Tiefengeothermie weltweit - von Bayern bis zum Ring of Fire

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Imposant ist es ja, wenn ein Geysir auf Island heißes Wasser in die Höhe schießen lässt. Doch dieses Schauspiel ist wie die berühmte Spitze des Eisbergs: Die zur Schau gestellte Wärmeenergie ist nur ein Bruchteil dessen, was unterirdisch tatsächlich zur Verfügung steht.
 
Das Potenzial der Tiefengeothermie, also die Gewinnung von Strom und/oder Wärme auf Basis der in großer Tiefe gespeicherten Wärmeenergie, ist enorm. Die International Energy Agency (IEA) geht davon aus1, dass die Tiefengeothermie bis 2050 3,5 Prozent des weltweiten elektrischen Energiebedarfs decken und dabei bis zu 800 Megatonnen CO2 einsparen kann, was in etwa dem CO2-Ausstoß Deutschlands im Jahr 2011 entspricht.2 Zusätzlich kann sie in diesem Szenario bis zu 3,9 Prozent des prognostizierten zukünftigen Wärmebedarfs decken. Die technischen Potenziale sind jedoch um ein Vielfaches größer. Die Möglichkeit, Wärme und/oder Strom zu erzeugen, wobei die Energiequelle sogar grundlastfähig und damit steuerbar ist, ist ein Alleinstellungsmerkmal der Tiefengeothermie.
 
Geothermische Energie existiert weltweit in der Tiefe und ist dort entweder in heißem, porösem Gestein (petrothermale Geothermie) oder in hydrothermalen Aquiferen (hydrothermale Geothermie) gespeichert. Es gibt diverse Techniken, um die im Gestein gespeicherte thermische Energie zu erschließen. Bis auf das sogenannte Enhanced Geothermal System (EGS) befinden sich jedoch alle Verfahren noch in der Konzeptionsphase. Das EGS-Verfahren basiert auf der künstlichen Schaffung von Wärmespeichern durch hydraulische Stimulation oder Säurestimulation. Über Bohrungen wird dann Wasser im künstlichen Risssystem verpresst, wo es sich aufgrund des umliegenden heißen Gesteins erwärmt und über eine oder mehrere Bohrungen wieder zutage gefördert wird. Die IEA geht davon aus, dass die EGS-Technologie zukünftig eine größere Rolle in der Branche spielen wird, um das volle Potenzial der Erdwärmenutzung auszuschöpfen, denn diese Energiequelle steht unabhängig von natürlichen unterirdischen Wasserspeichern rund um den Globus zur Verfügung. Derzeit befindet sich die Technologie jedoch noch in der Demonstrationsphase und es werden entsprechende Forschungsprojekte, beispielsweise jenes in Soultz-sous-Forêts, Frankreich, realisiert.
 
Als „Proven Technology” gilt dagegen die bohrtechnische Erschließung von hydrothermalen Aquiferen, also natürlich vorkommenden unterirdischen wasserführenden Schichten. Diese nehmen die Erdwärme aus dem Gestein auf, wobei das Medium Wasser zugleich dazu geeignet ist, die gespeicherte Wärme über Bohrungen an die Oberfläche zu fördern. Das geschieht in Abhängigkeit der physikalischen Bedingungen im Untergrund entweder in Form von Wasser oder Wasser-Dampf-Gemischen, wobei weltweit derzeit hauptsächlich aufgrund des höheren Energiegehalts (Enthalpie) bestehende Dampflagerstätten zur großtechnischen Stromerzeugung genutzt werden.
 
In Deutschland konzentrierten sich die Projektentwicklungstätigkeiten bisher schwerpunktmäßig auf die Erschließung wasserführender Aquifere im sogenannten „Süddeutschen Molassebecken”, einem regionalen Sedimentbereich im nördlichen Alpenvorland. Über 100 Erlaubnisfelder (Konzessionsgebiete für die Exploration bestehender Ressourcen) stehen hier für die Projektentwicklung bereit, wobei derzeit erst ca. 20 Prozent entwickelt wurden. Sie stellen in Summe etwa 90 Prozent der thermischen Leistung und mehr als 55 Prozent3 der elektrischen Leistung aus Tiefengeothermie in Deutschland zur Verfügung. Rödl & Partner berät hier einige Projekte bzw. Akteure am Markt, beispielsweise die Gemeinde Kirchweidach oder die Geothermie Unterhaching GmbH & Co. KG. Bei Letzterem handelt es sich um das erste Vorhaben, das eine parallele Strom- und Wärmeerzeugung ermöglichte. Das Investitionsvolumen bis 2009 beläuft sich auf ca. 90 Mio. Euro. Die Stromerzeugungsanlage hat eine elektrische Leistung von 3,36 MWth; das bis heute im Ausbau befindliche Fernwärmenetz kann bereits eine Anschlussleistung von 57 MW vorweisen und versorgt ca. 50 Prozent der gesamten 22.000 Einwohner zählenden Gemeinde mit Wärme.4
 
In jüngster Vergangenheit gewinnen aber auch – ganz nach den Visionen der IEA – EGS-Projekte an Bedeutung, insbesondere im Norddeutschen Becken.
 

Rot eingezeichnet sind die Aquifere mit einer Temperatur > 100 °C, die sich für die geothermische Stromerzeugung eignen​.

