Ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der sogenannten Zinsschranke

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Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom heutigen Tage (Az. I B 85/13) einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) stattgegeben, den die Antragstellerin, ein Maschinenhersteller in der Rechtsform einer GmbH, auf verfassungsrechtliche Zweifel an der sogenannten Zinsschranke stützte.
 
Die Anwendung der sogenannten Zinsschranke führte bei der GmbH dazu, dass sie von den in 2008 angefallenen Zinsaufwendungen in Höhe von 9.599.378 Euro im Jahr 2008 lediglich 3.292.067 Euro als Betriebsausgaben abziehen und die weiteren 6.307.311 Euro lediglich in die Folgejahre vortragen konnte. Gegen den entsprechenden Körperschaftsteuerbescheid 2008 legte die GmbH Einspruch ein und stellte parallel einen AdV-Antrag, da sie die Regelung der Zinsschranke für verfassungswidrig hielt. Das Finanzamt lehnte den AdV- Antrag ab. Daraufhin stellte die GmbH den Antrag beim Finanzgericht Münster, der ihn ebenso ablehnte (Beschluss vom 29. April 2013, 9 V 2400/12 K).
 
Nach Auffassung des Finanzgerichts ist ernsthaft zweifelhaft, ob diese gesetzliche Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG)) und dem verfassungsrechtlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit entspricht. Denn mit diesen Regelungen ist der Gesetzgeber von seiner Grundentscheidung abgewichen, dass Betriebsausgaben in dem Jahr abziehbar sein sollen, in dem sie angefallen sind und den Steuerpflichtigen belasten. Trotz der erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken konnte dem Aussetzungsantrag jedoch nicht entsprochen werden, da sich kein gegenüber dem öffentlichen Interesse an dem Gesetzesvollzug überwiegendes besonderes Aussetzungsinteresse der GmbH feststellen ließ.
 
Die Zinsschranke regelt, dass Zinsaufwendungen eines Betriebs maximal in Höhe des Zinsertrages desselben Wirtschaftsjahres steuermindernd berücksichtigt werden können, § 4h EStG. Für den Fall, dass der Saldo aus Zinsaufwendungen und Zinsertrag negativ (negativer Zinssaldo) ist, wird der steuermindernde Abzug der Zinsaufwendungen beschränkt. Die Abzugsfähigkeit des Zinssaldos wird sodann auf 30 Prozent des steuerlich maßgebenden Gewinns vor Zinserträgen, Zinsaufwendungen und Abschreibungen (sogenanntes verrechenbares EBITDA = Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization) begrenzt.
 
Die Zinsschranke ist grundsätzlich von Einzelunternehmern, Gesellschaftern von gewerblich tätigen (oder gewerblich geprägten) Personengesellschaften sowie über § 8 Abs. 1 KStG auch von Körperschaften anzuwenden. Durch die Vorschrift des § 4h EStG sollten vornehmlich konzerninterne Gestaltungen zur Gewinnverlagerung unterbunden werden.
 
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Einkommensmindernd berücksichtigt werden 30 Prozent des verrechenbaren EBITDA. Im aktuellen Wirtschaftjahr nicht ansetzbare Zinsaufwendungen können in Folgejahre vorgetragen werden, § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG.
 
Die Zinsschranke kommt grundsätzlich nicht zur Anwendung, wenn der Zinsaufwand abzüglich Zinsertrag (Zinssaldo) weniger als 3 Mio. Euro beträgt, § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. a) EStG. Es handelt sich dabei um eine Freigrenze, die für das jeweilige Wirtschaftsjahr gilt. Wird diese Freigrenze überschritten, ist die Zinsschranke auf sämtliche Zinsaufwendungen anzuwenden.
 
Eine weitere Ausnahmeregelung greift, wenn die Gesellschaften nicht zu einem Konzern gehören, § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. b) EStG und die Vergütungen für Fremdkapital im Rahmen einer Gesellschafter-Fremdfinanzierung nicht mehr als 10 Prozent der die Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen betragen und die Körperschaft dies nachweist.
 
Im vorliegenden Fall entschied der BFH, dass die Beschwerde der GmbH begründet ist. Sie führt zur Aufhebung des FG-Beschlusses und zur AdV des streitigen Steuerbetrages. Grundsätzlich kann das Finanzgericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstlich zweifelhaft ist hier, ob es rechtmäßig ist, dass das Finanzamt die von der GmbH gezahlten Schuldzinsen unter Hinweis auf die sogenannte Zinsschranke nur teilweise als Betriebsausgaben zum Abzug zugelassen und deshalb eine höhere Körperschaftsteuer festgesetzt hat, als ohne Berücksichtigung der Zinsschranke.
 
Der BFH hat im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet es dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Es wurden in dem Beschluss jedoch genügend Gründe dafür angeführt, dass die sogenannte Zinsschranke eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem nach sich zieht. Durch die Zinsschranke könnte der Gesetzgeber unter anderem das Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des Körperschaftsteuerrechts am Gebot der finanziellen Leistungsfähigkeit durchbrochen haben.
 
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Bedenken gegenüber der Verfassungsmäßigkeit der sogenannten Zinsschranke – die auch im Schrifttum weit überwiegend vertretenen werden – auch vom BFH geteilt werden. Da die Vorschriften zur Zinsschranke derzeit noch nicht dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Prüfung vorliegen, kann hierüber auch noch nicht endgültig entschieden werden. Nach diesem Beschluss kann ein AdV-Antrag vom Finanzamt jedoch nicht wegen eines fehlenden besonderen Aussetzungsinteresses ausgeschlossen werden.

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Hannes Zerbin, LL.M. (London)

Diplom-Wirtschaftsjurist (Univ.)

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