Aktueller Brennpunkt: Abgrenzung offene und geschlossene AIF

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Die Abgrenzung von offenen und geschlossenen AIF ist eine der fundamentalen Weichenstellungen innerhalb des KAGB. Es gelten etwa abhängig vom Typ des AIF unterschiedliche Anforderungen hinsichtlich der zulässigen Vermögensgegenstände, der Anwendung des Grundsatzes der Risikomischung oder der zulässigen Rechtsform. So dürfen inländische offene Publikumsfonds beispielweise nicht als Investmentkommanditgesellschaft aufgelegt werden. Auch ist zu beachten, dass die Ausnahmebestimmungen in § 2 Absatz 4a, 4b und 5 KAGB, die für viele Projekte eine attraktive Gestaltungsmöglichkeit bieten, nur geschlossenen AIF zugänglich sind. Überdies ist die wichtige Übergangsvorschrift des § 353 Absatz 1 KAGB, die einen umfassenden Bestandsschutz gewährt, nur auf geschlossene AIF anwendbar. Die bisherige Abgrenzung im KAGB wird, wie im folgenden Beitrag gezeigt wird, aller Wahrscheinlichkeit nach aufgrund europäischer Vorgaben in absehbarer Zeit neu gefasst werden.
 

Geltende Rechtslage 

Nach der derzeitigen Definition in § 1 Absatz 5 KAGB sind geschlossene AIF alle AIF, die keine offenen sind. Offene AIF wiederum sind gemäß Absatz 4 der Vorschrift solche AIF, deren Anleger oder Aktionäre mindestens einmal pro Jahr das Recht zur Rückgabe gegen Auszahlung ihrer Anteile oder Aktien aus dem AIF haben, wobei Mindesthaltefristen und die Möglichkeit der Aussetzung oder Beschränkung der Rücknahme der Anteile oder Aktien nicht berücksichtigt werden.
 

Erstentwurf der ESMA; Kritik der EU Kommission 

Die Abgrenzungskriterien des § 1 Absatz 4 KAGB entstammen einer Entwurfsfassung für eine Verordnung der Europäischen Kommission, die nach den Vorgaben der AIFM-Richtlinie durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) Anfang April 2013 vorgelegt wurde. Die Europäische Kommission hat diesen Entwurf allerdings nicht, wie ursprünglich vorgesehen, mit einer Verordnung umgesetzt, sondern diesen im Juli 2013 abgelehnt und die ESMA mit der Erarbeitung eines neuen Entwurfs beauftragt.
 
Hauptkritikpunkt der Europäischen Kommission an dem Erstentwurf der ESMA war dabei, dass eine Abgrenzung über die Häufigkeit von Rückgaberechten - das heißt eine Abgrenzung danach, ob mindestens einmal jährlich ein Rückgaberecht besteht oder nicht - nicht sachgerecht sei. Die Anlehnung des deutschen Gesetzestextes an die zur Zeit des Gesetzgebungsverfahrens aktuelle Version des ESMA-Entwurfes hat daher in Deutschland eine Gesetzeslage geschaffen, die mit den derzeitigen Verlautbarungen der Europäischen Wertpapierbehörde nicht in Einklang steht.
 

Zweitentwurf der ESMA 

Im August 2013 legte die ESMA als Kompromissvorschlag und unter ausdrücklicher Verteidigung der Erläuterungen im Erstentwurf einen neuen - erheblich geänderten - Entwurf unter Berücksichtigung der Auffassung der Europäischen Kommission vor.
 
Nach der geänderten Definition des zweiten Entwurfs sind solche AIF als offen zu betrachten, deren Anteile nach den Vertragsbedingungen des AIF auf Verlangen der Inhaber der Anteile aus Mitteln des Fondsvermögens noch vor dem Beginn der Abwicklung des AIF direkt oder indirekt zurückgekauft oder zurückgenommen werden können. Lediglich Kapitalherabsetzungen in Verbindung mit Ausschüttungen, die im Gesellschaftvertrag, dem Prospekt oder den Angebotsdokumenten des AIF vorgesehen sind bzw. gemäß eines in diesen Dokumenten vorgesehenen Gesellschafterbeschlusses erfolgen, sollen für die Abgrenzung unberücksichtigt bleiben. Gleiches gilt für reine Zweitmarktgeschäfte in Bezug auf Anteile von AIF.
 
