Werkvertrag oder Arbeitnehmerüberlassung? – Obacht bei Hinzuziehung fremder Arbeitskräfte

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veröffentlicht am 02. November 2016

Nimmt ein Unternehmen bei der Ausführung eines Auftrages die Arbeitskräfte eines Dritten in Anspruch, stellt sich die Frage, auf welcher rechtlichen Grundlage dies geschieht. Die Unterscheidung zwischen Werkvertrag (BGB) und Arbeitnehmerüberlassung (AÜG) ist dabei von großer Bedeutung, denn die Auswirkungen auf etwaige Gewährleistungsansprüche im Falle einer mangelhaften Leistungserbringung durch die „fremden” Arbeitnehmer sind dramatisch. Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hatte sich bereits im Jahr 2013 mit der Frage zu beschäftigen, ob die Leistungen einer Haustechnikfirma im Wege eines Werkvertrags oder einer Arbeitnehmerüberlassung erbracht wurden. Mit Beschluss vom 11. Mai 2016 (Az.: VII ZR 318/13) hat der Bundesgerichtshof die Entscheidung des OLG nun aktuell bestätigt.

 

​Der Sachverhalt

Die Klägerin, eine Fachfirma für technische Gebäudeausrüstung, war mit der Erbringung von Heizungs- und Sanitärleistungen im Rahmen des Neubaus eines Verwaltungsgebäudes beauftragt worden. Zur Durchführung der Sanitärarbeiten bat sie den Beklagten, eine Firma für Haustechnik, ihr zwei Monteure zur Verfügung zu stellen. Diese sollten in einem Zeitraum von etwa fünf Monaten zu einem festen Stundensatz für die Klägerin tätig werden. Gesagt, getan: Der Beklagte stellte für die Klägerin zwei seiner Sanitärmonteure bereit, die schlussendlich insgesamt mehr als 500 Stunden für die Klägerin arbeiteten, wobei sie unter anderem Rohre verlegten. Die Abrechnung der Leistungen erfolgte auf Stundenbasis.

 

So weit, so gut. Kurze Zeit nach Abschluss der Sanitärarbeiten zeigten sich jedoch zwei Wasserschäden an dem Verwaltungsgebäude, die auf eine mangelhafte Leistung der beiden Monteure zurückzuführen waren. Anberaumte Termine zur Besichtigung der Schäden nahm der Beklagte nicht wahr. Die Kosten, die der Klägerin durch die Beseitigung der Wasserschäden entstanden sein sollen, beliefen sich auf über 20.000 Euro. Nachdem der Beklagte, bzw. dessen Versicherung, einen Ausgleich der Kosten ablehnte, nahm ihn die Klägerin schließlich auf gerichtlichem Wege in Anspruch. Nach Auffassung der Klägerin war zwischen den Parteien ein Werkvertrag zustande gekommen. Die Leistungen waren jedoch nur mangelhaft durch die beiden Monteure erbracht worden, sodass der Beklagte den Schaden zu ersetzen habe. Der Beklagte machte hingegen geltend, es habe sich „lediglich” um eine Arbeitnehmerüberlassung gehandelt, sodass der Klägerin keine werkvertraglichen Mängelansprüche zustünden.

 

Die Entscheidung

Während das in erster Instanz befasste Landgericht die Klage abgewiesen hatte, gab das in zweiter Instanz zuständige OLG Koblenz der Klägerin recht. Das zwischen den Parteien zustande gekommene Vertragsverhältnis war als Werkvertrag im Sinne des § 631 Abs. 1 BGB zu qualifizieren. Der Beklagte hat sich gegenüber der Klägerin vertraglich verpflichtet, die Sanitärarbeiten mit eigenen Arbeitnehmern auszuführen und nicht lediglich der Klägerin seine Monteure überlassen, damit diese sich die Arbeitsleistung für eigene Betriebszwecke nutzbar machen konnte.

 

Zur Begründung seiner Entscheidung erläutert das OLG ausführlich den Unterschied zwischen Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassungen: In ersterem Fall organisiert der Unternehmer (Arbeitgeber) die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolges notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Vorstellungen. Bei der zweiten Gestaltung stellt er hingegen einem Dritten nur die Arbeitnehmer zur Verfügung. Dieser setzt die Arbeitskräfte wiederum nach seinen Vorstellungen und Zielen in seinem Betrieb ein und verfolgt seine Betriebszwecke mit den überlassenen Arbeitnehmern wie mit eigenen Arbeitnehmern.

 

Entscheidend für die Abgrenzung ist insbesondere der Grad der persönlichen Abhängigkeit der Beschäftigten. Der überlassene Arbeitnehmer hat seine vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von dem Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen. Er ist in diese derart eingegliedert, dass er hinsichtlich Ort, Zeit und Ausführung seiner Tätigkeit einem umfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dies war in der dem OLG vorliegenden Konstellation nicht der Fall. Die Klägerin hatte gegenüber den Mitarbeitern des Beklagten lediglich solche Weisungen erteilt, die ihr als Bestellerin einer Werkleistung zustanden. Eine weitere Eingliederung in den Betrieb der Klägerin fand hingegen nicht statt. Arbeitsrechtliche Weisungen, die die konkrete Arbeitsleistung bindend und in einer Weise geregelt hätten, wie es für die Organisation von Arbeitsabläufen typisch ist, die von betriebsangehörigen Arbeitskräften ausgeführt werden, wurden nicht erteilt. Die Arbeitnehmer des Beklagten wurden auch nicht zusammen mit eigenen Beschäftigten der Klägerin zur gemeinsamen Arbeitsleistung eingesetzt.

 

Das OLG weist zudem darauf hin, dass der konkrete Inhalt des jeweiligen Geschäfts über die rechtliche Einordnung des Vertrages als Werk- oder Arbeitnehmerüberlassungsvertrag entscheidet. Die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder die Bezeichnung des Vertrages sind hingegen nicht maßgeblich. Der Geschäftsinhalt kann sich auch aus der praktischen Durchführung des Vertrages ergeben. Denn hieraus lassen sich am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben. Dies hatte das erstinstanzliche Landgericht verkannt.

 

Der Praxishinweis

Liegt ein Fall der Arbeitnehmerüberlassung vor, kann der Entleiher in aller Regel keine Gewährleistungsansprüche gegen den Verleiher wegen mangelhafter Ausführung der Leistung geltend machen. Denn der Verleiher macht sich grundsätzlich nur dann schadensersatzpflichtig, wenn er unausgebildete oder gänzlich ungeeignete Arbeitskräfte zur Verfügung stellt. Der Fall des OLG Koblenz bestätigt einmal mehr, dass sich die Parteien nicht allein auf ihre Vertragsunterlagen verlassen können. Die Rechtsprechung würdigt vielmehr auch äußere Umstände und berücksichtigt die tatsächlich geübte Praxis. Auftraggeber sollten in jedem Falle darauf achten, dass sie Arbeitnehmern von Drittfirmen einen hinreichenden organisatorischen Freiraum lassen, um eine Arbeitnehmerüberlassung zu vermeiden.

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Dr. Julia Müller

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Vergaberecht

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