Unternehmenssanierung unterm Schutzschirm – die neue Sanierungskultur in Deutschland

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von Rainer Schaaf
 
Der Wandel zu einer neuen Sanierungskultur in Deutschland ist in vollem Gange. Ein Blick auf die beantragten Schutzschirmverfahren bzw. (vorläufigen) Eigenverwaltungen zeigt, dass immer mehr Unternehmen von der neu eingeführten Sanierungsmöglichkeit Gebrauch machen. Auf der Gläubigerseite sieht Rechtsanwalt Rainer Schaaf, Partner bei Rödl & Partner in Nürnberg allerdings noch Spielraum. „Die Gläubiger nutzen noch nicht in vollem Umfang die Vorteile, die ihnen das ESUG bietet.” Zurückhaltung sieht er auch bei den kleineren Mittelständlern, die genau abwägen, welche Vor- und Nachteile ihnen das Schutzschirmverfahren bringt.

 

Der Geschäftsführer kontrolliert die Geschicke seines Unternehmens weiter

Seit einem guten Jahr können Unternehmen, die kurz vor einer Insolvenz stehen, aber noch nicht insolvent sind, beantragen, ihr Unternehmen in Eigenverwaltung im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens zu sanieren. Grundlage ist das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG). Das hierdurch eingeführte Schutzschirmverfahren gibt ihnen bis zu drei Monaten Zeit, einen Sanierungsplan zu erarbeiten. Entscheidende Neuerung gegenüber der klassischen Insolvenz: Die Unternehmer bzw. die Geschäftsführer oder Vorstände bleiben auch in der „Schutzschirmzeit” Herr über ihr Unternehmen; statt des Insolvenzverwalters, der im normalen Insolvenzverfahren das Ruder übernimmt, beaufsichtigt nur ein sogenannter Sachwalter den Ablauf des Verfahrens.
 
Eine interessante Alternative zum Schutzschirmverfahren als besonderer Form der Eigenverwaltung bietet das so genannte kleine Schutzschirmverfahren: Nämlich die Möglichkeit im Eröffnungsverfahren auch ohne Schutzschirm die (vorläufige) Eigenverwaltung durchzuführen. Dies ist unter anderem interessant, wenn das Unternehmen schon zahlungsunfähig ist. Auch hier beaufsichtigt ein Sachwalter das Verfahren, und der Unternehmer bzw. Geschäftsführer oder Vorstand kann die Geschicke weiter kontrollieren.

 

Der frühzeitige Insolvenzantrag ist attraktiver geworden

„Mit diesem Instrument hat der Gesetzgeber erfolgreich einen Wandel in der Sanierungskultur eingeleitet. Die Aussicht auf eine Sanierung in Eigenverwaltung macht es für die Schuldner attraktiv, frühzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen”, sagt Rainer Schaaf. Er warnt allerdings vor falschen Erwartungen an das Schutzschirmverfahren. Das vorrangige Ziel eines Insolvenzverfahrens bleibe die Befriedigung der Gläubiger, daran habe sich nichts geändert. Bei der Zielsetzung des Insolvenzrechts habe kein Paradigmenwechsel stattgefunden. Bringt die Zerschlagung des Unternehmens mehr als die Sanierung, muss sie erfolgen.
 
Doch oft lohnt sich die Sanierung aufgrund eines erfolgreich in Eigenregie erarbeiteten Sanierungsplans für die Beteiligten mehr als die Zerschlagung. Insbesondere für die Gesellschafter erhöht sich die Chance, dass ihre Anteile werthaltig bleiben. Das Schutzschirmverfahren ermöglicht es, für die Sanierung flexibel die individuell beste Lösung zu finden. „Der wohl wichtigste Vorteil des neuen Verfahrens ist seine Flexibilität”, sagt Schaaf.
 

Mehr Einfluss für die Gläubiger durch den neuen Gläubigerausschuss

Eine tragende Rolle bei der Planinsolvenz spielen die Gläubiger. Über das neu geschaffene Gremium des vorläufigen Gläubigerausschusses können sie das Insolvenzverfahren beeinflussen. Sie dürfen mitentscheiden, ob die Eigenverwaltung überhaupt gestattet wird, und welche Person das Gericht zum Sachwalter bestellt. „Die Gläubiger haben es in der Hand, ihren Teil zu einem belastbaren Sanierungskonzept beizutragen, welches in eine nachhaltige Sanierung mündet”, sagt Schaaf.
 

Probleme bei der Antragstellung

Probleme des neuen Insolvenzrechts sieht Schaaf allerdings im Aufwand, den das Verfahren mit sich bringt. So sind die Insolvenzanträge komplexer geworden. Das führt zu gewissen Anlaufschwierigkeiten bei der Antragstellung. So waren nach Zählung des Amtsgerichts Charlottenburg in Berlin ca. 90 Prozent der neuen Insolvenzanträge unvollständig. Unvollständige Anträge können die Einleitung eines Verfahrens verzögern, im schlimmsten Fall können formell fehlerhafte Anträge sogar eine Strafbarkeit nach der Insolvenzordnung begründen. In der Praxis haben sich die Insolvenzgerichte bei der Einleitung der Verfahren bislang allerdings großzügig gezeigt.
 

Kosten-Nutzen-Abwägung für das Schutzschirmverfahren

Ein größeres Hindernis auf dem Weg zur Sanierung stellt für Unternehmer der Kostenaufwand dar. Die Betreuung eines Schutzschirmverfahrens oder auch der „einfachen” (vorläufigen) Eigenverwaltung ist beratungsintensiv. Das führt dazu, dass gerade kleinere Unternehmen das ESUG-Schutzschirmverfahren bzw. die Eigenverwaltung gar nicht beantragen, obwohl ein Antrag erfolgversprechend wäre. „Nach außen kann das so wirken, als hätte das Gericht ihnen die Eigenverwaltung versagt”, sagt Schaaf.
 
Er sieht die Gefahr, dass hier eine neue Form der Stigmatisierung entsteht. Auf der einen Seite die „guten” neuen Sanierungen in Eigenverwaltung, auf der anderen Seite die „unfähigen” Unternehmen, denen das Gericht die Sanierung in Eigenverwaltung nicht zutraut.
 

Gute Planung legt den Grundstein für die erfolgreiche Unternehmenssanierung

Er rät Unternehmern daher, sich frühzeitig mit der Möglichkeit einer Insolvenz in Eigenverwaltung vertraut zu machen. Lohnt sich ein Schutzschirmverfahren bzw. die (vorläufige) Eigenverwaltung? Stehen Kosten und Nutzen in einem vernünftigen Verhältnis? Sieht sich der Unternehmer in der Lage, das Gericht zu überzeugen, die Sanierung in Eigenverantwortung zu planen? Ziehen die Gläubiger mit?
 
Wer auf diese Fragen rechtzeitig eine befriedigende Antwort findet, hat gute Aussichten, im Falle des Falles unter dem Schutzschirm der Planinsolvenz den Grundstein für eine erfolgreiche Zukunft seines Unternehmens zu legen.

zuletzt aktualisiert am 11.06.2013
  

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