„Gebrauchten” Lebensversicherungsfonds droht das Aus

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In der Vergangenheit wurden zahlreiche geschlossene Beteiligungsfonds aufgelegt, die in ein Portfolio von auf dem Zweitmarkt erworbenen Lebensversicherungspolicen investieren. Dabei handelt es sich um Policen, die die Versicherungsnehmer ursprünglich vorwiegend zur Risikovorsorge abgeschlossen haben und die sie aus finanziellen Gründen vorzeitig kündigen bzw. verkaufen müssen. Die Fondsmodelle, die vorrangig als Blind-Pools konzipiert sind, sehen vor, solche „gebrauchte” Lebensversicherungspolicen in den USA, Großbritannien und vereinzelt auch in Deutschland zu erwerben. Der Verkäufer der Lebensversicherungspolicen bleibt zwar weiterhin regelmäßig versicherte Person, aber die fälligen Prämienzahlungen werden bis zum Ende der Laufzeit von dem Lebensversicherungsfonds übernommen. Die spätere Auszahlung der Versicherungssumme erfolgt jedoch an die Fondsgesellschaft und nicht an die versicherte Person. Die Vermögens- bzw. Kapitalanlage zielt auf ein frühzeitiges oder zumindest „planmäßiges” Ableben der Versicherten ab, da sich der Gewinn der Fondsgesellschaft bzw. Anleger aus der Differenz zwischen der Versicherungssumme im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls und dem Erwerb der gebrauchten Police einschließlich der noch zu entrichtenden Prämien ergibt.
 
Aus steuerlichen Gründen wird in der Praxis vorwiegend in reine Risikolebensversicherungen, die auf dem US- bzw. britischen Zeitmarkt gehandelt werden, investiert. Auf dem amerikanischen Zweitmarkt werden beispielsweise vor allem Term Life, Whole Life oder Universal Life Insurances bzw. ein Mix aus diesen Arten von Policen bevorzugt. Dabei wird anhand der Investitionskriterien des Fonds sichergestellt, dass es sich um Todesfallrisikoversicherungen handelt, die nach Möglichkeit keinen Sparanteil und gegebenenfalls nur eine Überschussbeteiligung gewähren.
 
Trotz zeitweisem Versuch der deutschen Finanzverwaltung solche geschlossene Fonds mit gebrauchten Lebensversicherungen als gewerblich einzuordnen, hat der Bundesfinanzhof (BFH) erst in seiner Entscheidung vom 11. Oktober 2012 bestätigt, dass Fonds, deren Haupttätigkeit sich auf den Erwerb und die anschließende Verwaltung des Portfoliobestands über die Fondslaufzeit beschränkt, nur vermögensverwaltend tätig sind. Der Einzug der Versicherungssumme im Todesfall geht gerade nicht über den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung hinaus, da diese Fondsmodelle in erster Linie auf Fruchtziehung gerichtete Tätigkeiten ausüben. Die Anleger der Fondsgesellschaften mit ausländischen Versicherungspolicen können somit die später ausgezahlten Versicherungssummen nach derzeitiger Rechtslage in Deutschland steuerfrei (ohne Progressionsvorbehalt) vereinnahmen. Bei US-Lebensversicherungen beispielsweise unterliegen die Erträge auch in den USA keiner Besteuerung.
 
Der Bundesrat hat am 11. Juli 2014 das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (nachfolgend „Kroatien-Begleitgesetz”) beschlossen. Das Kroatien-Begleitgesetz enthält neben den notwendigen Änderungen, die sich aus dem Beitritt Kroatiens zur EU ergeben, auch weitere Neuregelungen für Unternehmen, wie beispielsweise im Bereich der Umsatzsteuer, der Ertrag- und Grunderwerbsteuer. Dabei handelt es sich mit der verabschiedeten Steuerpflicht von gebraucht erworbenen Lebensversicherungsansprüchen um die bedeutendste Neuregelung, mit der sich die bestehenden Lebensversicherungsfonds auseinandersetzen müssen.
 
Mit der Neuregelung wird der Unterschiedsbetrag zwischen den ausgezahlten Versicherungssummen und den geleisteten Aufwendungen für den Erwerb und Erhalt des Versicherungsanspruchs (insbesondere Versicherungsprämien) beim späteren Eintritt des versicherten Risikos in Deutschland steuerpflichtig. Entsprechend der Gesetzesbegründung zielt die Neuregelung vor allem auf Anlagemodelle, die Versicherungsansprüche auf dem Zweitmarkt erworben haben. Solche Produkte verfolgen nämlich nicht den vorrangigen Zweck der Risikovorsorge bei Eintritt des Versicherungsfalls, sondern sie dienen vielmehr als attraktive wirtschaftliche Kapitalanlage. Durch den Aufbau eines Lebensversicherungsportfolios sollen die Versicherungsleistungen hinreichend sicher kalkuliert werden und stetig fließen. Daher sieht der Gesetzgeber keine Grundlage für den steuerfreien Bezug der ausgezahlten Versicherungssummen.
 
