EU-Kommission erlässt neue Regeln zur Abgrenzung von offenen und geschlossenen AIF

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EU-Kommission erlässt neue Regeln zur Abgrenzung von offenen und geschlossenen AIF
Die Europäische Kommission hat am 20. Dezember 2013 eine Verordnung zur Ergänzung der Richtlinie 2011/61/EU im Hinblick auf technische Regulierungsstandards zur Bestimmung der Arten von Verwaltern alternativer Investmentfonds veröffentlicht. Mit dieser Verordnung wird nunmehr eine verbindliche europarechtliche Grundlage für die fundamentale Abgrenzung von offenen und geschlossenen AIF vorgegeben. Weil die bestehende Abgrenzung im KAGB mit den neuen Vorgaben der Verordnung nicht vereinbar ist, muss sie durch ein noch ausstehendes Änderungsgesetz angepasst werden.
 
Wie wir jüngst berichteten (siehe Fonds-Brief vom 18. Dezember 2013), ist die Einordnung als offener bzw. geschlossener AIF mit weitreichenden Rechtsfolgen verbunden: So gelten abhängig vom Typ des AIF unterschiedliche Anforderungen hinsichtlich der zulässigen Vermögensgegenstände oder der Anwendung des Grundsatzes der Risikomischung, auch können inländische offene Publikumsfonds nicht in der Rechtsform der Investmentkommanditgesellschaft aufgelegt werden. Zudem vermitteln die Übergangsvorschriften des § 353 Absatz 1 und Absatz 3 KAGB nur geschlossenen AIF einen umfassenden Bestandsschutz.
 

Abgrenzung offene/geschlossene AIF

Nach der Verordnung vom 20. Dezember 2013 sind solche AIF als offen zu betrachten, deren „Anteile vor Beginn der Liquidations- oder Auslaufphase auf Ersuchen eines Anteilseigners direkt oder indirekt aus den Vermögenswerten des AIF und nach den Verfahren und mit der Häufigkeit, die in den Vertragsbedingungen oder der Satzung, dem Prospekt oder den Emissionsunterlagen festgelegt sind, zurückgekauft oder zurückgenommen werden”.
 
Für diese Einordnung unberücksichtigt bleiben sollen lediglich Kapitalherabsetzungen des AIF im Zusammenhang mit Ausschüttungen. Auch ist explizit geregelt, dass die Möglichkeit zur Veräußerung von AIF-Anteilen auf dem Sekundärmarkt für die Abgrenzung unbeachtlich sein soll.
 
Nunmehr sollen also AIF, die vor ihrer Abwicklungsphase Rückkauf- oder Rücknahmerechte vorsehen, als offene AIF gelten – und zwar im Unterschied zur bestehenden Regelung im KAGB unabhängig davon, ob diese Rechte mindestens einmal pro Jahr ausgeübt werden können oder nicht. Insoweit entspricht dies dem Vorschlag der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) vom August 2013 (zur Vorgeschichte der Verordnung siehe Fonds-Brief vom 18. Dezember 2013). 
 

Definition von „Rücknahmerechten”

Ebenso wenig wie im ESMA-Entwurf werden in der verabschiedeten Verordnung Aussagen darüber getroffen, welche Rechte eines AIF-Anteilsinhabers als Rückkauf- bzw. Rücknahmerechte zu qualifizieren sind. Wie wir bereits berichtet haben, gilt als wahrscheinlich, dass ordentliche Kündigungsrechte solche Rücknahmerechte darstellen, wohingegen außerordentliche Kündigungsrechte, gesetzliche Widerrufsrechte und gesellschaftsvertragliche Ausschlusstatbestände wohl nicht erfasst sind.
 

Bestandsschutz – Probleme für „Kurzläufer”

Die verabschiedete Verordnung weicht jedoch im Hinblick auf die Behandlung von „Altfonds” erheblich von dem Entwurf der ESMA ab:
 
Der ESMA-Entwurf sah noch vor, dass im Hinblick auf die Bestandsschutzvorschriften nach Artikel 61 Absatz 3 und 4 der AIFM-Richtlinie die Einordnung als „offen” bzw. „geschlossen” für Altfonds nach dem jeweiligen nationalen Recht erfolgen sollte, das zum Zeitpunkt der Fondsauflage anwendbar war. 
 
Diese von der ESMA vorgeschlagene Regelung wurde von der Kommission jedoch nicht übernommen. Vielmehr findet sich in der Verordnung vom 20. Dezember 2013 ein vollkommen neuer Ansatz:
 
Im Sinne der Bestandsschutzvorschriften der Artikel 61 Absätze 3 und 4 der AIFM-Richtlinie gilt ein AIF nun als geschlossen, wenn „dessen Anteile vor Beginn der Liquidations- oder Auslaufphase erst nach einer Wartezeit von mindestens fünf Jahren, während der Rücknahmerechte nicht ausgeübt werden können, auf Ersuchen eines Anteilseigners direkt oder indirekt aus den Vermögenswerten des AIF zurückgenommen oder zurückgekauft werden”.
 
Dies bedeutet, dass vor dem 22. Juli aufgelegte Altfonds regelmäßig nur noch dann als geschlossene AIF angesehen werden und damit die Bestandsschutzvorschriften in Anspruch nehmen können, wenn sie eine mindestens fünf Jahre lange Haltefrist vorsehen. Damit fallen AIF, die dem Wortlaut des heutigen § 353 Absatz 1 oder Absatz 3 KAGB zufolge vollen Bestandsschutz genießen würden, nach den neuen Vorgaben vermutlich wieder aus dem Bestandsschutz heraus, wenn sie als „Kurzläufer” konzipiert wurden, bei denen die Anleger vor Ablauf der Fünfjahresfrist die Beteiligung kündigen können.
 
Eine solche „Umqualifizierung” in einen nicht dem Bestandsschutz unterliegenden offenen AIF würde erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen: der nunmehr offene AIF müsste nicht nur eine KVG sowie eine Verwahrstelle beauftragen, zudem dürfte er als Publikumsfonds nicht länger als Kommanditgesellschaft organisiert sein, da diese Rechtsform für inländische offene Publikums-AIF unzulässig ist.
 

Ausblick

Sobald abschließend geklärt ist, wie der Begriff der „Rücknahmerechte” im Sinne der Verordnung ausgelegt werden muss, wird für Verwalter von Kurzläuferfonds wohl vielfach akuter Handlungsbedarf bestehen. Um den Bestandsschutz weiter zu gewährleisten, müssten die betroffenen Verwalter sicherstellen, dass die fünfjährige Mindesthaltefrist nachträglich vereinbart wird. Sollte eine solche Neustrukturierung im konkreten Fall nicht möglich sein, könnten die Verwalter wegen der drohenden Umqualifizierung in offene AIF zu einer vorzeitigen Fondsabwicklung gezwungen sein. 
 
Angesichts der weitreichenden Neuerungen und der verbleibenden Unsicherheiten besteht dringender Klärungsbedarf, welche Rechte als Rücknahmerechte im Sinne der Verordnung vom 20. Dezember 2013 anzusehen sind.

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