Technische Regeln und Empfehlungen für Betriebssicherheit

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veröffentlicht am 01. August 2019

 

PfeifeDie Neufassung der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) aus dem Jahr 2015 ist in der Branche allgemein bekannt und inzwischen weitestgehend umgesetzt. Die BetrSichV bestimmt die Anforderungen zur Verwendung von Arbeitsmitteln auf der Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG). Die BetrSichV verweist an zahlreichen Stellen auf den sog. aktuellen Stand der Technik, der bspw. bei der regelmäßigen Überprüfung der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen ist

(§ 3 Abs. 7 BetrSichV). Der aktuelle Stand der Technik wird dann in Konkretisierung und Detaillierung der BetrSichV und den darin festgelegten Anforderungen mit den Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) wiedergegeben.

 

Durch die Neufassung der BetrSichV im Jahre 2015 ist ebenfalls eine Anpassung der bestehenden TRBS erforderlich geworden. Viele TRBS beruhen auf dem Stand der alten Verordnung. Dadurch ergeben sich teilweise Widersprüche, die bei Anwendern regelmäßig zu Unklarheit und Unsicherheit bei der Umsetzung der Anforderungen führen. Mehr Sicherheit bei der Anwendung in der Praxis ist deshalb zwingend erforderlich, da der Grundsatz lautet: Werden die Technischen Regeln eingehalten, so kann davon ausgegangen werden, dass der geforderte Stand der Technik umgesetzt wird und damit die Anforderungen der BetrSichV erfüllt werden. Solange sich die Inhalte der BetrSichV und der TRBS widersprechen, fehlt die letzte Rechtssicherheit bei der Erfüllung der Anforderungen.

 

Arbeitsausschuss für Betriebssicherheit

Für die Entstehung der TRBS bildet § 21 Abs. 5 Nr. 2 BetrSichV die Grundlage. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat auf Grundlage des § 21 BetrSichV den Ausschuss für Betriebssicherheit (ABS) gebildet. Der Ausschuss setzt sich aus Vertretern von Arbeitgebern, Gewerkschaften, Länderbehörden, gesetzlichen Unfallversicherungen, zugelassenen Überwachungsstellen und Wissenschaftlern zusammen und ist auf 21 Mitglieder begrenzt.

 

Die Beratungsfunktion des ABS beschränkt sich im Rahmen der BetrSichV auf die folgenden Aufgaben:

 

Zu den Aufgaben des Ausschusses gehört es,

  1. den Stand von Wissenschaft und Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstiger gesicherter arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse bei der Verwendung von Arbeitsmitteln zu ermitteln und dazu Empfehlungen auszusprechen,
  2. zu ermitteln, wie die in dieser Verordnung gestellten Anforderungen erfüllt werden können und dazu die dem jeweiligen Stand der Technik und der Arbeitsmedizin entsprechenden Regeln und Erkenntnisse zu erarbeiten,
  3. das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Fragen von Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln zu beraten und 
  4. die von den zugelassenen Überwachungsstellen nach § 37 Absatz 5 Nummer 8 des Produktsicherheitsgesetzes gewonnenen Erkenntnisse auszuwerten und bei den Aufgaben nach den Nummern 1 bis 3 zu berücksichtigen.

 

Im ABS wird die Notwendigkeit neuer technischer Regeln und Empfehlungen zu verschiedenen konkretisierenden Fragestellungen bei der Verwendung von Arbeitsmitteln überprüft und anschließend ausgearbeitet. Die ermittelten Regeln (TRBS) und Erkenntnisse werden nach Prüfung im Gemeinsamen Ministerialblatt bekannt gemacht (§ 21 Abs. 6 Nr. 1 BetrSichV). Nachdem die Neuregelungen der TRBS verkündet wurden, werden diese von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) veröffentlicht, d. h. sämtliche bestehenden und aktuell gültigen TRBS können auf der Homepage der BAuA1 eingesehen werden.

 

Technische Regeln für Betriebssicherheit

Die Technischen Regeln und Empfehlungen für Betriebssicherheit beschreiben den aktuellen Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse für die Verwendung von Arbeitsmitteln und konkretisieren, wie eingangs beschrieben, die Anforderungen der BetrSichV. Die gewonnenen Erkenntnisse dienen dem Arbeitgeber als Unterstützung bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung sowie der Ableitung der erforderlichen Schutzmaßnahmen. Die TRBS können inhaltlich in drei Reihen aufgeteilt werden:

 

  • 1000er-Reihe: Allgemeines und Grundlagen
  • 2000er-Reihe: Gefährdungsbezogene Regeln
  • 3000er-Reihe: Spezifische Regeln für Arbeitsmittel, überwachungsbedürftige Anlagen oder Tätigkeiten


Die 1000er-Reihe definiert die allgemeinen und grundlegenden Gegebenheiten, die über das komplette Regelwerk Anwendung finden. Der Arbeitgeber erhält nähere Informationen zum methodischen Vorgehen bei der Durchführung und Erstellung der Gefährdungsbeurteilung, zur Durchführung von Prüfpflichten und Änderungen sowie allgemeinen Prüfungen und zum Umgang mit Unfällen und Schadensfällen. Die gefährdungsbezogenen Regelungen der 2000er-Reihe sind für den Arbeitgeber eine Hilfestellung bezüglich der Ermittlung und Bewertung der spezifischen Gefährdungen (mechanische, elektrische, thermische Gefährdungen, Gefährdungen von Personen durch Absturz oder Dampf und Druck sowie Explosionsgefährdungen) und geben Beispiele für mögliche Schutzmaßnahmen. In Ausnahmefällen werden spezifische Regelungen erlassen. Die 3000er-Reihe findet dann Anwendung, wenn die 2000er-Reihe keine Lösung zu der konkreten Fragestellung enthält und eine tiefergehende Konkretisierung nicht möglich oder zweckdienlich ist. Spezifische Regelungen gibt es bislang für Aufzugsanlagen, ortsbewegliche Druckgasbehälter, ortsfeste Druckanlagen für Gase und für Tankstellen.

