Mangel wegen fehlender CE-Kennzeichnung?

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veröffentlicht am 02. November 2018

 

Oberlandesgericht Oldenburg zur Frage, ob die fehlende CE-Kennzeichnung an Fenstern und Rollläden einen Mangel begründet (Urteil vom 4. September 2018, Az.: 2 U 58/18).

 

Das Problem

Die wesentlichen Grundsätze der CE-Kennzeichnung von Bauprodukten sind in der Europäischen Verordnung (EG) Nr. 305/2011 (kurz BauPVO) EU-weit einheitlich geregelt. Die Verordnung bezweckt zunächst in erster Linie, die technischen Anforderungen an Bauprodukte europäisch zu harmonisieren und dadurch den Handel mit Bauprodukten im Binnenmarkt zu erleichtern. Fraglich ist, ob ein der BauPVO nicht genügendes Produkt ohne CE-Kennzeichnung mangelhaft im Sinne des werkvertraglichen Gewährleistungsrechts ist und der Auftraggeber hieraus Ansprüche gegen seinen Vertragspartner erheben kann.

 

Der Sachverhalt

Der Beklagte betreibt eine auf den Einbau von Türen und Fenstern eingerichtete Einzelfirma. Die Kläger hatten den Beklagten mit der Lieferung und Montage von Fenster- und Türelementen samt Rollläden für ihr Wohnhaus beauftragt. Der Beklagte ließ die Fenster- und Türenelemente bei einem Dritten herstellen und führte die Arbeiten aus. Für die Fenster bestanden sogenannte „Leistungserklärungen” der Herstellerin. Streitig war jedoch, ob sie auch eine CE-Kennzeichnung aufwiesen. Für die Rollläden hingegen lagen weder „Leistungserklärungen” vor noch enthielten sie eine CE-Kennzeichnung.

Die Kläger zahlten die Vergütung. Nach Fertigstellung nahmen sie schwarze Kanten und unsaubere Gehrungen der Fensterelemente wahr. Die Kläger forderten den Beklagten verschiedentlich zur Nachbesserung auf. Sie beriefen sich unter anderem auf die angeblich fehlende CE-Kennzeichnung der Fenster- und Türelemente. Der Beklagte kam dem Nachforderungsverlangen nicht nach, weshalb die Kläger schließlich Schadensersatz geltend machten.

 

Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens kam das erstinstanzliche Landgericht zu dem Schluss, dass die CE-Kennzeichnung fehle und ein Mangel vorliege. Es gab der Klage statt. Das Berufungsgericht teilt diese Ansicht nicht.

 

Die Entscheidung

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts begründet allein das Fehlen der CE-Kennzeichnung keinen Mangel.

 

Die maßgeblichen Grundsätze der CE-Kennzeichnung von Bauprodukten sind in der Verordnung (EG) Nr. 305/2011 geregelt. Der Regelungszweck dieser Verordnung liege allerdings nicht darin, die Bauwerkssicherheit zu gewährleisten. Sie verfolge vielmehr das Ziel, die technischen Anforderungen an Bauprodukte europäisch zu harmonisieren und dadurch den Handel mit Bauprodukten im Binnenmarkt zu erleichtern. Dementsprechend sei im 3. Erwägungsgrund der BauPVO niedergelegt, dass das Recht der Mitgliedstaaten unberührt bleiben soll, „Anforderungen festzulegen, die nach ihrer Auffassung notwendig sind, um den Schutz der Gesundheit, der Umwelt und von Arbeitnehmern, die Bauprodukte verwenden, sicherzustellen”. Die Gewährleistung der Bauwerkssicherheit bleibe also nationale Aufgabe.