Durch die zukünftige Steuerpflicht der Versicherungsleistung erzielen die Anleger eines geschlossenen Lebensversicherungsfonds, die ihre Fondsbeteiligung im Privatvermögen halten, in Deutschland Einkünfte aus Kapitalvermögen, die grundsätzlich der Abgeltungsteuer in Höhe von pauschal 25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag (5,5 Prozent) und gegebenenfalls Kirchensteuer unterliegen.
 
Das verabschiedete Kroatien-Begleitgesetz wird wohl noch im Laufe dieses Jahres in Kraft treten, so dass die vorstehend dargelegte Neuregelung erstmals auf Versicherungsleistungen anzuwenden ist, die aufgrund eines nach dem 31. Dezember 2014 eingetretenen Versicherungsfalls auszuzahlen sind. Somit bleibt den betroffenen Lebensversicherungsfonds bzw. Anlegern nur wenig Zeit zu entscheiden, wie sie auf diese Rechtsänderung reagieren möchten.
 
Unter steuerlichen Aspekten wäre zu überlegen, die Lebensversicherungsfonds vorzeitig aufzulösen, denn der Verkauf bzw. die Kündigung des Portfoliobestands bis zum Ende des Jahres 2014 sollte keine Steuerfolgen auslösen. Alternativ wäre im Einzelfall zu untersuchen, ob die Einbringung bzw. der Verkauf der einzelnen Lebensversicherungspolicen unter Aufdeckung eventuell vorhandener Wertsteigerungen im Portfolio in bzw. an eine in- oder ausländische (Tochter-)Portfoliogesellschaft steuerlich zielführend erscheint. Die Anleger könnten bei einer entgeltlichen Übertragung von eingetretenen Wertsteigerungen steuerlich profitieren. Allerdings ist bei dieser Option die zukünftig anfallende weitere Steuerbelastung auf Ebene der Portfoliogesellschaft in die wirtschaftliche Entscheidung einzubeziehen, so dass regelmäßig einer ausländischen Gesellschaft der Vorzug zu geben ist.
 
Falls das Anlagemodell des Lebensversicherungsfonds nicht auf den Erwerb und das Verwalten des Portfolios beschränkt ist, sondern ein aktiver Handel mit den Policen betrieben wird bzw. für die Restlaufzeit des Fonds betrieben werden sollen, kann die Gestaltungsalternative der Zuordnung der Lebensversicherungen zu einer ausländischen, zum Beispiel US-amerikanischen oder britischen Betriebsstätte, steuerliche Vorteile bieten. In diesem Fall werden die Versicherungsauszahlungen voraussichtlich zwar in der ausländischen Betriebsstätte besteuert, aber die deutschen Anleger können diese ausländischen Einkünfte regelmäßig aufgrund der Regelungen in dem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen zwischen dem Betriebsstättenstaat (zum Beispiel USA oder Großbritannien) und Deutschland unter Progressionsvorbehalt steuerfrei vereinnahmen. Bei dieser Alternative ist jedoch entscheidend, dass im Ausland eine originär gewerbliche Tätigkeit in der Betriebsstätte ausgeübt wird und die Lebensversicherungen für Abkommenszwecke dieser Betriebsstätte zugeordnet werden können.
 
Schließlich können die Anleger auch einfach die zukünftige Steuerpflicht der ausgezahlten Versicherungssummen akzeptieren, denn die grundsätzliche steuerliche Belastung der Anleger mit der Abgeltungsteuer ist durchaus attraktiv. Die meisten auf dem Kapitalmarkt angebotenen Finanzprodukte bzw. Beteiligungen an offenen Fonds sehen nämlich für ihre Anleger dieselbe Steuerbelastung vor.
 
Da davon auszugehen ist, dass bereits ab dem Jahr 2015 auf dem Zweitmarkt erworbene, gebrauchte Lebensversicherungen in Deutschland der Besteuerung unterliegen werden, sollten die bestehenden geschlossenen Lebensversicherungsfonds gemeinsam mit ihren Anlegern die verbleibende Zeit nutzen, um zu entscheiden, wie sie der Neuregelung begegnen möchten. Dabei geht es vor allem um die Abwägung der steuerlichen Vor- und Nachteile der aufgezeigten Gestaltungsoptionen.

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Frank Dißmann

Diplom-Kaufmann, Steuerberater

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