Windmarkt im Umbruch

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Das Windjahr 2016 in Deutschland wird überschattet vom sich abzeichnenden EEG 2017, denn ab 2017 wird die Zubaumenge ausschreibungsbedingt unweigerlich sinken. Den aktuellen Ausbauzahlen tut das jedoch keinen Abbruch. Auch weltweit ist der Trend un­ge­brochen: 2015 überstieg die Leistung der Windkraft erstmals die der Kernenergie.
 
Weltweit sind somit nun knapp 370 GW an Windenergie installiert. In Deutschland beläuft sich die Summe auf ca. 39 GW installierter Leistung. Damit reiht sich Deutschland – im Verhältnis zur Landesgröße – direkt hinter der Volksrepublik China (ca. 115 GW) und den USA (ca. 66 GW) auf einem sensationellen dritten Platz ein. Das Global Wind Energy Council erwartet, dass weltweit bis zum Jahre 2018 fast 600 GW an Windenergie installiert sind (Market Forecast for 2014–2018). Des Weiteren wird für die folgenden Jahre weltweit von einem jährlichen Investitionsvolumen von mindestens 50 Milliarden Euro ausgegangen.
 

Deutschland

In Deutschland ist der Windmarkt im Umbruch. Der Markt bereitet sich auf die Ausschreibungen der festgesetzten Mengen ab 2017 vor. Zwar konnte 2015 nicht mehr ganz an das Rekordjahr 2014 anknüpfen, aber die Zuwachszahlen aus dem ersten Halbjahr 2016 deuten mit 1.892 MW Nettozubau (Onshore) erneut ein außer­gewöhnlich gutes Jahr an. Dazu kommen weitere 258 MW neue Offshore-Kapazität.
 
 
Quelle: Deutsche WindGuard – Status des Windenergieausbaus an Land in Deutschland (2016)
 
Die dargestellte Grafik zeigt den Verlauf des Windenergieausbaus in Deutschland seit 1992. Gut zu erkennen ist der starke Anstieg zum Ende der 90er-Jahre. Diese Anlagen werden bereits in 3 bis 5 Jahren ihre technische Lebensdauer und den Vergütungszeitraum nach EEG überschritten haben, weshalb ein wesentlicher Anstieg im Anlagen-Repowering zu erwarten ist. Das trifft insbesondere auf Anlagen im windstarken Norden zu, deren damalige Nabenhöhe und Leistung weit unter derzeitigen Standards liegen. Der Fortschritt der Technologie birgt hier großes Potenzial.
 

EEG 2017

Das neue EEG bringt einige tiefgreifende Änderungen mit sich. Neben der wohl ein­schneidendsten Neuerung, der Umstellung von fester Vergütung auf ein Ausschreibungs­modell, gelten noch zahlreiche weitere Änderungen. Einige unliebsame alte Regelungen bleiben zum Leidwesen der Branche bestehen.

    

So darf erzeugter Strom, der nach neuem EEG infolge gewonnener Ausschreibung gefördert wird, nun nicht mehr selbst vor Ort verbraucht werden. Das gilt analog für die Nutzung von Stromspeichern und anderen daran anknüpfenden Technologien wie Power-to-Gas, Power-to-Heat etc. Bei Verstoß erlischt unter Umständen die gesamte Förderung nach EEG für das komplette Jahr. Immerhin gibt es einige wenige Ausnahmen wie den Kraftwerkseigenverbrauch oder Netzverluste. Allerdings wird dadurch eine Vielzahl innovativer Versorgungskonzepte eingeschränkt bzw. sogar unterdrückt.

     

Auch die Regelung nach § 24 EEG 2014 (negative Stunden) ist weiterhin als § 51 EEG 2017 gültig. Die Vorschrift besagt:

 

Wenn der Wert der Stundenkontrakte für die Preiszone Deutschland/Österreich am Spotmarkt der Strombörse EPEX Spot SE in Paris an mindestens sechs aufeinanderfolgenden Stunden negativ ist, verringert sich der anzulegende Wert nach § 23 Absatz 1 Satz 2 für den gesamten Zeitraum, in denen die Stunden­kontrakte ohne Unterbrechung negativ sind, auf null.”