Diese Verlautbarung kann so verstanden werden, dass sämtliche AIF, die vor ihrer Abwicklungsphase Rückkaufs- oder Rückgaberechte vorsehen, als offene AIF zu betrachten wären. Damit wären nahezu alle der bestehenden geschlossenen Beteiligungsangebote künftig als offene AIF zu qualifizieren.
 

Praxisprobleme 

Problematisch an dieser Diskussion ist für die Anwendung in der Praxis in erster Linie der Umstand, dass nicht geklärt ist, welche Rechte eines AIF-Anteilsinhabers überhaupt als„Rückgaberecht” im Sinne der ESMA-Verlautbarungen gelten. Als wahrscheinlich darf dabei mittlerweile wohl gelten, dass ordentliche Kündigungsrechte als derartige Rückgaberechte gelten, wohingegen außerordentliche Kündigungsrechte und gesetzliche Widerrufsrechte, etwa bei Haustürgeschäften oder im Zuge von Prospektnachträgen, nicht erfasst sind. Auch gesellschaftsvertragliche Ausschlusstatbestände werden voraussichtlich nicht als Rückgaberechte im Sinne des ESMA-Entwurfes einzuordnen sein.
 
Für die Konzeption eines geschlossenen AIF würde dies entsprechend bedeuten, dass (neben Rückkaufsrechten) ordentliche Kündigungsrechte gesellschaftsvertraglich ausgeschlossen werden müssen. Nach derzeitiger Rechtslage wäre dies aber wiederum nur bei einer Befristung der Laufzeit des AIF möglich. Mit anderen Worten: Der Zeitpunkt der Fondsabwicklung müsste vorab fest bestimmt werden. Gegebenenfalls kann die Befristung konzeptionell durch Verlängerungsrechte der Geschäftsführung oder durch Gesellschafterbeschluss in Abhängigkeit von der Entwicklung des Investments abgefedert werden.
 

„Altfonds” 

Für die Behandlung von AIF, die vor dem Inkrafttreten der zugehörigen, noch zu verabschiedenden Verordnung der Kommission aufgelegt wurden, sieht der Zweitentwurf der ESMA eine gesonderte Regelung vor. Solche „Altfonds” werden im Hinblick auf die Übergangsbestimmungen nach Artikel 61 Absatz 3 und 4 der AIFM-Richtlinie nach dem jeweiligen nationalen Recht beurteilt, das zum Zeitpunkt der Auflage des AIF anwendbar war, sofern die Auflage vor dem Inkrafttreten der noch zu verabschiedenden Verordnung erfolgte. In den Genuss dieser Regelung würden so vor allem AIF fallen, die vollen Bestandsschutz nach § 353 Absatz 1 KAGB genießen - diese AIF würden auch künftig geschützt bleiben und ihren Bestandschutz nicht, wie teilweise befürchtet, durch eine mögliche „Umqualifizierung” in offene AIF verlieren.
 

Ausblick 

Die Europäische Kommission hat den Zweitentwurf der ESMA bislang noch nicht in einer Verordnung umgesetzt. Auch scheint es angesichts der ausführlichen Erläuterungen der ESMA zu ihrem Erstentwurf und ihrer Kritik an den Einwendungen der Kommission zumindest möglich, dass es auch in Bezug auf den Zweitentwurf zu erneuten Änderungen kommt.
 
Sollte dieser zweite Entwurf durch die Europäische Kommission umgesetzt werden, bestünde angesichts der eingangs dargestellten Regelungen im KAGB in Deutschland gesetzgeberischer Handlungsbedarf. 
 
Die im Zweitentwurf unter anderem anklingende Forderung eines vollständigen Ausschlusses von ordentlichen Kündigungsrechten vor der Liquidation bei geschlossenen AIF sollten Fondsinitiatoren berücksichtigen, um gegebenenfalls in Zukunft entsprechend erforderliche Anpassungen in Gesellschaftsverträgen bzw. in den sonstigen Fondsdokumenten umsetzen zu können. Insbesondere werden auch bisher unproblematische Kündigungsmöglichkeiten, die Anlegern etwa bislang für Fälle von Erwerbsminderungen oder Pflegebedürftigkeit eines nahen Angehörigen eingeräumt wurden, gegebenenfalls kritisch zu prüfen sein.

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Sebastian Schüßler

Rechtsanwalt, Leiter Taskforce Digitale Transformation Geschäftsfeld Rechtsberatung

Associate Partner

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