Daten und Dokumente im Lebenszyklus des FM (Teil 4)

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In den zurückliegenden drei Teilen dieser Artikelreihe wurden Aspekte behandelt, die auf vergleichsweise stabilen Rechtsgrundlagen
beruhen, verlässliche Aussagen zulassen und die bereits in entsprechenden Verzeichnissen GEFMA 922-xxx veröffentlicht
sind. Im Gegensatz dazu beschäftigt sich Teil 4 mit einem Thema, das sich aufgrund aktueller Gesetzesänderungen derzeit im
Umbruch befindet: Bauprodukte.
Das entsprechende Verzeichnis GEFMA 922-301 ist demzufolge noch in Bearbeitung; der Artikel berichtet über den aktuellen
Zwischenstand.

​Bauprodukte

Im Gegensatz zu Bauunternehmern und Bauhandwerkern gehört
der Umgang mit Bauprodukten für Facility Manager nicht zum alltäglichen Geschäft. Für einen ersten Zugang zum Thema hilft Wikipedia diesmal auch nicht weiter, denn es existiert dort gar kein
entsprechender Artikel. Die hinterlegte Weiterleitung zu „Baustoff”
ist wenig hilfreich, denn sie führt den Leser auf die Spur von Bausteinen, Bindemitteln, Gesteinskörnungen, Mörtel und dergleichen, was unter FM-lern zunächst nur laues Interesse weckt.

 

Für die Errichtung, den Betrieb, die Instandhaltung und die Prüfung
baulicher und technischer Anlagen spielen Bauprodukte
dennoch eine wesentliche Rolle, denn bei genauerer Betrachtung
finden sich darunter z. B. auch brandschutzrelevante und
prüfpflichtige Elemente, wie natürliche und maschinelle RWA Anlagen,
Rauch- und Brandschutztüren, -tore und -klappen,
Brandmeldeanlagen etc.

 

Bauprodukte sind in Europa auf mehreren Ebenen der Gesetzgebung
sehr stark reglementiert, wobei sich die einschlägigen
Vorschriften in erster Linie an die Bauprodukt-Hersteller wenden
und im Wesentlichen Beschaffenheitsanforderungen enthalten.

 

Für die Betriebs- und Nutzungsphase sind aber auch Zulassung,
Kennzeichnung und Dokumentation von bestimmten Bauprodukten
von Bedeutung und sollen künftig im Rahmen von Building
Information Modeling (BIM) besser verfügbar sein. Grund
genug also, sich auch im Rahmen von GEFMA 922 näher damit
zu beschäftigen.

 

Änderungen im Bauproduktenrecht

Das Recht der Bauprodukte ist schon lange europäisch geprägt und beruhte früher auf der EU-Bauproduktenrichtlinie 89/106/ EWG vom Dezember 1988. Nachdem EU-Richtlinien generell einer nationalen Umsetzung in den jeweiligen Mitgliedsstaaten bedürfen, gab und gibt es in Deutschland entsprechende Gesetze und Verordnungen auf Bundes- und Landesebene inkl. technischer Baubestimmungen und Bauregellisten. Im Jahre 2011 wurde die EU-Richtlinie abgelöst durch die EU-Bauproduktenverordnung VO (EU) Nr. 305/2011 (EU-BauPVO), die seit ihrem Inkrafttreten am 1. Juli 2013 unmittelbar geltendes Recht
in sämtlichen EU-Mitgliedsstaaten darstellt.

 

Im Zuge der Anwendung hat sich dann aber gezeigt, dass es
bei der Zulassung von Bauprodukten eine Diskrepanz zwischen
der EU-BauPVO und den bisherigen Umsetzungsbestimmungen
in Deutschland gab. Dies führte zu einem Verfahren und einem
Urteil des EU-Gerichtshofs am 16. Oktober 2014 (Rs. C 100/13),
wonach zusätzliche nationale Zulassungsbedingungen für Bauprodukte,
die bereits über eine EU-Zulassung verfügen, unzulässig
sind. Für die Behebung dieses Rechtsmangels waren zwei
Jahre Zeit. Die Umsetzung hätte demnach bis zum 15. Oktober
2016 erfolgen sollen, ist bis zum Zeitpunkt der Erstellung dieses
Artikels jedoch erst teilweise erfolgt. Der Aspekt der künftigen
nationalen bauaufsichtlichen Zulassung von Bauprodukten wird
deshalb hier zunächst ausgeklammert.

