Miete und die Pandemie – Was sagt die aktuelle Rechtsprechung nun?

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​veröffentlicht am 2. Mai 2022

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In den letzten Artikeln haben wir uns mit den Auswirkungen der teils massiven Eingriffe in das laufende Mietverhältnis seitens des Gesetz- und Verordnungsgebers und mit einer vorausschauenden Sicht auf die Nach-Covid-Zeit beschäftigt. Nach nun genau 2 Jahren Leben und Umgang mit Corona hat sich zwischenzeitlich der Bundesgerichtshof (BGH, Urteile vom 12.1.2022 - XII ZR 8/21 und vom 16.2.2022 - XII ZR 17/21) eingehend mit den Auswirkungen auf laufende Mietverhältnisse beschäftigt. Wir bringen Ihnen hiermit die Sichtweise der Karlsruher Richter einmal nahe:


Ausgangslage

Die staatlichen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz in den verschiedenen Phasen der Pandemie hatten und haben zweifelsohne teils gravierende Auswirkungen auf (noch) bestehende Mietverhältnisse. Es stellte sich schnell die Frage, ob in einem solchen Fall von einer Mietminderungssituation ausgegangen werden kann oder ob die Situation nicht eher über die ansonsten stiefmütterlich behandelte Regelung der „Störung der Geschäftsgrundlage” nach § 313 BGB zu klären ist. Die Mieter stützten dabei ihre Ausführungen immer auf 2 Aspekte: Die Mieter sind zunächst der Auffassung, infolge der staatlichen Schließungsanordnung liege ein Mangel des Mietobjekts (§ 536 Abs. 1 BGB) vor, der zur Minderung der Miete um 100 Prozent führe. Zweitens wäre der Mietvertrag jedenfalls aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) wegen der durch die staatliche Schließungsanordnung eingetretenen schwerwiegenden Äquivalenzstörungen anzupassen, wobei zumindest eine hälftige Teilung der Mietlast angemessen sei. 

 

Hierzu hatten sich die zuständigen Richter in der Instanzrechtsprechung recht schnell darauf geeinigt, dass es aufgrund der allgemeinen Risikoverteilung im Mietverhältnis nicht sein kann, dass den Vermieter als Mangelbeseitigungsverpflichteter eine Verantwortung an der temporären Nichtnutzung treffe, schließlich liefert der Vermieter ununterbrochen weiter. Die Lösung lag tatsächlich in § 313 BGB – nämlich einer Vertragsanpassung. Inhalt der Vertragsanpassung ist die Frage nach der hypothetischen Lösung, also die Frage danach, was die Parteien geregelt hätten, hätten sie das Ereignis vorausgesehen. Uneinig war man sich dabei nur in der konkreten Umsetzung: Das OLG Dresden (Urteil vom 24.2.2021 – 5 U 1782/20, Vorinstanz zum BGH) nahm pauschal eine Teilung im Verhältnis 50:50 vor, während das OLG München (Hinweisbeschluss des OLG München vom 17.2.2021 – 32 U 6358/20) eher eine Einzelfalllösung anstrebte.

 

Entscheidung des BGHs

Im Ergebnis hat der BGH entschieden, dass sich pauschale Regelungen/Betrachtungen für Mietreduzierungen während der Corona-Pandemie oder sonstigen staatlich angeordneten Schließungen gibt. Der BGH bestätigt ausdrücklich, dass das Verwendungsrisiko grundsätzlich beim Mieter liegt und lehnt deshalb die Minderung wegen Mangelhaftigkeit des Mietobjekts bzw. Unmöglichkeit ab.

 

Der XII. Zivilsenat des BGHs bestätigt die Auffassung, dass im Falle einer Geschäftsschließung, die aufgrund einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie erfolgt, grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) in Betracht kommt. In der Ausführung folgt der BGH dem Vorschlag aus München: Nach Sicht der Karlsruher Richter sind  hierfür alle Umstände des Einzelfalles relevant.

 

Von Bedeutung ist vorrangig, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer und in welcher Phase der Pandemie entstanden sind. Ferner ist zu berücksichtigen, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder zumutbar ergreifen konnte, um die drohenden Verluste während der Geschäftsschließung zu vermindern. Bei der Prüfung dieser Unzumutbarkeit sind weiterhin auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat (wobei staatliche Unterstützungsmaßnahmen, die nur auf Basis eines Darlehens gewährt wurden, unberücksichtigt blieben). Nicht zuletzt sind bei der gebotenen Abwägung auch die Interessen des Vermieters in den Blick zu nehmen.