 

Die Erfahrung aus dem vergangenen Jahr zeigt, dass es insgesamt 25 Stunden negativer Strompreise gegeben hat, verteilt auf vier Blöcke à ca. 6 Stunden. Für das erste Halbjahr 2016 hat es bisher 23 negative Stunden, verteilt auf 3 Blöcke à ca. 6 Stunden, gegeben. Es sind somit nach wie vor äußerst überschaubare Zeiträume, die nicht vergütet werden. Bis heute lassen sich nach wie vor keine genauen Prognosen für zukünftige Vergütungsausfälle erstellen, perspektivisch jedoch wird die Zahl der Stunden mit negativem Strompreis sicherlich steigen. Die betreffenden Kosten und Risiken werden bisher uneinheitlich getragen: Vom vollen Risikoverbleib beim Betreiber bis hin zur Risikoteilung sind alle Szenarien im Markt verfügbar. Möglich ist auch, dass der Direktvermarkter vertraglich das volle Risiko trägt. Es kommt auf das individuelle Verhandlungsgeschick und die Auswahl des Direktvermarkters an.

     

Erfreulich ist indes die jetzt erfolgte Klarstellung, dass lediglich Anlagen ab 3 MW Leistung unter diese Regelung fallen. Im EEG 2014 galt sie noch für den gesamten Windpark.

 

Wie oben schon erwähnt, tritt das Modell der Ausschreibung zur Ermittlung der Vergütungs­höhen nach EEG als wesentlichste Neuerung auf. Diese Ausschreibungen führt von nun an die Bundesnetzagentur durch; sie betreffen alle neuen Windenergieanlagen an Land über 750 kW Leistung. Die neue Regelung soll nun auch die Zubaurate der kommenden Jahre steuern. Der anvisierte Zubau für Windenergie an Land liegt bei 2.800 MW pro Jahr bis 2019 und 2.900 MW pro Jahr ab dem Jahr 2020. Die Werte sind als Bruttowerte zu verstehen, d.h., die wegfallende Leistung aufgrund von Rückbau oder Repowering wird nicht berücksichtigt. Zum Vergleich: Die Netto-Zubauraten lagen 2014 und 2015 jeweils ca. 50–70 Prozent höher. Bei solch gedeckelten Zubauraten ist abzusehen, dass andere Länder wie Brasilien oder Indien Deutschland von Platz 3 weltweit mittelfristig verdrängen werden.

 

Das Ausschreibungsmodell findet über das Jahr gestaffelt Anwendung, sodass im ersten Ausschreibungs­termin 800 MW und im zweiten und dritten Termin je 1.000 MW ausgeschrieben werden.

 

Um überhaupt zum Bieterverfahren zugelassen zu werden, muss zum Zeitpunkt der Gebots­abgabe eine BImSch-Genehmigung vorliegen sowie eine Sicherheitsleistung von 30 €/kW hinterlegt werden. Innerhalb von 30 Monaten, wobei bereits nach 26, 28 und 30 Monaten Bußgelder in Höhe von 10 €/kW fällig werden.

 

Die Bieter müssen einen Gebotswert ermitteln und abgeben, wobei der Maximalwert in der ersten Ausschreibungsrunde bei 7 ct/kWh gedeckelt ist. Anschließend erfolgt der Zuschlag der Reihe nach vom günstigsten bis zum teuersten Anbieter, bis die ausgeschriebenen Mengen erreicht sind. Basis für alle abgegebenen Angebote ist ein 100-Prozent-Referenz­standort, der bei 6,45 m/s auf 100 m Nabenhöhe definiert ist, um alle Angebote ortsunabhängig vergleichbar zu machen.