 

Harmonisierte EN-Produktnormen

Zur Konkretisierung der EU-Anforderungen an Produkte jeder Art (Bauprodukte, Maschinen, Druckbehälter, elektr. Betriebsmittel,
Aufzüge) erteilt die EU Mandate an die europäischen Normeninstitute CEN und CENELEC, sogenannte harmonisierte EN-Produktnormen (hEN) zu erarbeiten. Erklärtes Ziel ist es, für möglichst alle Produkte solche harmonisierten Normen zu erstellen. Dies ist bisher aber erst teilweise der Fall, was wiederum auch an dieser Stelle eine Übergangsphase bewirkt.

 

In zeitlichen Abständen werden im EU-Amtsblatt Listen der aktuell geltenden hEN-Normen veröffentlicht, für Bauprodukte zuletzt am 8. April 2016 im EU-Amtsblatt 2016/C 126/04 auf 51 Seiten.

 

EN-Produktnormen sind i.d.R. ähnlich aufgebaut und enthalten
detaillierte Anforderungen an das Bauprodukt selbst sowie
Festlegungen für Prüfverfahren und werkseigene Produktionskontrollen
durch den Hersteller.

 

FM- und BIM-relevante Inhalte von Produktnormen sind insbesondere
die Kennzeichnung und Dokumentation.

 

Betriebsrelevanz von Bauprodukten und deren Dokumentation

Als betriebsrelevant werden Bauprodukte erachtet, deren Beschaffenheit, Zulassung, Kennzeichnung und/oder Dokumentation
eine signifikante Auswirkung auf die Betriebs- und Nutzungsphase
hat: 

 

  • Bedienung
    Bauprodukte, die einer manuellen Bedienung bedürfen, benötigen
    (schon aus Gründen des Arbeitsschutzes) eine Bedienungsanleitung
    des Herstellers.
  • Wartung
    Bauprodukte, die einer Wartung bedürfen, benötigen eine
    Wartungsanleitung des Herstellers. Darin ist auch anzugeben,
    nach welchen Verfahren und in welchen zeitlichen Abständen
    Wartungsarbeiten zu erfolgen haben. Diesbezügliche Herstellerangaben sind nicht nur für die Planung und Durchführung von Wartungsarbeiten relevant, sondern auch maßgeblich für etwaige Mängelansprüche nach Auftreten von Schäden.
  • Prüfung nach BetrSichV
    Gemäß BetrSichV unterliegen Arbeitsmittel im Allgemeinen und überwachungsbedürftige Anlagen im Besonderen einer gesetzlichen Prüfpflicht. Davon sind z. B. Bauprodukte in explosionsgefährdeten Bereichen betroffen. Details solcher Prüfungen finden sich in Anhang 2 Abschnitt 3 der BetrSichV sowie TRBS 1201 und 1201-1. Hierfür sind entsprechende Herstellerangaben und -unterlagen unerlässlich.
  • Prüfung nach MPrüfVO
    Gemäß MPrüfVO sind sicherheitstechnische Anlagen in bestimmten
    Sonderbauten regelmäßig durch Prüfsachverständige zu prüfen. Von den Bauprodukten sind davon z. B. natürliche und maschinelle RWA-Anlagen, Brandmeldeanlagen sowie Brandschutzklappen in Lüftungsanlagen betroffen. Details zur Durchführung dieser Prüfungen sind in den Muster-Prüfgrundsätzen festgelegt und umfassen u.a. die Prüfung auf Eignung für den vorgesehenen Verwendungszweck oder die Prüfung der Ausführung des Einbaus. Zur Durchführung dieser Einzelprüfungen sind entsprechende Herstellerangaben erforderlich, ein Verwendbarkeitsnachweis und eine Einbauanleitung.
  • Gefährdungsbeurteilung
    Sofern die Bedienung, die Wartung oder die Prüfung eines
    Bauprodukts mit Gefährdungen für das Personal verbunden
    sind, müssen auf Grundlage der Herstellerangaben auch Gefährdungsbeurteilungen erstellt werden.
  • Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit
    Der Einsatz von Bauprodukten kann auf die Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit nicht nur während der Verarbeitung
    der Bauprodukte Einfluss haben, sondern auch im späteren
    Betrieb.

 

Bereitstellung und Weitergabe von Daten und Dokumenten

Die erstmalige Bereitstellung von Daten und Dokumenten von
Bauprodukten durch den jeweiligen Inverkehrbringer (Hersteller
oder Importeur) erfolgt entsprechend dem anzuwendenden
Bauproduktenrecht. Die dort geforderten Daten und Dokumente
sind ohne weitere Veranlassung Dritter (Planer, Errichter, Bauherr)
vom Hersteller bereitzustellen.

