Bauhandwerkersicherheit auch nach Kündigung noch möglich

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​veröffentlicht am 2. November 2022





Das Oberlandesgericht Naumburg zum Anspruch des Auftragnehmers auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit im gekündigten Vertragsverhältnis (Urteil vom 10.2.2022, Az. 2 U 176/20) 


§ 650f BGB (Bauhandwerkersicherung) ist eine Vorschrift, die lange Zeit unbeachtet war, nunmehr aber zunehmend an Bedeutung erlangt. Was die Norm dem Auftragnehmer ermöglicht und welche Rechtsfolgen entstehen, wenn der Auftraggeber die verlangte Sicherheit nicht liefert, soll im Folgenden näher erläutert werden. Der Clou: Die Sicherheit kann auch dann noch gefordert werden, wenn der Vertrag eben genau wegen deren Nichtstellung gekündigt wurde. Aber eines nach dem anderen:

Der Inhalt der Vorschrift

Nach § 650f BGB kann der Unternehmer (= Auftragnehmer) vom Besteller (= Auftraggeber) Sicherheit für die (auch in Zusatzaufträgen) vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen verlangen. Letztere sind mit 10 Prozent des zu sichernden Vergütungsanspruchs anzusetzen. Dies gilt in demselben Umfang auch für Ansprüche, die an die Stelle der Vergütung treten. Der Anspruch des Unternehmers auf Sicherheit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Besteller Erfüllung verlangen kann oder das Werk abgenommen hat. Ansprüche, mit denen der Besteller gegen den Anspruch des Unternehmers auf Vergütung aufrechnen kann, bleiben bei der Berechnung der Vergütung unberücksichtigt, es sei denn, sie sind unstreitig oder rechtskräftig festgestellt. 

Die Sicherheit kann auch durch eine Garantie oder ein sonstiges Zahlungsversprechen eines Kreditinstituts oder Kreditversicherers geleistet werden. Das Kreditinstitut oder der Kreditversicherer darf Zahlungen an den Unternehmer jedoch nur leisten, soweit der Besteller den Vergütungsanspruch des Unternehmers anerkennt oder durch vorläufig vollstreckbares Urteil zur Zahlung der Vergütung verurteilt worden ist und die Voraussetzungen vorliegen, unter denen die Zwangsvollstreckung begonnen werden darf.

Der Unternehmer hat dem Besteller die üblichen Kosten der Sicherheitsleistung bis zu einem Höchstsatz von 2 Prozent für das Jahr zu erstatten. Dies gilt nicht, soweit eine Sicherheit wegen Einwendungen des Bestellers gegen den Vergütungsanspruch des Unternehmers aufrechterhalten werden muss und die Einwendungen sich als unbegründet erweisen.

Hat der Unternehmer dem Besteller erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung der Sicherheit bestimmt, so kann der Unternehmer die Leistung verweigern oder den Vertrag sogar kündigen. Kündigt er den Vertrag, ist der Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder böswillig zu erwerben unterlässt. Es wird vermutet, dass danach dem Unternehmer 5 Prozent der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden vereinbarten Vergütung zustehen. Die Rechtsfolgen entsprechen also denjenigen einer freien Kündigung durch den Auftraggeber.

Die Entscheidung des OLG Naumburg

Die vor dem Oberlandesgericht Naumburg beklagte Partei hatte die dortige Klägerin als Nachunternehmerin mit Arbeiten des Gewerks Heizung, Lüftung, Sanitär und Kälte beauftragt. Die Klägerin erbrachte die Vertragsleistungen lediglich teilweise. Sie forderte die Beklagte zur Stellung einer Sicherheit nach (damals) § 648a BGB (heute § 650f BGB) unter Fristsetzung auf. Eine Erläuterung der geforderten Höhe erfolgte nicht. Nach Ablauf der Frist erklärte die Klägerin die Kündigung des Vertragsverhältnisses. Im Anschluss hieran entstand Streit über die noch zu zahlende Vergütung. Es fanden Vergleichsgespräche statt. Eine Einigung konnte jedoch nicht erzielt werden, sodass die Klägerin ihr Sicherungsverlangen wiederholte.

Dem Sicherungsverlangen der Klägerin steht nach Auffassung des Oberlandesgerichts die zwischenzeitliche Kündigung des Bauvertrags durch die Klägerin unter Berufung auf die Nichterfüllung des Sicherungsverlangens nicht entgegen.

Die Richter verweisen dabei auf die Rechtsansicht des Bundesgerichtshofs, wonach der Unternehmer vom Besteller nach einer Kündigung - ungeachtet dessen, von wem sie ausgesprochen wird - eine Sicherheit nach (damals) § 648a BGB a. F. verlangen kann. Der Sicherungsanspruch bestehe nach dieser Auffassung deswegen auch nach einer Kündigung, weil das Gesetz in seinem Wortlaut keine Beschränkungen in dieser Hinsicht enthält. Es bezwecke vielmehr, dass dem Unternehmer solange ein Siche-rungsinstrument zur Verfügung steht, wie sein Sicherungsinteresse fortbesteht, d. h. solange sein Vergütungsanspruch nicht vollständig befriedigt (oder rechtskräftig von einem Gericht als unbegründet abgewiesen) ist. Das zeige sich auch in der Regelung selbst, denn dort ist von der gesamten vereinbarten Vergütung die Rede, die der Unternehmer verlangen und deswegen auch sichern darf. Für den Fall der vom Unternehmer erklärten Kündigung würde der Vergütungsanspruch entsprechend reduziert. Darf der Unternehmer die Vergütung für nicht erbrachte Leistungen aufgrund des Vertrages verlangen, so seien diese Forderungen auch vom Sicherungsanspruch umfasst.

Das Oberlandesgericht Naumburg ging zwar davon aus, dass das Sicherungsverlangen eines Unternehmers ausnahmsweise dann entfällt, wenn es sich als rechtsmissbräuchlich herausstellte. Das ist jedenfalls nicht schon dann der Fall, wenn dem Sicherungsverlangen des Unternehmers auch andere Motive als die bloße Erlangung einer Sicherheit zugrunde liegen. Im zu entscheidenden Fall bestanden allerdings keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Rechtsausübung, auch wenn das Gericht zur Kenntnis genommen hatte, dass sich das Sicherungsverlangen mit zunehmendem Zeitablauf stetig erhöht hatte.

Fazit

Immer mehr Unternehmer nutzen die Möglichkeiten des § 650f BGB und verlangen von ihrem Auftraggeber die Stellung einer entsprechenden Sicherheit. Den Auftraggebern sei dabei bewusst, dass die Nichtstellung zur Einstellung der Arbeiten oder zur berechtigten Kündigung durch den Auftragnehmer führen kann. Die Auftragnehmerseite wiederum sollte beachten, dass die Frist zur Stellung der Sicherheit angemessen sein muss. Dabei sind auch diejenigen Umstände zu berücksichtigen, unter denen der Auftraggeber die Sicherheit besorgen kann. Dies dürfte beispielsweise dann länger dauern, wenn zunächst ein oder mehrere Gremien zustimmen müssen.






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Dr. Julia Müller

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Vergaberecht

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