Landgericht München entscheidet über Aufklärungspflicht in Bezug auf Innenhaftungsrisiko nach §§ 30, 31 GmbHG analog bei geschlossenem Fonds in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG

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Das Landgericht München hat mit Urteil vom 19.12.2014 (Az. 3 O 7105/14) unter anderem entschieden, dass ein Anspruch auf Schadensersatz eines Anlegers wegen Fehlberatung beim Erwerb einer Beteiligung an einem geschlossenen Fonds in der Rechtsform der GmbH & Co. KG deswegen begründet sein kann, wenn der Anleger nicht über das Innenhaftungsrisiko §§ 30, 31 GmbHG analog aufgeklärt wurde. Das Innenhaftungsrisiko beschreibt dabei das Risiko, dass bei einer GmbH & Co. KG eine Rückzahlung von Auszahlungen an Kommanditisten, denen keine gleichwertigen Gegenleistung gegenüberstehen, nach §§ 30, 31 GmbHG analog an die Kommanditgesellschaft gefordert werden kann, wenn die Komplementär-GmbH materiell unterkapitalisiert ist oder dies durch solche Auszahlungen wird.
 
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: 
Die Klägerin hatte sich 2006 an vier Schiffsgesellschaften in der Rechtsform einer deutschen GmbH & Co. KG beteiligt. Die Klägerin war von der Beklagten, einer Bank, beraten worden, wobei die Beratung auf Grundlage eines zugehörigen Verkaufsprospekts erfolgte. In diesem Prospekt war kein ausdrücklicher Hinweis auf das Innenhaftungsrisiko zu finden. Dazu, ob durch die Beklagte eine Aufklärung der Klägerin über das Innenhaftungsrisiko mündlich im Beratungsgespräch oder anderweitig – d.h. über den Prospekt hinaus – vorgenommen wurde, war in dem Rechtsstreit nichts vorgetragen worden.
 
Die Klägerin begehrte in ihrer Klage unter anderem die Rückzahlung des veranlagten Betrages nebst Zinsen als Schadensersatz wegen Fehlberatung beim Erwerb der Beteiligungen, weil sie von der Beklagten nicht über das Innenhaftungsrisiko §§ 30, 31 GmbHG analog aufgeklärt wurde.
Das Gericht hat diesem Antrag im Wesentlichen stattgegeben. So ist beim Vertrieb von Anteilen an einem geschlossenen Fonds in der Rechtsform der GmbH & Co. KG nach Ansicht des Landgerichts München – zumindest bei einem Anlagekonzept, das einen (teilweisen) Rückfluss von Einlagen an Anleger vorsieht - auf die sog. Innenhaftung des Kommanditisten gemäß §§ 30, 31 GmbHG (bzw. daraus resultierende Risiken) hinzuweisen. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass eine eventuelle Rückzahlungspflicht aufgrund der Innenhaftung nicht auf die im Handelsregister eingetragene Haftsumme – die grundsätzlich die Obergrenze für die Außenhaftung eines Kommanditisten darstellt - beschränkt ist. Auch handelt es sich bei dem Innenhaftungsrisiko nach Auffassung des LG München um ein wesentliches Risiko. Bei Konzepten wie dem vorliegenden sei für den Anleger ausschlaggebend, ob er an ihn zurückfließende Beträge behalten kann oder er Vorkehrungen treffen muss, falls sich das Innenhaftungsrisiko realisiert und er diese Beträge zurückzahlen muss. Zudem sei das Innenhaftungsrisiko gerade nicht allgemein bekannt. Daher sei es kein Risiko allgemeiner Natur, auf das grundsätzlich nicht konkret hinzuweisen gewesen wäre. Im vorliegenden Fall wurde beim Anleger nach Auffassung des Gerichts fälschlicherweise der Eindruck erweckt, dass sich seine Haftung in jedem Fall lediglich auf seine Haftsumme beschränke. Dies deshalb, da zum einen im Verkaufsprospekt nicht ausreichend auf das Innenhaftungsrisiko hingewiesen wurde und darüber hinaus der Gesellschaftsvertrag im Hinblick auf das Innenhaftungsrisiko widersprüchliche Regelungen enthalte. Die beklagte Bank hätte somit bei der von ihr geschuldeten bankkritischen Prüfung des Verkaufsprospekts die vorgenannten Unvollständigkeiten bzw. Fehler erkennen können. Folglich traf sie nach Sicht des LG Münchens bei der gebotenen anlagegerechten Beratung eine Verpflichtung, über das Innenhaftungsrisiko aufzuklären.
 
Ausblick
Das Urteil des Landgerichts München wirft viele offene Fragen auf. Dies vor allem deshalb, da die Entscheidung stark auf der Gesamtschau eines individuellen Verkaufsprospekts basiert und es fraglich ist, inwieweit die Entscheidung verallgemeinerungsfähig ist. Auch ist zu beachten, dass eine höchstgerichtliche Bestätigung zu diesem Sachverhalt nicht vorliegt.

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Sebastian Schüßler

Rechtsanwalt, Leiter Taskforce Digitale Transformation Geschäftsfeld Rechtsberatung

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