 

Die Weitergabe erfolgt herkömmlich in Form von Papier und/oder pdf-Dateien von den einzelnen Bauprodukte-Herstellern oder Importeuren an die Anlagenerrichter. Diese sammeln die Unterlagen und übergeben sie entsprechend der Vereinbarung im Bauvertrag (z.B. nach VOB/C ATV) spätestens bei der Abnahme an den Bauherrn, der sie wiederum an Service-Dienstleister und ZÜS weitergibt (Abb. 1).

 

 

Grafik herkömmliche Bereitstellung/weitergabe von Herstellerunterlagen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abb. 1: Herkömmliche Bereitstellung und Weitergabe von Herstellerunterlagen

 

Die dabei auftretenden Probleme sind u.a.:

 

  • Bei einem größeren Bauvorhaben sind i.d.R. mehrere Bau- bzw.
    Subunternehmer und Anlagenerrichter tätig, beispielsweise in der Gebäudetechnik je Anlagengewerk. Jeder einzelne Bauunternehmer und Anlagenerrichter wird i.d.R. wiederum verschiedene Typen von Bauprodukten von verschiedenen Herstellern verbauen, sodass insgesamt eine größere Gesamtzahl von Bauprodukttypen zum Einsatz kommt. Mangels vorhandener Strukturierungsstandards werden die dazugehörigen Unterlagen nach einer fallweisen Systematik zusammen gestellt und an den Bauherrn übergeben. Weder der Bauherr selbst, noch die HOAI-Planer sind normalerweise
    in der Lage, zeitnah festzustellen, ob diese Unterlagen zutreffend,
    aktuell und vollständig sind.
  • Es besteht die akute Gefahr, dass die Unterlagen weitgehend
    ungeprüft und unstrukturiert in ein Archiv eingelagert werden und dort später nur schwer wieder auffindbar sind.
  • Weder FM-Dienstleister noch ZÜS haben eine direkte Geschäftsbeziehung mit Anlagenerrichtern oder Herstellern,
    sodass an diese keinerlei Rechtsansprüche auf die Bereitstellung
    von Daten oder Dokumenten gerichtet werden können.

 

Gemäß der Delegierten EU-VO Nr. 157/2014 ist es bereits seit
2014 möglich, dass ein Bauprodukte-Hersteller die Leistungserklärungen
seiner Bauprodukte rechtswirksam auf einer Website veröffentlicht. Dies wäre auch für alle anderen produktspezifischen Herstellerunterlagen möglich und wird von einigen Herstellern bereits so praktiziert.

 

Abb. 2 zeigt schematisch ein Verfahren, bei dem die im Web verfügbaren Herstellerunterlagen bis spätestens zur Abnahme in eine private Cloud des Bauherren übertragen werden und dort allen Berechtigten zur Verfügung stehen.

 

Zusammenfassung und Zwischenfazit

GEFMA 922-301 wird u.a. ein Verzeichnis der Daten und Dokumente
enthalten, die nach geltenden EN-Bauproduktnormen sowie den künftig geltenden nationalen Bestimmungen bereitzustellen sind. Dabei zeigt sich bereits für alle in hEN geregelten Bauprodukte, dass hier sowohl nach Umfang als auch Inhalt bereits weitreichende Dokumentationsanforderungen bestehen. Diese Daten und Dokumente wären für den späteren Betrieb sehr hilfreich, wenn sie denn dort ankommen würden. Ein zentrales Anliegen muss es deshalb sein, die Verfügbarkeit der künftig digitalen Daten und Dokumente für das FM sicherzustellen.

 

Grafik Bereitstellung/Weitergabe von Herstellerunterlagen via Web und Cloud

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abb. 2: Bereitstellung und Weitergabe von Herstellerunterlagen via Web und Cloud

 

 

 

Quellen:

  • RL 89/106/EWG Richtlinie [...] zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte
    (Bauproduktenrichtlinie) vom 21. Dezember 1988; abgelöst durch VO (EU) 305/2011
  • VO (EU) 305/2011 Verordnung […] zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur
    Aufhebung der Richtlinie 89/106/EWG (EU-BauPVO) vom 9. März 2011
  • 2016/C 126/04 Amtsblatt der Europäischen Union: Mitteilung der Kommission im Rahmen der Durchführung der Verordnung
    (EU) Nr. 305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung
    von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates vom 8. April 2016
  • VO (EU) 157/2014 Delegierte Verordnung […] vom 30. Oktober 2013 über die Bedingungen für die Zurverfügungstellung einer
    Leistungserklärung von Bauprodukten auf einer Website
  • GEFMA 922-301 Daten und Dokumente im Lebenszyklus des FM; digitale Herstellerangaben betriebsrelevanter Bauprodukte;
    derzeit noch nicht veröffentlicht.

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