BGH: Zur Aufklärungspflicht über die Möglichkeit der Aussetzung der Anteilrücknahme bei offenen Immobilienfonds

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Mit Urteil vom 29. April 2014 (Az. ZR 130/13) hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass eine Bank, die den Erwerb von Anteilen an einem offenen Immobilienfonds empfiehlt, den Anleger ungefragt über die Möglichkeit einer zeitweiligen Aussetzung der Anteilrücknahme aufklären muss.
 
Die Klägerin zeichnete im Juli 2008 auf Empfehlung einer Beraterin der beklagten Bank Anteile an einem offenen Immobilienfonds. Die Beraterin wies die Klägerin vor ihrer Anlageentscheidung nicht darauf hin, dass die Rücknahme der Fondsanteile ausgesetzt werden kann. Nach dem Gespräch wurde der Klägerin allerdings eine Werbebroschüre übergeben, die einen entsprechenden Hinweis enthielt. Nachdem der Immobilienfonds im Oktober 2008 die Rücknahme der Anteile aussetzte, machte die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Anlageberatung geltend, den der BGH mit vorliegendem Urteil bejaht und sich damit der Auffassung der bisherigen Instanzenrechtsprechung anschließt.
 
Ausgehend von der Annahme, dass zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag geschlossen wurde, legt der BGH seinen Ausführungen den Maßstab einer anleger- und objektgerechten Beratung zugrunde. Danach sind neben dem Wissensstand, der Risikobereitschaft und dem Anlageziel des Kunden, die allgemeinen und speziellen Risiken maßgeblich, die sich aus den Besonderheiten des Anlageobjekts ergeben. Die Beratung hat sich demnach auf diejenigen Eigenschaften des Anlageobjekts zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Aus diesen Vorgaben ergibt sich nach Auffassung des BGH, dass die Beklagte verpflichtet war, die Klägerin über die Möglichkeit der Aussetzung der Anteilrücknahme aufzuklären. Zur Begründung führt der BGH aus, dass es sich bei der Möglichkeit der Aussetzung um ein die Anlage in offenen Immobilienfonds prägendes Strukturprinzip handelt und ein ihr grundsätzlich innewohnendes (Liquiditäts-)Risiko für den Anleger darstellt. Über dieses Risiko ist der Anleger entsprechend aufzuklären, da das gemachte Versprechen – die Investition jederzeit durch die Rückgabe der Anteile zu einem gesetzlich bestimmten Rücknahmepreis liquidieren zu können – bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen nicht eingehalten wird. Dabei ist es nach Auffassung der BGH unerheblich, inwieweit sich das Risiko der Aussetzung bereits zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung konkretisiert hat. Denn die Möglichkeit der Aussetzung stellt ein während der gesamten Investitionsphase bestehendes Liquiditätsrisiko für den Anleger dar, das der Anleger in seine Entscheidung mit einbeziehen können muss. Die dem Anleger alternativ zur Verfügung stehende Möglichkeit, seine Anteile jederzeit noch an einer Börse veräußern zu können, lässt der BGH zur Verneinung einer Aufklärungspflicht nicht zu, da es sich dabei aufgrund der spekulativen Elemente um keinen gleichwertigen Ersatz für die gesetzlich geregelte Möglichkeit der Rückgabe handelt.
 
Die Aufklärungspflicht wurde nach Auffassung des BGH auch nicht dadurch erfüllt, dass der Klägerin im vorliegenden Fall sowohl eine Werbebroschüre übergeben wurde, die einen entsprechenden Hinweis enthielt, als auch die „Basisinformationen über die Vermögensanlage in Wertpapieren”. Die Werbebroschüre wurde der Klägerin vorliegend erst nach der Anlageentscheidung und damit nicht rechtzeitig übergeben. Hinsichtlich der Basisinformationen verneint der BGH einen konkreten Zusammenhang zwischen deren Übergabe und der Anlageentscheidung der Klägerin. Er weist dabei darauf hin, dass die Anteilrücknahme nach § 81 InvG alte Fassung (vergleiche nun §§ 98, 257 KAGB) nur dann ausgesetzt werden kann, wenn die Vertragsbedingungen des Fonds eine solche vorsehen. Informationen darüber, ob das in einem konkreten bzw. bei dem hier streitgegenständlichen Fonds der Fall war, enthalten die Basisinformationen naturgemäß nicht.
 
Die unterlassene Aufklärung war nach dem Grundsatz der „Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens” vorliegend auch kausal für die Anlageentscheidung. Dem steht auch nicht die Auffassung der Beklagten entgegen, dass ein Anleger mit der Information über die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilrücknahme kein zusätzliches Risiko verbinden, sondern eine solche Aussetzung als Schutzmaßnahme gegen Verluste des Fonds und damit gegen eine Wertminderung seiner Beteiligung begreifen würde, weshalb der Anleger bei der gebotenen Aufklärung in seiner Anlageentscheidung sogar bestärkt wird. Diese Auffassung, so der BGH, verkennt bereits im Ansatz, dass die Aussetzung der Anteilrücknahme - wie dargelegt - dem Liquiditätsinteresse des Anlegers entgegensteht.

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Meike Farhan

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