Betreiberhaftung und Delegation von Betreiberpflichten sowie technische Überwachung

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​veröffentlicht am 15. Februar 2013

 

Betreiber und Facility Management Dienstleister sollten sich stets über ihre konkreten Pflichten und die jeweiligen gesetzlichen und technischen Anforderungen und Veränderungen im Rahmen ihrer Verkehrssicherungs- und Betreiberpflichten informieren. Daneben sollte ein wirksames und nachhaltiges Delegations-, Anweisungs- und Nachweissystem für einen sachgerechten Umgang mit Fragen des Organisationsverschuldens und der Verkehrssicherungspflichten im Unternehmen etabliert werden.

 

Aktueller Anlagensicherheits-Report

Jeder zweite Aufzug bewegt trotz Mängel seine Lasten, jeder zehnte hat sogar sicherheitsrelevante Mängel. Das ist das Ergebnis des kürzlich erschienenen Anlagensicherheits-Reports 2011, den der Verband der Technischen Überwachungsvereine (VdTÜV) gemeinsam mit den Zugelassenen Überwachungsstellen (ZÜS) erstellt hat. Der Report erfasst, klassifiziert und bewertet Mängel an Aufzugsanlagen, die sich aus der laufenden Nutzung und dem Betrieb ergeben. Für den Report im Jahr 2010 sind 469.421 Anlagen unter die Lupe genommen worden. Das Ergebnis: „Ohne Mängel” waren nur 41,27 Prozent (2009 waren es 55,38 Prozent), „geringfügige Mängel” verzeichneten die Aufzugsprüfer bei 42,45 Prozent der Anlagen (2009: 39,88 Prozent), 15,51 Prozent wiesen „sicherheitserhebliche Mängel“ (2009: 4,46 Prozent) und 0,77 Prozent sogar „gefährliche Mängel” (2009: 0,28 Prozent) auf. Bedenklich ist, dass entgegen den technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen die festgestellten Mängel damit im Vergleich zum Vorjahr insgesamt wieder stark angestiegen sind. Vieles deutet darauf hin, dass der Anstieg wohl auch mit den Kosten und der Finanzkrise sowie dem von Betreibern eingeräumten Stellenwert von Investitionen in Sicherheit und der Unkenntnis über die großen Haftungsrisiken in Verbindung mit Aufzugsunfällen zusammenhängt. Zudem gibt es eine starke Dunkelziffer, da viele Anlagen nicht mehr von einer ZÜS geprüft werden. Ob eine solche Prüfung stattgefunden hat, kann an der Prüfplakette festgestellt werden. Allerdings ist es dem Betreiber freigestellt, ob er die erteilte Prüfplakette im Aufzug anbringt oder nicht.
 
Tabelle Aufzugsicherheit

    

Komplexe technische Regelwerke und Gesetze

Für Aufzugsanlagen gibt es eine Vielzahl von Vorschriften und technischen Regelwerken. Neben europäischen Richtlinien (RL 95/16/EG), deutschen Gesetzen (z.B. Aufzugsverordnung – 12. Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (nicht zu verwechseln mit der früheren AufzV, die bis 2002 galt)), Produktsicherheitsgesetz, DIN-Normen, VDI Richtlinien, gelten unter anderem auch die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) sowie diverse Technische Regeln für Betriebssicherheit (TRBS). Denn Aufzüge sind nach der BetrSichV überwachungsbedürftige Anlagen. Nach § 15 BetrSichV sind solche Anlagen und ihre Anlagenteile in bestimmten Fristen wiederkehrend auf ihren ordnungsgemäßen Zustand hinsichtlich des Betriebs durch eine zugelassene Überwachungsstelle zu prüfen. Der Betreiber hat nach § 15 BetrSichV die Prüffristen der Gesamtanlage und der Anlagenteile auf der Grundlage einer sicherheitstechnischen Bewertung innerhalb von sechs Monaten nach der Inbetriebnahme der Anlage zu ermitteln. Der Betreiber entscheidet grundsätzlich selbst, ob er die Prüffristen so bemisst, dass er sich an die zulässigen Höchstfristen hält oder ob er unter diesen Höchstfristen bleibt.
 

