bei der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien zu berücksichtigen, denn die kapitalintensiven Investitionen gehen oftmals von konstanten Rahmenbedingungen aus, die sich aber im Laufe der Jahre zu Gunsten oder zu Ungunsten einer Investition entwickeln können.

 

Besonders bei der Frage der Kapazitäten von Stromnetzen und der Stromnachfrage könnte diese Problemstellung eine wesentliche Rolle spielen.

 

Stromgestehungskosten

Ein erster Schritt zum Erreichen der sogenannten Netzparität ist, sich über die tatsächlichen Stromgestehungskosten bewusst zu werden. Die spezifischen Stromgestehungskosten – im Englischen Levelized Cost of Electricity (LCOE) – beschreiben die Kosten, die pro zukünftig produzierter Energieeinheit über den gesamten Nutzungszeitraum anfallen. Hierzu addiert man alle über die Laufzeit anfallenden Kosten und dividiert diese durch die über die Laufzeit produzierte Strommenge. Bei Anwendung der Kapitalwertmethode werden die Zahlungsflüsse entsprechend diskontiert, um anschließend einen Kostenansatz für eine heutige Investition zu erhalten. Der Vorteil der Erneuerbaren Energien bei der Berechnung der LCOE liegt in der hohen Kapitalintensität und dem geringen Anteil an laufenden Kosten.

 

Wertschöpfungskette der Energiewirtschaft

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Ein wesentlicher Schritt zur Berechnung von LCOE und dem möglichen Erreichen der Grid Parity ist es, die gesamte Wertschöpfungskette der Energiewirtschaft zu analysieren. Die Wertschöpfungskette besteht im Wesentlichen aus den Stufen Erzeugung, Verteilung (und Speicherung) und Vertrieb. Die tatsächliche Netzparität kann nur dann erreicht werden, wenn die Erzeugungstechnologie in Summe über alle drei Bereiche die günstigsten Gestehungskosten aufweist.

 

Für Marktteilnehmer stellt sich die Frage, in welcher Form sie zukünftig am Markt agieren und welche Rolle sie übernehmen wollen. Ein häufiges Geschäftsmodell von Unternehmen im Bereich der Erzeugung von Erneuerbaren Energien (insbesondere Wind und Photovoltaik) ist das Agieren am Markt als Generalunternehmer (EPC). Konnten sich bisher Anlagenbetreiber aufgrund bestimmter Förderungsmechanismen (z.B. dem deutschen EEG) vollständig auf die Erzeugung konzentrieren,
könnte in Zukunft deren Teilnahme am Markt verstärkt durch ein marktwirtschaftliches Auftreten als Independent Power Producer (IPP) ausgestaltet sein.

 

Analyse der Marktsegmente

Häufig wird Grid Parity lediglich auf den Endverbraucher und dessen finale Strombezugskosten bezogen. Sollen sich die Erneuerbaren Energien jedoch am gesamten Markt behaupten können, so ist eine tiefere Marktanalyse unbedingt nötig. Gerade die Photovoltaik (PV) könnte in Deutschland aufgrund sinkender Systempreise im Kundensegment der Eigenheimbesitzer bei gleichzeitig steigenden Strombezugskosten an Marktpotenzial hinzugewinnen. Aus dynamischer Marktbetrachtung könnte die PV beispielsweise wegen steigender Netzkosten und der Aufwendungen für die Bereithaltung von Kraftwerkskapazitäten an Attraktivität verlieren.

 
Vergleicht man die Stromgestehungskosten von Erneuerbaren Energien im Segment der Industriekunden und der Bezugskosten für Energieversorger, so könnten derzeit nach wie vor v.a. Wasserkraftwerke und eventuell Windenergieanlagen als wettbewerbsfähig angesehen werden. Koppelt man die Stromerzeugung und -lieferung mit der Wärmebereitstellung, so könnten die Technologien der Kraft-Wärme-Kopplung und der Geothermie Wettbewerbsvorteile haben. Diese Beispiele zeigen, dass im Rahmen der Grid Parity eine umfassende Betrachtung des Zielsegments und der damit verbundenen Rahmenbedingungen unabdingbar ist.

 

Strommarktmodell des jeweiligen Landes

Ein weiterer wichtiger Aspekt, den es zu analysieren gilt, ist das Zielland und die dort gegebenen politisch-wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. So sind politische und rechtliche Gegebenheiten in eine Analyse zur Grid Parity genauso einzubeziehen wie das technologische Potenzial der jeweiligen Technologie.
Zudem ist zu hinterfragen, wie das zukünftige Design des Strommarktes ausgestaltet werden soll.

Levelized Cost of Electricity

 

Fazit – Grid Parity und Erneuerbare Energien

Es bleibt somit festzuhalten, dass die Netzparität von Erneuerbaren Energien in bestimmten Ländern mit bestimmten Technologien bei den jeweiligen Marktsegmenten möglich ist oder sogar bereits erreicht wurde. Um sich jedoch auf dem Markt der Erneuerbaren Energien zukünftig behaupten zu können, ist eine detaillierte Analyse der verschiedenen Rahmenbedingungen unabdingbar. Neben den wirtschaftlichen und technologiespezifischen Charakteristika gilt es somit, auch beispielsweise lokale rechtliche und steuerliche Gegebenheiten zu analysieren, um die Grid Parity und damit einen Wettbewerbsvorteil der Erneuerbaren
Energien zukünftig zu erreichen.
 

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Anton Berger

Diplom-Ökonom, Diplom-Betriebswirt (FH)

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