BGH: Zur Verwendung der Musterwiderrufsbelehrung

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Mit Urteil vom 18. März 2014 (Az.: II ZR 109/13) hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass sich ein Fondsanbieter nicht auf die Richtigkeitsfiktion der gesetzlichen Musterwiderrufsbelehrung berufen kann, wenn er den Text der Musterbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzieht. Dies ist auch dann der Fall, wenn es sich bei den Abweichungen vom Mustertext um lediglich zutreffende Zusatzinformationen zugunsten des Anlegers handelt.
 
Anleger hatten sich als atypisch stille Gesellschafter an einer Beteiligungsgesellschaft in der Rechtsform der AG & Co. KG beteiligt. Der Beitritt der Anleger erfolgte im Rahmen eines Haustürgeschäftes. Die in der Beitrittserklärung abgedruckte Widerrufsbelehrung folgte im Wesentlichen dem Text der Musterbelehrung nach der damals geltenden BGB-Informationspflichten-Verordnung (BGB-InfoV). Allerdings gab es Abweichungen zu den Angaben über den Beginn der Widerrufsfrist. Während es in der Musterbelehrung hieß: „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung”, lautete die verwendete Widerrufsbelehrung: „Die Frist beginnt einen Tag, nachdem Sie diese Belehrung, eine Abschrift ihrer Beitrittserklärung sowie den atypisch stillen Gesellschaftsvertrag erhalten haben“. Als die Beteiligungsgesellschaft nach einigen Jahren in eine Schieflage geraten war, widerriefen die Kläger ihre Beteiligung. Den fristgerechten Widerruf begründeten sie damit, dass die zweiwöchige Widerrufsfrist mangels korrekter Belehrung nicht in Gang gesetzt worden sei.
 
Der BGH entschied im Sinne der Anleger. Dem Gericht zufolge ist die Widerrufsbelehrung nicht korrekt erfolgt, weil der Widerruf eines Gesellschaftsbeitritts nach den Grundsätzen über die „fehlerhafte Gesellschaft” zur Auszahlung eines Abfindungsguthabens in Höhe des aktuellen Beteiligungswertes führt, die Widerrufsbelehrung im entschiedenen Fall jedoch keinen Hinweis hierauf enthielt. Wegen der Abweichungen vom Text der Musterwiderrufsbelehrung konnte die beklagte Beteiligungsgesellschaft auch nicht die Richtigkeitsfiktion des Belehrungsmusters für sich in Anspruch nehmen. Zwar behoben die Abweichungen im verwendeten Text einen Mangel des Musters, indem sie – der Gesetzeslage entsprechend – den Tag nach Zugang der Belehrung als frühesten Fristbeginn benannten. Aber die Abweichungen erschöpften sich nicht darin, sondern machten den Fristbeginn mit dem Erhalt von Abschriften der Beitrittserklärung und des Gesellschaftsvertrages von weiteren, gesetzlich nicht geforderten Voraussetzungen abhängig. Wegen dieser Zusätze urteilte der BGH, dass sich die Beklagte nicht auf die Fiktion der richtigen Belehrung gemäß dem Mustertext berufen konnte. Anders als das vorinstanzliche Oberlandesgericht Hamburg entschied der BGH zudem, dass es nicht darauf ankommt, ob solche Zusätze – wie vorliegend – Regelungen zugunsten des Anlegers enthalten oder ob die Abweichungen zu seinen Ungunsten formuliert sind.
 
Vor dem Hintergrund der in der kommenden Woche in Kraft tretenden Änderungen des Widerrufsrechts (siehe Fonds-Brief direkt vom 29. Januar 2014) führt dieses aktuelle BGH-Urteil die Bedeutung der richtigen Verwendung der gesetzlichen Musterbelehrung vor Augen. Emissionshäuser, die geschlossene Alternative Investmentfonds (AIF) im Sinne des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB) oder Vermögensanlagen im Sinne des Vermögensanlagengesetzes (VermAnlG) anbieten, müssen ab dem 13. Juni 2014 neue Widerrufsbelehrungen gebrauchen. Dabei stehen sie vor einem Dilemma. Denn auch die Neufassung der Musterwiderrufsbelehrung enthält keinerlei Hinweise auf die Rechtsfolgen des Widerrufs nach den Grundsätzen der „fehlerhaften Gesellschaft”. Wenn sie sich also an den gesetzlichen Mustertext halten, um die damit verbundene Schutzwirkung der Richtigkeitsfiktion zu erzielen, belehren sie den Anleger falsch über das ihm zustehende Widerrufsrecht. Da jedoch jede Abweichung vom Mustertext die Gefahr birgt, in die Fallstricke des komplexen Widerrufsrechts zu geraten, ist ihnen nur zu raten, auf solche Richtigstellungen zu verzichten. Stattdessen bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber im Rahmen einer künftigen Gesetzeskorrektur endlich einmal die Musterwiderrufsbelehrung der Rechtslage entsprechend richtig formuliert und damit gleichermaßen Rechtssicherheit für beide Vertragsparteien schafft.

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Meike Farhan

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