BGH: Anpassung von Genussscheinbedingungen nach Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages

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Der BGH hat mit Urteil vom 28. Mai 2013 (Az. II ZR 2/12) entschieden, dass Genussscheinbedingungen, sofern sie keine Regelungen für den Fall des Abschlusses eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages enthalten, anzupassen sind, wenn das emittierende Unternehmen als abhängige Gesellschaft einen derartigen Vertrag abschließt. Nach Ansicht des BGH ist die Anpassung der Genussscheinbedingungen dergestalt vorzunehmen, dass auf die Genussscheine die vollen ursprünglich vorgesehenen Ausschüttungen erbracht werden müssen und auch Rückzahlungsansprüche nicht herabgesetzt werden dürfen, sofern die Prognose hinsichtlich der Ertragsentwicklung der abhängigen Gesellschaft bei Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages entsprechend positiv gewesen ist. Dies gelte unabhängig von der künftigen Ertragslage des emittierenden Unternehmens.
 
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
 
Im Jahr 2000 hatte die R. Hypothekenbank AG Genussscheine mit einer Laufzeit bis Ende 2012 zu einem Gesamtnennbetrag in Höhe von 200 Millionen Euro in einer Stückelung zu je 1.000 Euro begeben.
 
Die Genussscheinbedingungen enthielten keine Regelungen hinsichtlich des Abschlusses eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages.
 
Zwei Jahre nach Begebung der Genussscheine verschmolz die R. Hypothekenbank AG mit einer anderen Gesellschaft zur späteren Beklagten. 
 
Die Beklagte wiederum schloss einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit einer weiteren Gesellschaft als herrschendes Unternehmen, der Ende 2007 ins Handelsregister eingetragen wurde. Eine Anpassung der Genussscheinbedingungen erfolgte nicht.
 
Die Beklagte erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2009 einen fiktiven Jahresfehlbetrag in Höhe von rund 170 Millionen Euro, welcher sich ohne Berücksichtigung des Verlustausgleichsanspruchs aus dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag errechnete. Aufgrund dieses Fehlbetrages weigerte sie sich, Zahlungen auf die Genussscheine zu leisten, auch kürzte die Beklagte die Rückzahlungsansprüche der Genussscheininhaber entsprechend.
 
Die Klägerin als Genussscheininhaberin beantragte in ihrer Klage, die Beklagte für das Geschäftsjahr 2009 zur Zahlung eines von der Klägerin ermittelten Betrages zu verurteilen und zugleich festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, zum einen künftig die Genussscheine unabhängig von der Ertragslage der Beklagten zu bedienen und sie zum anderen bei Fälligkeit zum Nennwert zurückzuzahlen.
 
Nach Auffassung des BGH waren vorliegend die Genussscheinbedingungen an die veränderte Rechtslage nach Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages anzupassen. Zwar stellen Genussrechte eine mitgliedschaftliche Beteiligung an einer Aktiengesellschaft dar, die bei Einbeziehung der Gesellschaft in einen Vertragskonzern bestimmte Schutzmechanismen auslösen, es werden aber dennoch durch den Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mittelbare Auswirkungen auf die Genussrechte ausgelöst, insbesondere im Hinblick auf die geänderte Risikolage der Genussscheininhaber. Nach Ansicht des Gerichts konnten diese bei Erwerb der Genussscheine darauf vertrauen, „dass das Unternehmen von seinem Vorstand eigenverantwortlich und orientiert am Unternehmenswohl geführt wird”. Nach Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages müssten sie „nun hinnehmen, dass der Vorstand des herrschenden Unternehmens die Leitungsaufgabe übernimmt oder zumindest diese Möglichkeit besteht”.
 
Auch sind die Genussscheininhaber nach Ansicht des Gerichts mindestens ebenso schutzwürdig wie Aktionäre, dies vor allem auch deswegen, da sie mangels mitgliedschaftlicher Rechte keine Möglichkeit besitzen, auf den Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags Einfluss zu nehmen.
 
Die Anpassung der Genussscheinbedingungen selbst folgt dabei den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Wenn ein Unternehmen Genussscheine begibt und zu dieser Zeit nicht in einen Vertragskonzern eingebunden ist, so stellt diese „Konzernfreiheit” nach Ansicht des BGH eine Geschäftsgrundlage des Begebungsvertrages dar.
 
Die Anpassung führt demnach „zu dem Ergebnis, dass jedenfalls in den Fällen, in denen – wie hier – bei Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages davon auszugehen ist, dass die abhängige Gesellschaft in der Zukunft bis zum Ende des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages ohne den Vertrag genügend Gewinn ausgewiesen hätte, um die Genussrechte bedienen zu können, sie dies auch nach Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages tun muss, ohne dass es auf die dann ausgewiesenen (fiktiven) Gewinne oder Verluste ankommt, und dass sie dann auch den Rückzahlungsanspruch nicht kürzen darf”.
 

Ausblick und Praxisfolgen

Durch die vorliegende Entscheidung des BGH ist eine wichtige Weichenstellung sowohl für den Umgang mit bestehenden als auch die zukünftige Gestaltung von Genussscheinbedingungen getroffen worden. Vor allem sollten Emittenten von Genussscheinen die Möglichkeiten und Auswirkungen nachträglich geschlossener Unternehmensverträge in den Genussscheinbedingungen angemessen berücksichtigen.

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Sebastian Schüßler

Rechtsanwalt, Leiter Taskforce Digitale Transformation Geschäftsfeld Rechtsberatung

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