© LIAG

 

 Abbildung 1: Deutschlands Geothermie-Gebiete
 
Ein wichtiger Faktor für die wirtschaftliche Umsetzung von Tiefengeothermieprojekten in Deutschland ist die Einspeisevergütung gemäß EEG (Gesetz für den Ausbau Erneuerbarer Energien). Während andere regenerative Energieträger nach der jüngsten Novellierung des EEG im Jahr 2014 teilweise mit starken Reduzierungen in der Förderung konfrontiert wurden, ist für die Tiefengeothermie weiterhin eine uneingeschränkte und stabile Vergütung von 25,20 €/MWh über 20 Jahre sowie für das Jahr der Inbetriebnahme vorgesehen. Die jährliche Degression von 5 Prozent betrifft erst Anlagen, die ab dem 1. Januar 2018 in Betrieb genommen werden. Wesentliche Neuerungen durch die Novellierung sind zudem die verpflichtende Direktvermarktung von geothermischem Strom aus Neuanlagen sowie die geplante Ausschreibungspflicht ab 2017 für neue Projekte bzw. ab 2021 für bereits begonnene Projekte.
 
Ein weiterer wichtiger Baustein für die erfolgreiche Realisierung von Tiefengeothermieprojekten ist die Investitionskostenförderung. Grundsätzlich können die Investitionen im Bereich Tiefengeothermie über einen sehr langen Zeitraum amortisiert werden, denn die bergrechtliche Bewilligung zur Gewinnung von Erdwärme wird i.d.R. für 50 Jahre erteilt und auch bei einer Verlängerung steht die Ressource noch uneingeschränkt zur Nutzung zur Verfügung. Dennoch sind insbesondere die anfänglich sehr hohen Investitionen in die Bohrungen, die bis zu 65 Prozent des Investitionsvolumens ausmachen können, in Kombination mit dem Fündigkeitsrisiko5 schon immer eine große Einstiegshürde für die Projektumsetzung gewesen. Die Bundesregierung hat die Bedeutung der Tiefengeothermie erkannt und sie in ein spezielles Marktanreizprogramm zur Investitionskostenförderung aufgenommen.
 
Nicht nur in Deutschland hat sich in den letzten Jahren viel auf dem Tiefengeothermie-Markt getan. Weltweit wurden Anreizsysteme zur Förderung der Geothermie geschaffen, Projekte entwickelt und Erfahrungen gesammelt. Vor allem die Märkte in Südamerika (Ring of Fire) und Ostafrika (Ostafrikanischer Graben) zeigen ein enormes Entwicklungspotenzial.
 

Abbildung 2: Überblick über die Niederlassungen, Kooperationspartner sowie Tiefengeothermie-Projekterfahrung von Rödl & Partner
 
Mit dem von Rödl & Partner als Fund Manager betreuten GRMF (Geothermal Risk Mitigation Facility) ist in Ostafrika das derzeit wohl finanzstärkste Risikomanagementsystem implementiert worden. Gespeist aus diversen Fördertöpfen stehen hier 120 Mio. Euro an Mitteln für die Explorationsphase zur Verfügung. Alle Länder entlang des afrikanischen Grabensystems, insbesondere auch Kenia, Tansania und Äthiopien, zeigen aktuell mehr und mehr Projekttätigkeiten öffentlicher und privater Entwickler.
 
In Südamerika steht in der nächsten Dekade wohl ebenfalls ein Boom bevor. Auf Basis des GDF (Geothermal Development Facility), für den Rödl & Partner das Konzept entwickelt hat, soll unter Leitung der KfW/EU ebenfalls ein hochinnovatives Förderprogramm mit einer Laufzeit von zehn Jahren implementiert werden. Das Programm selbst wurde im Dezember von Bundesminister Müller und dem EU-Kommissar für Klimapolitik und Energie, Miguel Arias Cañete, auf der Klimakonferenz in Lima, Peru, angekündigt. Der Förderrahmen soll Ende 2015 / Anfang 2016 in die operative Phase gehen. Dadurch sind erhebliche positive Impulse in allen Pazifikküstenländern in Latein- und Südamerika zu erwarten.
 
Der Tiefengeothermie hängt noch der Ruf als „hidden champion” an, aufgrund der entsprechenden Fördermittelsysteme ist aber zu erwarten, dass Sie in der nächsten Dekade weltweit aus dem Schatten der anderen Erneuerbaren Energien tritt und ihren Beitrag vor allen Dingen als grundlastfähige Stromerzeugungstechnologie leisten wird.
 

1 http://www.iea.org/roadmaps/
2 http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_gr%C3%B6%C3%9Ften_Kohlenstoffdioxidemittenten
3 http://www.geothermie.de/wissenswelt/geothermie/in-deutschland.html; Stand Juni 2014.
4 https://www.geothermie-unterhaching.de/cms/geothermie/web.nsf/id/pa_daten_fakten.html
5 Als Fündigkeitsrisiko bezeichnet man das Risiko ein geothermisches Reservoir nicht mit der geplanten Anzahl an Bohrungen in ausreichenderQuantität oder Qualität zu erschließen.
 
zuletzt aktualisiert am 22. April 2015

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Benjamin Richter

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