 

Die Anpassung der TRBS und die Empfehlungen zur Betriebssicherheit (EmpfBS) an die neue BetrSichV hat einige Zeit gedauert und dauert noch immer an. Nachfolgend eine Auswahl der seit dem Jahr 2015 geänderten Regelwerke:

 

​TRBS 1001​Struktur und Anwendung der
Technischen Regeln für Betriebssicherheit
​2018-03
​TRBS 1111​Gefährdungsbeurteilung​2019-03 mit Änderungen aus 2019-05
​TRBS 1112​Instandhaltung​2019-03
​EmpfBS 1114​Anpassung an den Stand der Technik bei der Verwendung von Arbeitsmitteln​2018-03
​TRBS 1201​Prüfung und Kontrolle von Arbeitsmitteln2019-03​
​TRBS 1201-4​Prüfung von überwachungsbedürftigen Anlagen - Prüfung von Aufzugsanlagen​2019-03
​TRBS 1203​Zur Prüfung befähigte Person​2019-03
​TRBS 2121-1​Gefährdung von Beschäftigten durch Absturz bei der Verwendung von Gerüsten​2019-01
​TRBS 2141​Gefährdungen durch Dampf und Druck​2019-03
​TRBS 2181​Eingeschlossensein in Personenaufnahmemitteln​2019-03
​TRBS 3121​Betrieb von Aufzugsanlagen​2018-10

 

Tiefgehende inhaltliche Änderungen sind bei den bisherigen Neufassungen nicht hervorgegangen. Die bestehenden TRBS wurden vielfach an die neuen Anforderungen der BetrSichV angepasst und die Änderungen übernommen oder die Konkretisierungen aus den bisherigen Anhängen der TRBS in den Textteil verschoben. Bei den Regelungen der 2000er-Reihe fehlen nach wie vor einige Regeln, die an die aktuelle BetrSichV angepasst werden müssen. Die noch nicht geänderten TRBS sind durch den ABS hinsichtlich dessen zu überarbeiten, ob die Regelungen nach der neuen Verordnung weiterhin bestehen bleiben können oder eine inhaltliche Überarbeitung erforderlich ist. Bis die Überarbeitung erfolgt ist, finden die aktuellen Regeln weiterhin als Auslegungs- und Anwendungshilfe Verwendung. Entscheidend ist hierbei, dass die unbearbeiteten Regeln nicht im Widerspruch zur neuen Verordnung stehen dürfen. Liegt ein Widerspruch vor, sind die Regelungen in der TRBS als gegenstandslos anzusehen.

 

Vermutungswirkung der technischen Regeln für Betriebssicherheit

Wie eingangs erwähnt, besitzen die TRBS eine sogenannte Vermutungswirkung (§ 4 Abs. 3 S. 2 BetrSichV), d. h. werden die Schutzmaßnahmen entsprechend der TRBS eingehalten, so besteht die Vermutung, dass der Arbeitgeber die BetrSichV einhält. Dem Arbeitgeber steht es frei, andere Schutzmaßnahmen festzulegen, sofern er belegen kann, dass das erforderliche Schutzniveau gleichermaßen erfüllt wird. Die Pflichterfüllung der Verordnung ist somit nicht nur durch die Umsetzung der Festlegungen in den Technischen Regeln, sondern auch durch alternative Maßnahmen möglich. In diesem Falle gilt allerdings die Beweislastumkehr im Schadensfall. 

 

Dass der Stand der Technik auch durch andere Schutzmaßnahmen sichergestellt werden kann und nicht zwingend die TRBS einzuhalten sind, macht deutlich, dass die TRBS keine zwingend verbindlichen Regelwerke darstellen. Anders verhält es sich mit den Anforderungen aus der BetrSichV, da diese als Bundesverordnung eine unmittelbare Wirkung entfaltet – also zwingend einzuhalten ist bzw. im Umkehrschluss bei Nichterfüllung einer Pflicht aus der BetrSichV unmittelbar eine Pflichtverletzung besteht. Ausgehend von dieser Überlegung ist es sinnvoll, die verschiedenen Regelwerke in sogenannte Konformitätslevel einzuteilen. 

 

Die unmittelbaren (gesetzlichen) Pflichten, die zwingend verbindlich sind und eingehalten werden müssen, werden dem ersten Konformitätslevel zugeordnet. Bei Konformitätslevel 1 handelt es sich um Pflichten,
die sich unmittelbar aus einer verbindlichen Rechtsquelle ergeben und die direkt in der jeweiligen Quelle abschließend formuliert sind. Will sich der Adressat rechtskonform verhalten, so hat er keine Alternative zu der beschriebenen Pflicht, wie dies bei der BetrSichV der Fall ist.

 

Die TRBS geben den Stand der Technik wieder, aus der sich die Vermutungswirkung ergibt und enthalten dagegen somit keine unmittelbare Verbindlichkeit, da hier die Einhaltung der Pflichten auf andere Art und Weise sichergestellt werden kann. Es handelt sich um eine mittelbare (gesetzliche) Pflicht, d. h. Pflichten, für die in verbindlichen Rechtsquellen lediglich ein Schutzniveau vorgegeben ist (z. B. sicherer Betrieb) und die (ausdrücklich oder durch Auslegung) konkretisiert werden. Diese mittelbare Verbindlichkeit wird deshalb einem weiteren Konformitätslevel 2 zugeordnet.

 

 

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https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk/TRBS/TRBS.html

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