Neuregelung der Euronorm 81-1

Seit dem 1. Januar 2012 stellt die überarbeitete Euronorm 81-1 an Aufzugskabinen erhöhte Sicherheitsanforderungen. So muss u.a. jede Aufzugskabine mit einem technischen, unabhängigen und zertifizierten System ausgerüstet sein, das verhindert, dass der Fahrkorb sich bei geöffneten Türen unbeabsichtigt bewegt und das ein bündiges Halten und Stehen des Fahrkorbs sicherstellt. Ohne eine Übergangsfrist gilt die neue Norm ab dem 1. Januar 2012. Für Altanlagen oder Anlagen, die noch vor dem Jahreswechsel in den Verkehr gebracht werden, greift die Betr- SichV. Die BetrSichV schreibt eine sicherheitstechnische Bewertung vor. Mit Inkrafttreten der Neuregelung Euronorm 81-1 schließt die sicherheitstechnische Bewertung auch die neue Euronorm 81-1 ein. Betreiber und Planer von neuen Aufzugsanlagen sollten bei der Anschaffung von Neuanlagen deswegen darauf achten, dass die Anlagen die geforderten Schutzeinrichtungen aufweisen.
 

Haftungsmaßstab bei Aufzugsunfällen

Das OLG München hat sich mit Beschluss vom 25. August 2011 – 1 U 1798/11 u.a. mit den interessanten Fragen befasst, ob die Haftung des Aufzugsbetreibers eine Gefährdungshaftung oder eine Verschuldenshaftung ist und wann ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflichten vorliegt.
 

Verschuldenshaftung oder Gefährdungshaftung

Das Gesetz geht im Regelfall vom Verschuldensprinzip aus. Die Verantwortlichkeit trifft hiernach denjenigen, der den eingetretenen Schaden rechtswidrig und schuldhaft verursacht hat. In bestimmten Bereichen sieht das Gesetz jedoch eine Gefährdungshaftung vor. Eine Gefährdungshaftung verlangt nicht, dass jemand rechtswidrig und schuldhaft einen Schaden verursacht hat. Für eine Gefährdungshaftung reicht es vielmehr aus, dass bei dem konkreten Schadensereignis eine bestimmte, vom Verantwortlichen beherrschte Gefahr realisiert worden ist. In Fällen der Gefährdungshaftung muss der Verantwortliche den Schaden ersetzen und zwar unabhängig davon, ob ihn in Bezug auf das Schadensereignis ein Verschulden trifft oder nicht. Er haftet davon unabhängig.
 
Das Gericht hat in dem genannten Beschluss unter Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass die Haftung des Aufzugbetreibers eine Verschuldenshaftung und keine Gefährdungshaftung ist und eine Ersatzpflicht für einen Schaden nur besteht, wenn der Schaden Folge einer schuldhaften Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ist. Der Umstand allein, dass eine Person durch einen technischen Defekt eines Aufzugs zu Schaden kommt, begründet noch keine Ersatzpflicht. Die Entscheidung des Gerichts ist richtig. Sie entspricht dem im Gesetz für den Regelfall verankerten Verschuldensprinzip. Eine Ausnahme hiervon, die gesetzlich besonders geregelt werden müsste, liegt nämlich nicht vor. Bei der Frage, ob einem Geschädigten ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht, kommt es entscheidend darauf an, ob dem Aufzugbetreiber eine schuldhafte Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht vorgeworfen werden kann.
 
Eine Verkehrssicherungspflicht trifft denjenigen, der besondere Gefahrenquellen schafft. Sie begründet die Notwendigkeit, besondere Vorkehrungen zum Schutz Dritter zu treffen, die nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs geeignet sind, Gefahren für Dritte abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßer Benutzung drohen. Für Gewerbetreibende, die Gebäude einem Publikumsverkehr eröffnen, sind die Sicherheitsanforderungen besonders hoch. Nach der Rechtsprechung des BGH wird der Inhalt der Verkehrssicherungspflicht regelmäßig auch durch technische Regelwerke und Unfallverhütungsvorschriften konkretisiert. Bei der Frage, ob der jeweilige Aufzugsbetreiber seiner gesetzlichen Verkehrssicherungspflicht nachgekommen ist, wird insbesondere der Durchführung der vorgeschriebenen Kontrollen ein entscheidendes Gewicht beigemessen. So gehen die Gerichte grundsätzlich davon aus, dass bei ordnungsgemäßen Prüfungen und regelmäßigen Wartungen des Aufzugs eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht vorliegt.
 
