Liegt kein Zweckbetrieb vor, wenn Gewinne erzielt werden?

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​​​veröffentlicht am 23. Juni 2020

 

 
​​Zweckbetriebe sind im Bereich der Ertragsteuern steuerbefreit. Das Gesetz (Abgabenordnung) enthält verschiedene Vorschriften, die regeln, wann ein Zweckbetrieb vorliegen kann, z. B. Zweckbetriebe der Wohlfahrtspflege (§ 66 AO), Krankenhäuser (§ 67 AO), Alten- und Pflegheime, Kindergärten oder Werkstätten für behinderte Menschen (§ 68 Nr. 1 und 3a AO) oder „allgemeine” Zweckbetriebe i. S. d. § 65 AO. Es müssen jeweils bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, dass eine Tätigkeit auch als Zweckbetrieb anerkannt wird. Sind die Voraussetzungen für einen Zweckbetrieb nicht erfüllt oder können sie nicht nachgewiesen werden, liegt ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (wGB) vor.


Das Finanzgericht Düsseldorf entschied in einem kürzlich veröffentlichten Urteil (3.9.2019, 6-K-3315/17 – G) , dass eine Gewinnerzielung in 3 aufeinanderfolgenden Veranlagungsjahren dafür spricht, dass KEIN Zweckbetrieb mehr vorliegt, sondern ein wGB. Außerdem entschieden die Richter, dass im Falle eines
gemeinsamen Marktauftritts von einer gemeinnützigen Muttergesellschaft und ihrer gewerblichen Tochtergesellschaft die Gewerblichkeit der Tochter auf die Mutter abfärbt, sodass diese allein deshalb nicht gemeinnützig sein könne.


WIRD EIN ZWECKBETRIEB NUR NOCH ALS STEUERBEGÜNSTIGTER ZWECKBETRIEB ANERKANNT, WENN ER SICH AM PRINZIP DER KOSTENDECKUNG ORIENTIERT?
Zweckbetriebe sind von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer befreit. Daher ist es für einen Steuerpflichtigen von entscheidender Bedeutung, ob das Finanzamt einen Zweckbetrieb im Rahmen der Steuerveranlagung oder einer späteren Betriebsprüfung als solchen anerkennt. Doch selbst wenn das Finanzamt entscheidet, dass ein steuerbefreiter Zweckbetrieb vorliegt, können Konkurrenten unter bestimmten Voraussetzungen gegen diese Entscheidung des Finanzamtes Klage einreichen (sog. „Konkurrentenklage”).

 

Eine derartige Wettbewerbssituation mit einem nicht steuerbegünstigten Konkurrenten war der Grund für ein Verfahren, das vor dem Finanzgericht Düsseldorf ausgetragen wurde (Urteil vom 3.9.2019, 6-K-3315/17 – G).

 

Folgender Sachverhalt liegt dem Urteil zugrunde: Eine als gemeinnützig anerkannte GmbH erbrachte Leistungen im Bereich der Wohlfahrtspflege. Das Finanzamt sah hierin einen Zweckbetrieb mit der Folge, dass die erzielten Überschüsse nicht der Besteuerung (Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer) unterlagen. Eine gewerbliche Konkurrentin der gemeinnützigen GmbH klagte gegen die Einstufung der Leistungen als Zweckbetrieb. Im Urteil gaben die Richter des Finanzgerichts der klagenden Konkurrentin recht. Obwohl die gGmbH im Bereich der Wohlfahrtspflege tätig war, lag kein Zweckbetrieb im Sinne des § 66 der Abgabenordnung (AO) vor, da die gGmbH nicht nachweisen konnte, ob 2/3 ihrer Leistungen an bedürftige Personen erbracht wurden. Dies wäre jedoch Voraussetzung für die Anerkennung eines Zweckbetriebes der Wohlfahrtspflege nach § 66 AO. Auch ein Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 3c) AO (Integrationsprojekt) lag nicht vor, da nicht mindestens 40 Prozent der Beschäftigten schwerbehinderte Menschen i. S. d. Sozialgesetzbuches waren. Auch das Finanzamt hatte dies bereits so beurteilt, sah jedoch die Voraussetzungen für einen „Allgemeinen” Zweckbetrieb i. S. d. § 65 als erfüllt an. Das Gericht entschied jedoch, dass auch kein Zweckbetrieb i. S. d. § 65 AO vorlag, da die Tätigkeit der gGmbH auf Gewinnerzielung ausgerichtet wäre.


Mittlerweile ist das Verfahren beim obersten deutschen Finanzgericht, dem Bundesfinanzhof (BFH) anhängig. Dieses hat zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Gewinnerzielung in 3 aufeinanderfolgenden Jahren tatsächlich schädlich für die Anerkennung als Zweckbetrieb ist oder sein kann. Denn während die fehlende Gewinnerzielung bei Zweckbetrieben der Wohlfahrtspflege bereits gesetzlich verankert ist, enthalten die übrigen Vorschriften keine derartigen Einschränkungen, die sich auf einen etwaigen Gewinn beziehen.


KANN DIE GEWERBLICHKEIT EINER TOCHTERGESELLSCHAFT AUF DIE MUTTERGESELLSCHAFT „ABFÄRBEN”, SODASS DIESE EBENFALLS ALS NICHT GEMEINNÜZIG BEHANDELT WIRD?
Neben der Frage der Gewinnerzielung hat der BFHS eine weitere grundlegende Entscheidung zu treffen. Das Finanzgericht stellte die These auf, dass die Gewerblichkeit einer Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft „abfärbe” („Abfärbetheorie”) und diese allein deshalb nicht gemeinnützig sein könne. Dies gelte zumindest für den Fall, dass Mutter- und Tochtergesellschaft im Rahmen eines gemeinsamen Marktauftritts ein komplexes Leistungspaket anbieten.

 

Die Entscheidung des BFH bleibt abzuwarten. Sollte dieser die Auffassung des Finanzgerichts bestätigen, müssten schnellstmöglich sämtliche Beziehungen zwischen gemeinnützigen Einrichtungen und deren gewerblichen Tochtergesellschaften untersucht und in einigen Fällen wohl auch angepasst werden. Außerdem müsste –je nach Ausgang der BFH-Entscheidung –eventuell auch die Ergebnisermittlung sämtlicher Zweckbetriebe überprüft werden. Bisher besteht lediglich für Zweckbetriebe im Rahmen der sog. „Wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre” die Verpflichtung, deren Ergebnisse in gesonderter Weise zu ermitteln und zu dokumentieren.



Autorin: Anka Neudert

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