 

Um dennoch unterschiedlichen Standortqualitäten Rechnung zu tragen, ist ein Gütefaktor entwickelt worden, der gutachterlich festzulegen ist und so schwächeren Windstandorten einen kleinen Bonus, stärkeren Windstandorten einen kleinen Malus bei der gewährten Vergütung einbringt. Dieser Gütefaktor wird alle fünf Jahre anhand des realen Standortertrages der Anlage neu berechnet und sowohl für die Zukunft als auch rückwirkend (!) angepasst. Weicht der Faktor um mehr als 2 Prozent vom Gutachten ab, so wird eine Rückerstattung oder Nachzahlung fällig.
 

 

Abgewandelte Regelungen sind für sogenannte Bürgerenergiegesellschaften geschaffen worden, um die Akteursvielfalt im Markt zu erhalten. So müssen diese Gesellschaften, die nur nach strengen Kriterien als solche zugelassen werden, beispielsweise weniger Sicherheitsleistungen hinterlegen und zum Zeitpunkt der Ausschreibung auch noch keinen genehmigten BImSch-Antrag einreichen. Es bleibt fraglich, ob damit ausreichend Maßnahmen geschaffen sind, um die Akteursviefalt in der heutigen Form zu erhalten.

Auch dürfen Zweifel bestehen, was die Umsetzungsrate aller ausgeschriebenen Projekte betrifft. Im PV-Sektor hat Rödl & Partner nach einem bzw. eineinhalb Jahren erkannt, dass bisher lediglich ca. 25 Prozent aller bezuschlagten Projekte erfolgreich umgesetzt wurden. Die verbleibende Zeit zum Realisieren der Projekte beträgt nun weniger als 1 Jahr.

Erfreulicherweise ist es jedoch nun auch möglich, regional erzeugten EE-Strom als grünes Stromprodukt zu kennzeichnen und so dem Bürger anzubieten. Vorher war das bei Nutzung der EEG-Vergütung nicht möglich, da der Strom dadurch bilanziell als Graustrom galt.

 

Weitere Aspekte

Besonders für die Projektierer und Betreiber mit Fokus auf den Süden Deutschlands kam Mitte dieses Jahres die Bestätigung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes, dass die „10H”-Regel, die die 10-fache Höhe der Windenergieanlage als Mindestdistanz zur nächstgelegenen Wohnbebauung vorsieht, verfassungsgemäß und somit rechtens ist. Mehrere Interessengruppen, unter anderem die bayerischen Landtags-Grünen, hatten Klage vor Bayerns höchster staatsg­erichtlicher Instanz eingereicht. Damit stehen der Windkraft bei einer Abstandsfläche von 2.000 m nach Berechnungen des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung nur noch 1,7 Prozent der bayerischen Landesfläche zur Verfügung.

     

Bisher haben andere Bundesländer diese hohen Abstandsforderungen nicht übernommen. Einige Bundesländer, z. B. Niedersachen und Thüringen, haben ihre Windenergieerlasse erst in diesem Jahr neu aufgestellt bzw. verabschiedet.

 

Marktaufteilung 2015

Im deutschen Onshore-Windmarkt teilen sich derzeit fünf Anlagenhersteller einen Marktanteil von rund 96 Prozent. So haben im Jahr 2015 Enercon 37,3 Prozent, Vestas 21,3 Prozent, Senvion 18,0 Prozent und Nordex 11,8 Prozent sowie GE 7,3 Prozent aller neugebauten Projekte gestellt.

 

Der technische Trend geht weiterhin in Richtung Mittel- und Schwachwindanlagen mit einem Rotordurchmesser von bis zu 190 m und somit höherliegenden Naben, die mittlerweile in einem Höhenbereich von 160 m angekommen sind.

 

Doch auch im Segment der Kleinwindanlagen geht die Entwicklung voran. Die meisten Anlagen haben eine installierte Leistung zwischen 1 und 30 kW. Die spezifischen Investitionskosten pro kW Nennleistung belaufen sich laut Bundesverband Kleinwindanlagen auf 1.000 bis 10.000 Euro. Neueste Anlagen erreichen dabei so niedrige Schallimmissionswerte, dass auch Installationen in Wohngebieten denkbar sind.
 