Es ist deswegen besonders wichtig, die Pflichten zu kennen, einzuhalten und deren Aktualität stetig zu verfolgen. Er ist im Rahmen der Risikosteuerung unerlässlich, organisatorische Strukturen einzurichten, die die Aktualität der anzuwendenden Vorschriften und technischen Normen sicherstellt. Dies kann entweder durch das Vorhalten des spezifischen technischen und juristischen Know-hows oder durch den Rückgriff auf ein Regelwerkverfolgungssystem eines kommerziellen Anbieters erfolgen. Ergänzt werden muss eine solche regelmäßige Information durch eine systematische Implementierung der daraus resultierenden Pflichten in die Aufbau- und Ablauforganisation eines Unternehmens (vgl. hierzu auch GEFMA 720). Dabei handelt es sich häufig um umfangreichere Projekte, deren Nutzen jedoch zur Schadensprävention und zur Optimierung einer rechtskonformen Aufgabenerfüllung in jedem Fall umgehend erkennbar wird.
 

Rechtskonforme Delegation der Betreiberpflichten

Angesichts der technischen Komplexität einer Aufzugsanlage kann ein Betreiber in der Regel nicht selbst für die ordnungsgemäße Instandhaltung und Kontrolle der Anlage sorgen, sondern benötigt die Unterstützung einer Fachfirma, auf die er letztlich seine eigene Verkehrssicherungspflicht delegiert. In diesem Fall ist grundsätzlich die ausführende Firma im Schadensfall verantwortlich. Eine solche Delegation von Verkehrssicherungspflichten auf Dritte ist rechtlich zulässig und üblich. Dem Delegierenden muss jedoch bewusst sein, dass er für eine wirksame Delegation einige rechtliche Voraussetzungen beachten muss (die Grundregeln einer rechtskonformen Delegation ergeben sich z.B. auch aus der GEFMA 190) und bei ihm ein „Rest“ der Verkehrssicherungspflicht verbleibt. So hat der Delegierende weiterhin bestimmte Auswahl- und Überwachungspflichten.
 

Regeln einer wirksamen und haftungsbefreienden Delegation nach GEFMA 190:

  • Klare, eindeutige Definition der zu übertragenden Pflichten
  • Sorgfältige Auswahl geeigneter Führungskräfte/Beschäftigter/Dienstleister
  • Ausstattung des Verpflichteten mit erforderlichen Mitteln und Befugnissen
  • Ausreichende Ein-/Unterweisung des Verpflichteten
  • Laufende Aufsicht / Überwachung
  
Das bedeutet, dass auch bei einer Delegation der Verkehrssicherungspflicht bei Aufzugsanlagen der Delegierende haften kann, wenn er zum Beispiel die von ihm beauftragte Firma nicht hinreichend kontrolliert, wenn die beauftragte Firma den Aufzug nicht ordnungsgemäß wartet und dies dem Betreiber bekannt ist oder hätte bekannt sein müssen. Wenn der Betreiber die Aufzugsanlage in angemessenen Intervallen von einer zuverlässigen Fachfirma warten und die vorgeschriebenen Kontrollen von der zugelassenen Überwachungsstelle vornehmen lässt, genügt er in der Regel seiner Verkehrssicherungspflicht. Eine Haftung des Betreibers scheidet in einem solchen Fall aus.
 

Zusammenfassung

Nur durch ein wirksames Anweisungs- und Nachweissystem sowie der Verfolgung der technischen Anforderungen und Veränderungen der Verkehrssicherungs- und Betreiberpflichten wird es im Schadensfall gelingen, rechtssicher nachweisen zu können, dass die Umstände, die zu dem Schaden oder Unfall geführt haben, im haftungsrechtlichen Sinne nicht vorwerfbar waren. Dies gilt nicht nur für Aufzugsanlagen, sondern auch für alle weiteren technischen Einrichtungen und Anlagen.

 

Kontakt

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Klaus Forster, LL.M.

Rechtsanwalt, Verbandsjurist

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