 

Vor diesem Hintergrund verlange die BauPVO vom Hersteller, der ein Bauprodukt in den Verkehr bringt, allein eine sogenannte Leistungserklärung. Der Hersteller habe bestimmte, wesentliche Merkmale des Produkts zu prüfen. In der Leistungserklärung habe er sodann anzugeben, welche Merkmale des Produkts im Einzelnen von ihm geprüft wurden, wie er geprüft habe und welches Ergebnis erzielt wurde. Mithin würden durch die BauPVO keine Anforderungen an die Bauprodukte selbst festgelegt, sondern allein einheitliche Prüfstandards von Produkten definiert. Ob die geprüften Produkte dem entsprächen, was nach den nationalen bauaufsichtlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten erforderlich ist, ergebe sich aus der Leistungserklärung des Herstellers nicht. Dementsprechend handele es sich bei der Leistungserklärung um eine eigene Erklärung des Herstellers, die er in eigener Verantwortung abgebe. Sie habe den Inhalt, dass das Produkt allen geltenden Anforderungen des Unionsrechts betreffend die Erlangung der CE-Kennzeichnung genüge und ein geeignetes Prüfverfahren durchgeführt worden sei. Mit der Anbringung der CE-Kennzeichnung bekunde der Hersteller sichtbar die erfolgreiche Prüfung, jedoch ausschließlich aus seiner persönlichen, d.h. subjektiven Sicht.

 

Gerade vor dem Hintergrund der unzureichenden Standards der BauPVO in Bezug auf die Bauwerkssicherheit habe der deutsche Gesetzgeber über die Landesbauordnungen auf Bauregellisten verwiesen und damit zusätzliche nationale Anforderungen an bereits mit dem CE-Kennzeichen versehene Bauprodukte formuliert. Nach wie vor begründe daher die CE-Kennzeichnung keinen Verwendbarkeitsnachweis für ein bestimmtes Bauprodukt in Bezug auf alle nationalen gesetzlichen Sicherheitsanforderungen. Diese könnten vielmehr Angaben erfordern, die eine Leistungserklärung nicht enthalten muss. Damit biete die CE-Kennzeichnung keinerlei Gewähr dafür, dass das Bauprodukt den nationalen, durch Gesetz festgelegten Sicherheitsanforderungen entspricht. Die BauPVO spiegele also insbesondere nicht die deutschen anerkannten Regeln der Technik wider.

 

Aus dem Umstand, dass ein Bauprodukt mit CE-Kennzeichnung verwendet wurde, folge jedenfalls kein Anscheinsbeweis dahingehend, dass dieses Bauprodukt die in Deutschland „übliche” Beschaffenheit aufweise. Genauso wenig führe aber das Verwenden eines Bauproduktes ohne CE-Kennzeichnung nach dem deutschen Werkvertragsrecht zu der unwiderleglichen Annahme einer mangelhaften Leistung oder einer tatsächlichen Vermutung, dass das Werk wegen der Verwendung eines Bauproduktes ohne CE-Kennzeichnung nicht den anerkannten Regeln der Technik entspreche. Das sei die zwingende Folge daraus, dass die CE-Kennzeichnung keine bauaufsichtlichen Standardforderungen festlege. Die der CE-Kennzeichnung vorausgehende Leistungserklärung des Herstellers weise allein Ergebnisse aus, ohne eine Bewertung darüber zu treffen, ob diese den deutschen anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Sie enthalte gerade keine Verwendbarkeitsvermutung.

 

Der Aussagegehalt der CE-Kennzeichnung erschöpfe sich mithin für das deutsche Werkvertragsrecht darin, eine Überprüfungsgrundlage für die in Deutschland bestehenden anerkannten Regeln der Technik zu treffen. Mithin fehle es an einer Grundlage, allein aus der fehlenden CE-Kennzeichnung bereits auf einen Verstoß gegen eine anerkannte Regel zu schließen. Die Verwendung nicht mit einer CE-Kennzeichnung ausgestatteter Bauprodukte enthalte angesichts des geringen Aussagewertes in Form eines bloßen Prüfungsergebnisses auch kein zusätzliches Risiko im Vergleich zu der Verwendung eines Bauproduktes mit einer CE-Kennzeichnung. Denn für die Frage, ob das Bauprodukt den anerkannten Regeln der Technik entspreche, müsse die der CE-Kennzeichnung zugrunde liegende Leistungserklärung zunächst anhand der Anforderungen der auf nationaler Ebene bestehenden anerkannten Regeln der Technik überprüft werden.

 

 

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Dr. Julia Müller

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Vergaberecht

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