 

So können beispielsweise bei einem Gastronomiebetrieb, dessen Materialeinsatz aufgrund des Lockdowns ausgesetzt und das Personal in Kurzarbeit ist, die staatlichen Hilfen eine volle Zahlung der Miete ermöglichen (!); bei einem Einzelhandelsbetrieb, der den Wareneinkauf hingegen noch für das Weihnachtsgeschäft vorgenommen und bezahlt hat, kann die Zahlung der Miete existenzbedrohend sein. Selbst innerhalb der vergleichbaren Leistungsangebote kann es erhebliche Unterschiede geben: Einerseits klagen einzelne Fitnessstudiobetreiber über den Schwund von Fitness-Abonnements, andere spüren dies kaum.

 

Im Rahmen der erforderlichen Zumutbarkeitsprüfung sind die Mieter gehalten, ihre wirtschaftliche Lage für die streitgegenständlichen Zeiträume transparent darzulegen. Je nach Zeitpunkt der Mietkürzung bzw. der Zahlung unter Vorbehalt sind strenge Maßstäbe an eine Anpassung der Miete anzulegen, da den Mietern hinsichtlich der verschiedenen Betriebsschließungen bzw. Betriebsbeeinträchtigungen während der Corona-Pandemie im Laufe der Zeit verschiedene Kompensationsmöglichkeiten möglich waren, die während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 in der Form so nicht zur Verfügung standen (z. B. Online-Verkäufe, Click & Collect, Click & Meet), später aber schon. Auch die Frage danach, inwieweit sich der Mieter nach dem ersten Lockdown auf weitere Betriebsschließungen bzw. Betriebsbeeinträchtigungen eingestellt und seine Verkaufsstrategie geändert hat, ist bei der Einzelfallprüfung zu berücksichtigen. Ein Mieter, der trotz entsprechender Möglichkeiten untätig geblieben ist, darf letztlich nicht so behandelt werden, wie ein Mieter, der mit Kompensationsmöglichkeiten zumindest versucht hat, seine Umsatzverluste so gering wie möglich zu halten.

 

Deshalb hob der BGH die Entscheidung des OLG Dresden auf und verwies den Rechtsstreit zurück. Mit der Folge, dass das OLG Dresden die Sache noch einmal verhandeln muss.

 

Prozessuale Besonderheiten

2 weitere Entscheidungen sind hier zu nennen: Mit Urteil vom 17.3.2022 – III ZR 79/21 hat der BGH klargestellt, dass Betroffene neben den staatlichen Unterstützungsleistungen keine weiteren staatshaftungsrechtlichen Ansprüche geltend machen können. Vermutlich wird das dazu führen, dass die betroffenen Mieter eine „Lösungsmöglichkeit” eher über den Mieter suchen werden.

 

Zugunsten der Vermieter hat der BGH in seinem Urteil vom 16.2.2022 klargestellt, dass die fehlenden Mieten vom Vermieter im Urkundsverfahren geltend gemacht werden können. Der Mieter kann sich hier erst im Nachverfahren mit seinen Einwendungen verteidigen und muss erst einmal zahlen. So auch das OLG Köln, Urteil vom 24.11.2021 - 22 U 79/21.

 

Fazit und Empfehlung

Sollten sich die Parteien eines Mietverhältnisses nicht ohne gerichtliche Unterstützung einigen können, ist der Ausgang vor Gericht kaum vorherzusagen. Nur eine vollständige transparente Darstellung auf Seiten des Mieters versetzt diesen in die Lage, seine Ansprüche überhaupt darlegen zu können. Ob diese Transparenz immer gewollt ist, ist fraglich und wird außergerichtliche Lösungen eher fördern. Deshalb gilt der Blick in die Zukunft: Es macht nach wie vor Sinn, Mietverträge vor ihrem Abschluss vollständig zu prüfen. Je wichtiger der Mietvertrag für den Vermieter oder Mieter ist, umso mehr müsste das Bedürfnis nach einer umfassenden Beratung vor Abschluss des Mietvertrages steigen. Es ist aber auch eine Beobachtung unserer täglichen Arbeit, dass gerade die Mietvertragsparteien meinen, einen solchen Vertrag „schon hinzubekommen”. Das mag für eine Vielzahl von Fällen stimmen, aber nicht immer.

 

 


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Andreas Griebel

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

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