Mit regenerativer Wärme den schlafenden Riesen wecken

PrintMailRate-it
Der Wärmesektor stand bisher trotz seiner relativen Größe nicht im Fokus der Klima- und Energiepolitik. Umso größer sind die Potenziale für die Energiewende und das Wachstum des Wärmedienstleistungsmarkts. Die Chancen müssen jetzt genutzt werden.
 
In Deutschland wird rund die Hälfte der Endenergie als Prozess- und Raumwärme verbraucht, etwa ein Drittel als Kraftstoff und ein Fünftel als elektrischer Strom. Gleichwohl haben Klimaschutz- und Ressourcenschutzpolitiken in den letzten Jahren überwiegend im Strom- und Verkehrsbereich angesetzt. Die beiden Hauptinstrumente der deutschen Energiewende, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) setzen überwiegend bei der Stromerzeugung an.
 

Abbildung 1: Anteil der Wärme am Endenergieverbrauch
 
Der Wärmesektor bietet deshalb noch mehr als andere Sektoren hohes Potenzial für eine Ökologisierung und Dezentralisierung der Versorgungsstrukturen. Dabei ist abzusehen, dass der Wärmemarkt aufgrund der ungebrochenen klimapolitischen Anforderungen, der Folgewirkungen des dezentralisierten und ökologisierten Strommarkts sowie der technologischen und klimatischen Entwicklungen dem allgemeinen Trend folgen wird. Es ist jedoch verkürzt, als Ursache für die bisherige Marktstagnation oder den in Teilsegmenten sogar bestehenden Rückgang alleine auf die fehlende Förderung vonseiten der Politik zu verweisen. Erfolgreiche Unternehmen und Marktakteure zeichnen sich regelmäßig dadurch aus, dass sie Markttrends frühzeitig aktiv aufgreifen, Marktpositionen besetzen und den Trend aktiv vorantreiben.
 

Abbildung 2: Regenerative Wärmeerzeugung in Deutschland
 
„Grüne Wärme”, (mobile) Wärmespeichertechnologien, Power-to-Heat, Smart-Home-Technologien, stromgeführte KWK-Anlagen, Geothermie, Solarthermie, Bedarfsrückgang durch Klimaerwärmung und demografischen Wandel, CO2-Handel und Rekommunalisierung der (Wärme-)Energieversorgung – der Umbruch des Energiemarkts hat auch vor dem Wärmemarkt nicht halt gemacht. Die Energiepolitik mit der Mietrechtsnovelle (§ 556 BGB n. F.), Energiedienstleistungsgesetz (EDL-G), Energieeinspargesetz und -verordnung (EnEG, EnEV), Erneuerbaren-Energien-Wärme-Gesetz (EEWärmeG), Fernwärme-Preisanpassung (§ 24 AVBFernwärmV) und kartellrechtliche Fernwärme-Sektorenuntersuchungen (§ 32e GWB) haben für ein Übriges gesorgt. Mit neuen Vertragsmodellen wie Eigenerzeugungsanlagenpacht, Wärmespeicherzugang, Wärmeeinspeisung und -durchleitung, Stilllegungsrechten sowie Einspar- und Effizienztarifen heizen Newcomer-Unternehmen den Wettbewerb um die besten Lösungen an.
 

Abbildung 3: Herausforderungen Wärmemarkt

Vorbei sind deshalb die Zeiten, in denen die Wärmeversorgung ein renditestarkes, technologisch und wirtschaftlich einfaches Annex-Geschäftsfeld zu anderen Versorgungssparten war. Bestehende Wärmeversorger müssen ihr Geschäftsfeld und ihre Produkte deshalb auf die neuen Marktbedingungen ausrichten, Investoren und Unternehmensgründer sollten die Chancen aus der Trägheit eines Bestandsgeschäfts nutzen. Festpreissysteme für die langfristige Fernwärmeversorgung, flexible, auf die besonderen Anforderungen der Wärmeerzeugung ausgerichtete Beschaffungskonzepte (Portfoliomanagement), Vermarktung des regenerativen und des Effizienzmehrwerts von Wärme aus Erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Kopplung sowie die Umstellung auf regenerative Erzeugung (z. B. durch Biogas oder Erschließung lokal vorhandener Solarthermie, Biomasse oder Erdwärmepotenziale) sind nur einige der Antworten, die Unternehmen in jüngster Zeit entwickelt haben. Aber auch für Verbraucher aus Industrie, Immobilienwirtschaft und öffentlicher Hand sind zukunftsorientierte Wärmekonzepte wegen der langen Refinanzierungszeiträume für Wärmetechnologien und der zunehmenden Bedeutung steigender Wärmekosten von existenzieller Bedeutung.
 
Dabei befinden sich alle Marktakteure in einem betriebswirtschaftlich und rechtlich hochkomplexen Umfeld. Wegen der starken Preisschwankungen auf den Energiemärkten und der laufenden technologischen Veränderungen bilden Machbarkeitsstudien und Wirtschaftlichkeitsberechnungen von regenerativen Wärmeprojekten ebenso wie die daraus abgeleitete Kalkulation von Wärmepreisen und die Absicherung des langfristigen Projekterfolgs durch die Berechnung von Preisgleitformeln ein hochkomplexes Beratungsgeschäftsfeld.
 
Auch im regenerativen Wärmemarkt hängt der wirtschaftliche Erfolg an förderrechtlichen Rahmenbedingungen aus EEG, KWKG, EEWärmeG, EWärmeG BaWü, den speziellen Förderprogrammen auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene sowie der Privilegierung bei staatlichen Belastungen (z. B. EEG-Umlage, StromStG, EnergieStG, Emissionshandel etc.). Eine frühzeitige förder- und steuerrechtliche Prüfung und Optimierung ist deshalb unerlässlich.
 
Schließlich hat der Rechtsrahmen an Komplexität zugenommen. Sowohl die Prüfung bestehender rechtlicher Strukturen für Investoren (Due-Diligence-Prüfungen) als auch eine rechtssichere Gestaltung der Projekt-, Gesellschafts- und Vertriebsverträge für regenerative Wärmeprojekte lassen sich nur noch unter Inanspruchnahme von Expertenwissen in einer der kaufmännischen Sorgfaltspflicht genügenden Weise sicherstellen.
 
Nicht zuletzt setzen die Förderbedingungen regenerativer Wärmeprojekte zahlreiche Nachweise durch Wirtschaftsprüfer voraus. Unternehmen machen sich häufig die hohe Sachkompetenz, Qualitätssicherung und Neutralität der Wirtschaftsprüfung zunutze, um den Nachweis von Qualitäts- und Preis(anpassungs)vereinbarungen im Verhältnis zu ihren Kunden zu erbringen.
 
Neue Marktchancen, hoher Investitionsbedarf bei langfristigen Refinanzierungszeiträumen, ein komplexes technisches, betriebswirtschaftliches und rechtliches Umfeld – damit der geweckte Riese nicht zum unbeherrschbaren Risiko wird, bedarf es langjähriger Branchenerfahrung und eines interdisziplinären Ansatzes.
 
zuletzt aktualisiert am 22. April

Aus dem Themenspecial

Kontakt

Contact Person Picture

Benjamin Richter

Diplom-Betriebswirt (FH)

Partner

+49 89 9287 803 50

Anfrage senden

Contact Person Picture

Joachim Held

Rechtsanwalt, Mag. rer. publ.

Associate Partner

+49 911 9193 3515

Anfrage senden

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu