Geringere Freibeträge bei der Erbschaft-/ Schenkungsteuer für Ausländer europarechtswidrig

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Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg hatte in seiner Entscheidung vom 28. Juli 2014 (Az. 11 K 3629/13) darüber zu entscheiden, ob der nach deutschem Recht zu gewährende Freibetrag im Falle einer Erbschaft, bei dem der Erbe beziehungsweise Erblasser in einem Drittland ansässig ist, geringer ist, als wenn der Erblasser / Erbe zur Zeit des Erbanfalls in Deutschland beziehungsweise in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union ansässig gewesen wäre. In dem Streitfall handelte es sich um schweizerische Staatsangehörige mit ausschließlichem Wohnsitz in der Schweiz. Der Ehemann besaß neben einem umfangreichen Finanzvermögen in der Schweiz sowohl in der Schweiz auch in Deutschland belegene Liegeschaften. Am 30. Mai 2010 verstarb der Ehegatte und die Ehefrau (Klägerin) erhielt im Rahmen der anschließenden Erbauseinandersetzung sowohl das Inländische als auch das schweizerische Nachlassvermögen. Das beklagte deutsche Finanzamt setzte gegen die Klägerin für den Erwerb von Todeswegen bezüglich der im Inland belegenen Grundstücke Erbschaftsteuer fest. Dabei unterwarf es zutreffend lediglich den im Inland belegenen Grundbesitz des Erblassers der beschränkten Besteuerung und berücksichtigte gemäß der im Streitjahr zutreffenden Regelung im Erbschaftsteuergesetz lediglich einen persönlichen Freibetrag für beschränkt steuerpflichtige Erben in Höhe von 2.000 Euro (§ 16 Abs. 2 ErbStG). Der hiergegen eingelegte Einspruch der Klägerin, in dem sie sich gegen die Nichtberücksichtigung des im Falle eines Inlandserwerbes dem Ehegatten zustehenden höheren Freibetrages in Höhe von 500.000 Euro wendet, wurde durch das Finanzamt im Ergebnis als unbegründet zurück gewiesen. In der anschließenden Klage führt die Ehefrau aus, dass die Versagung des höheren Ehegattenfreibetrages gegen die unionsrechtlich gewährte Kapitalverkehrsfreiheit verstößt und daher europarechtswidrig sei. Hierbei stützt sie sich auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 17. Oktober 2013 (Az. C-181/12), in der der EuGH ausführte, dass die Kapitalverkehrsfreiheit auch im Verhältnis zu in Drittstaaten ansässigen Bürgern (wie zum Beispiel der Schweiz) hinsichtlich der deutschen Erbschaft- / Schenkungsteuer einschlägig sei.
 
Im Verlauf des Klageverfahrens hat das Finanzamt einen weiteren Änderungsbescheid erlassen, in dem es die anfallende deutsche Erbschaftsteuer unter Berücksichtigung eines anteiligen, höheren Freibetrages herabgesetzt hat. Die Höhe des Freibetrags hat die Steuerbehörde durch eine Verhältnisrechnung ermittelt, in dem der Ehegattenfreibetrag von 500.000 Euro zwar in voller Höhe dem Grunde nach berücksichtigt wurde, bei der Steuerfestsetzung wurde der Freibetrag jedoch nur im Verhältnis des inländischen Erwerbs zum Gesamterwerb gewährt. Somit unterlagen die inländischen Liegenschaften im Ergebnis nur anteilig dem erhöhten Ehegattenfreibetrag. Die Klägerin hält diesen Änderungsbescheid im Hinblick auf den darin zugrundeliegenden Gedanken der „Fractional Residence Taxation” für nicht zutreffend und wünscht die Berücksichtigung des vollen Ehefreibetrages.
 
Der erkennende Senat des Finanzgerichtes Baden-Württembergs stimmt der Klägerin zu. Es ist nämlich nicht von einem persönlichen Freibetrag in Höhe von lediglich 2.000 Euro auszugehen, sondern der Klägerin steht der erhöhte Ehegattenfreibetrag in Höhe von 500.000 Euro in vollem Umfang zu. Damit bestätigt das Finanzgericht die Ansicht der Klägerin und sieht hierin einen Verstoß gegen die unionsrechtlich garantierte Grundfreiheit des freien Kapitalverkehrs. Wie bereits der EuGH in seiner Entscheidung vom 17. Oktober 2013 ausführte, handelt es sich bei vergleichbaren Erbschaften wie in dem Streitfall um eine Verletzung der im EU-Vertrag garantierten Kapitalverkehrsfreiheit, die auch gegenüber Drittstaaten wie der Schweiz Wirkung zeigt. Zwar hat der Gesetzgeber auf dieses EuGH-Urteil mit der Einführung einer Optionsveranlagung gemäß § 3 Abs. 2 ErbStG reagiert, jedoch kann diese Option nur von Erwerbern im Rahmen eines Erbfalls gewählt werden, wenn er selbst oder der Erblasser zur Zeit seines Todes seinen Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat hatte, auf den das Abkommen über die Europäische Wirtschaftsunion (EWR) anwendbar ist. Bei einer Ansässigkeit in einem Drittland wie der Schweiz ist diese Option jedoch nicht denkbar, da das Land weder zur EU noch zum EWR gehört. Diese Option führt jedoch aus Sicht des Finanzgerichtes zu keiner anderen europarechtlichen Beurteilung des Streitfalls.
 
Schließlich ist es aus Sicht des Finanzgerichtes nicht zutreffend, dass der höhere Ehegattenfreibetrag nur anteilig im Verhältnis des Inlands- zum Gesamtvermögen zur Anwendung kommt.
 
Der Senat hat die Revision zugelassen, da offensichtlich Vertreter der deutschen Finanzverwaltung der Ansicht sind, dass die Anwendung eines ungekürzten Freibetrages, wie beispielsweise beim Ehegattenfreibetrag für Steuerausländer, die lediglich nur mit ihrem Inlandsvermögen der deutschen Besteuerung unterliegen, zu einer Schlechterstellung gegenüber reinen Inlandsachverhalten führt. Vor diesem Hintergrund bleibt sowohl die anstehende Revisionsentscheidung als auch die sich daraus ergebene Reaktion des deutschen Gesetzgebers abzuwarten.

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Frank Dißmann

Diplom-Kaufmann, Steuerberater

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