International

Ob on- oder offshore – auch außerhalb Deutschlands boomt die Energieerzeugung aus Windkraft. Weltweit sind im Jahr 2015 63.000 MW installierter Leistung hinzugekommen. Im Jahr 2009 betrug der Zuwachs lediglich die Hälfte. Besonders China hat mit rund 31 GW Zubau maßgeblich zu dem 2015er-Ergebnis beigetragen. Aber auch die USA, weltweit auf Rang 2, steuerten mit 8.600 MW einen wesentlichen Anteil zu dem positiven Trend bei. So entstand erst im August dieses Jahres knappe 300 km nordöstlich von New York der erste Offshore-Windpark Amerikas. Insgesamt fünf Anlagen der 6-MW-Klasse hat GE dort als Testfeld errichtet. Unterstützend beigetragen haben wird dazu auch der neu verabschiedete „Energy Diversity Act” der amerikanische Energieversorger dazu verpflichtet, Strom aus Wasserkraft und Offshore-Windenergie abzunehmen. Neben den USA, die viel potenzielle Fläche für Windenergie bieten, entwickelt sich auch in Brasilien und Indien der Markt für Windenergieanlagen stetig weiter. 2015 wurden dort 2.800 MW bzw. 2.600 MW an neuer Leistung hinzugebaut.
 
Künftige Markführer sieht die Branche verstärkt aus dem lateinamerikanischen und afrikanischen Raum kommen. Brasilien, aktuell auf Platz 4 im weltweiten Zubauranking, holt bereits mit großen Schritten auf. Länder wie Uruguay mit einem verhältnismäßig kleinen Zubau von 316 MW decken ihren Strombedarf bereits zu 95 Prozent aus Erneuerbaren Energien. Auch der afrikanische Kontinent, angeführt von Südafrika, wird in den kommenden Jahren weitere Marktanteile gewinnen. Parallel dazu belegen weitere Zuwächse in Äthiopien, Jordanien und nicht zuletzt Indien, dass die Windenergienutzung in den nächsten Jahren in immer mehr Ländern zum unverzichtbaren Bestandteil der Stromversorgung gehören wird.
 

Fazit

Der Ausbau der Windenergie stellt weltweit einen der Grundpfeiler der Energiewende dar und wird sich auch in den kommenden Jahren weiterentwickeln. Neben dem Ausbau an Land verdient auch die Offshore-Industrie große Beachtung, denn sie birgt großes Potenzial, schreitet technisch immer weiter voran und reduziert somit Risiken. Aufgrund der tendenziell längeren Laufzeiten von Windprojekten ist eine frühzeitige professionelle Planung und, insbesondere im internationalen Umfeld, eine Marktsondierung sowie jeweils die Prüfung der regulatorischen Rahmenbedingungen unabdingbar.

Auch im Anlagenbetrieb werden kontinuierlich neue Betriebsvorschriften erlassen, um die Sicherheits- und Dokumentationsstandards weiter zu erhöhen. Hierzu ist eine regelmäßige Überprüfung der Anforderungen nach jeweiliger aktuell gültiger nationaler Rechtslage unbedingt zu empfehlen. Mehr dazu finden Sie in unser September-Ausgabe des Newsletter Kursbuch Stadtwerke.
  
Auch im Anlagenbetrieb werden kontinuierlich neue Betriebsvorschriften erlassen, um die Sicherheits- und Dokumentationsstandards weiter zu erhöhen. Hierzu ist eine regelmäßige Überprüfung der Anforderungen nach jeweiliger aktuell gültiger nationaler Rechtslage unbedingt zu empfehlen. Mehr dazu finden Sie in unserer Oktober Ausgabe unserer E|nEws.
 
zuletzt aktualisiert am 05.10.2016

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