Haftung und Haftungsausschluss – Die stiefmütterliche Behandlung des Herzstücks des Kaufvertrages

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Das Herzstück eines Kaufvertrages ist klassischerweise das Haftungsregime. Diese Regelungen sind zumeist auch zentraler Gegenstand der Diskussionen in Kaufvertragsverhandlungen. Der Käufer wird hier bestrebt sein, sämtliche – objektiv und subjektiv – wertbildende Faktoren abzusichern. Der Verkäufer hingegen wird die Haftung ausschließen wollen und den Käufer auf seine Prüfungsmöglichkeit vor Vertragsschluss im Rahmen der Due Diligence verweisen. Wenngleich dieses Spannungsverhältnis stets besteht, kommt es doch auf die exakte Formulierung an, um das Gewollte im Kaufvertrag auch rechtssicher zu vereinbaren. Daneben ist die Kenntnis der Rechtslage zu Offenlegungs- sowie Prüfungspflichten nötig. Das Bewusstsein herfür wollen wir nachstehend schärfen. 
 
Die gesetzliche Grundlage ist die kaufvertragliche Haftung, §§ 434ff. BGB. Vertragliche Regelungen sind stets ein „Derivat” der gesetzlichen Regelungen zu Mangel, Haftung, Haftungsausschluss, Haftungsbeschränkung und Beweislast.
 
Es kann nicht eindringlich genug betont werden, dass auch beim ausführlichsten Haftungsausschluss neben der vertraglich vereinbarten Haftung die Haftung wegen „arglistige Täuschung” mitschwingt. Diese kann nicht wirksam ausgeschlossen werden - § 444 BGB: 
 
„Auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Verkäufer nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat.” 
 
Denn trotz jedes Haftungsausschlusses besteht die gesetzliche Pflicht des Verkäufers, dem Kaufinteressenten alles ungefragt offen zu legen, was objektiv für dessen Kaufentscheidung von Bedeutung sein kann und dessen Mitteilung dieser nach der Verkehrsauffassung erwarten durfte. Die Arglist beginnt dabei nicht, wie man meinen mag, erst mit einer verwerflichen Gesinnung oder Täuschungsabsicht. Bereits Erklärungen „ins Blaue hinein” können diese begründen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Rechtslage zur Arglist wie folgt: 
 
„(…) ein Verkäufer verschweigt einen offenbarungspflichtigen Mangel bereits dann arglistig, wenn ihn mindestens für möglich hält und gleichzeitig damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragspartner den Fehler nicht kennt und bei Kenntnis den Kaufvertrag nicht oder mit dem vereinbarten Inhalt nicht geschlossen hätte.” (BGH, Urteil vom 15. April 2015, Az. VIII ZR 80/14)
 
 
Die Haftung wegen arglistigem Verschweigens beginnt also relativ früh. Aber wann genau und was kann der Verkäufer dagegen tun? Formulierungen wie „gekauft wie gesehen“ oder „wie der Kaufgegenstand steht und liegt” helfen leider nur bedingt: Erstere Formulierung greift grundsätzlich nur bei Mängeln, die der Käufer bei eigener Besichtigung ohne Hilfe von Sachverständigen hätte feststellen können. Letztere wird unter dem Hinblick auf Untersuchungspflichten und die größere Sachnähe des Verkäufers in der Rechtsprechung stets kritisch gesehen. Man sollte und muss sich bei der Formulierung eines „wasserdichten” Haftungsausschlusses schon größere Mühe geben. In der Praxis ist festzustellen, dass Verkäufer sich dessen oft nicht bewusst sind. So wird munter auf diese Floskeln zurückgegriffen und dem Käufer oft nur ein rudimentärer Einblick in Unterlagen gewährt. Dies kann (auch noch nach Jahren) zu einem bösen Erwachen führen – selbst wenn man kurzfristig vielleicht einen Verhandlungserfolg verbuchen kann. 
 
Dieser Befund drängt die Frage auf, ob eine korrespondierende Pflicht des Käufers besteht, sich vor Erwerb über den Kaufgegenstand zu informieren? Jedenfalls nach dem Gesetz besteht eine solche Pflicht gegenüber dem Verkäufer nicht. Der Käufer darf sich grundsätzlich darauf verlassen, dass ihm alles ungefragt offen gelegt wird und zwar so, dass er alles richtig beurteilen kann. Ein Mitverschulden muss er sich allerdings zurechnen lassen – wenn er die Möglichkeit der Untersuchung hat, dann muss er diese auch sorgfältig nutzen. Als Freibrief für den Verkäufer darf dies jedoch nicht gesehen werden:
 
„Ein verständiger und redlicher Verkäufer darf sich darauf verlassen, dass bei einer Besichtigung ohne weiteres erkennbare Mängel auch dem Käufer ins Auge springen werden, weshalb eine gesonderte Aufklärung nicht erforderlich ist. Konstellationen, in denen dem Käufer auf andere Weise die Möglichkeit gegeben wird, sich Kenntnis von einem Mangel des Kaufobjekts zu verschaffen, stehen der Besichtigungsmöglichkeit allerdings nicht ohne weiteres gleich. Mit Blick auf übergebene Unterlagen, aus denen sich die Mangelhaftigkeit der Sache gibt, ist eine Gleichstellung nur dann gerechtfertigt wenn ein Verkäufer aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer die Unterlagen vor seiner Kaufentscheidung auch durchsehen wird.” (BGH, Urteil vom 12. November 2010, Az. V ZR 181/09)
 
An diesem Urteil zeigt sich, dass eine Offenlegung kurz vor Vertragsabschluss nicht unbedingt die klügste Entscheidung ist, wenn man die Haftung ausschließen will.
 
Der Grad der Untersuchungspflichten des Käufers kann selbstverständlich im Kaufvertrag oder vorvertraglichen Vereinbarungen (zum Beispiel LOIs) geregelt werden. Dieser Möglichkeit wird jedoch leider viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt – die Regelungen erschöpfen sich meist in floskelhaften Formulierungen, die dem Gewollten selten gerecht werden.
 
Exemplarisch noch folgendes Beispiel: Der Wortlaut der „Gewährleistung” erfasst Ansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsschluss, das heißt auch solche wegen mangelhafter Offenlegung, nicht. Diese werden 
 
„nämlich gemeinhin nicht als ‚Gewährleistungsansprüche‘ verstanden.” (OLG München, Urteil vom 26. Juli 2006, Az. 7 U 2128/06) 
 
Daran zeigt sich, dass man durch Formulierungsschwächen möglicherweise ein ungewolltes Ergebnis erzielt.
  
Wie anfangs erwähnt, kann man bei der Ausgestaltung der Regelungen im Kaufvertrag nicht vor- und umsichtig genug sein – bei Verwendung von Floskeln und Formulierungen „aus der Schublade” ist die Gefahr groß, dass die Regelungen nicht ausreichen oder das Gewollte gar nicht treffen. Hier hilft nur die sorgfältige Formulierung auf der Grundlage der umfangreichen Kasuistik zu Offenlegungspflichten und dem Untersuchungsmaßstab des Käufers. 

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Harald Reitze, LL.M.

Rechtsanwalt, Attorney at Law (New York)

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