Grunderwerbsteuer beim Erwerb eines Grundstücks im Zwangsversteigerungsverfahren

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Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich in seiner gestern veröffentlichten Entscheidung vom 15. Juli 2015 (Az. II R 11/14) mit der Grunderwerbsteuerbelastung auseinander gesetzt, die beim Erwerb eines Grundstücks durch den Nießbrauchsberechtigten im Zwangsversteigerungsverfahren anfällt. Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
 
Die Klägerin war eine im Ausland errichtete juristische Person, zu deren Gunsten ein Nießbrauch an einem dem S gehörenden, inländischen Grundstück eingetragen war. Wegen diverser Ansprüche gegen S betrieb ein Kläger die Zwangsversteigerung dieses Grundstücks, dass die Klägerin als Meistbietende für einen Betrag von 22.600 Euro unter der Bedingung erhalten hat, dass das bestehende Nießbrauchsrecht zu ihren Gunsten bestehen blieb. Das zuständige Amtsgericht bezifferte aufgrund gesetzlicher Vorgaben den Ersatzwert des Nießbrauchsrechts auf 2,84 Millionen Euro. Das zuständige Finanzamt setzte gegen die Klägerin eine Grunderwerbsteuer in Höhe von 100.191 Euro fest. Dabei ging es davon aus, dass das zu Gunsten der Klägerin bestehen bleibende Nießbrauchsrecht eine Gegenleistung im Sinne des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) sei, so dass die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer neben dem Meistgebot von 22.600 Euro auch den Wert des Nießbrauchsrechts (2,84 Millionen Euro) umfasse.
 
Da sowohl der Einspruch gegen den Grunderwerbsteuerbescheid des Finanzamtes sowie die im Anschluss eingereichte Klage bei dem zuständigen Finanzgericht erfolglos blieb, beantragt die Klägerin nun im Rahmen der Revision die Vorentscheidung einschließlich der Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Grunderwerbsteuer auf lediglich 791 Euro herabzusetzen.
 
Der BFH weist die Revision als unbegründet zurück und vertritt die Ansicht, dass sich die Grunderwerbsteuer im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens sowohl nach dem Meistgebot als auch nach den Rechten, die nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben (hier: Nießbrauchsrecht) gemäß § 8 Absatz 1 in Verbindung mit § 9 Absatz 1 Nr. 4 GrEStG bemisst. Auf Grund der Regelungen im Zwangsversteigerungsrecht erwirbt ein Erwerber im Falle bestehen bleibender Rechte auch das Eigentum an dem unverändert mit diesen Rechten belasteten Grundstück. Dies gilt auch in den Fällen, in denen zum Beispiel der Nießbrauch an einem Grundstück bereits dem späteren Käufer zusteht. Das Nießbrauchsrecht an einem fremden Grundstück erlischt nicht dadurch, dass der Berechtigte das Eigentum an dem Grundstück erwirbt. Hat der Erwerber das Grundstück mit einem bestehen bleibenden Recht erworben, ist durch diese Belastung ein Teil des nach den Versteigerungsbedingungen zu erbringenden Kaufpreises ersetzt worden. Folglich ist der Nießbrauch als Zuzahlungsbetrag Teil der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusehen. Die Behandlung eines bestehenden Nießbrauchrechtes als Wert der Gegenleistung kann nicht dadurch beeinflusst werden, dass das bestehen bleibende Recht demjenigen zusteht, der das Grundstück ersteigert hat. Es kann dem nicht entgegengehalten werden, dass ein solcher Nießbrauch für den Erwerber des Grundstücks keine wirtschaftliche Belastung darstellt.
 
Diese Sichtweise wird nach Ansicht des BFH auch nicht durch die Regelung im § 9 Absatz 2 Nr. 2 Satz 2 GrEStG beseitigt, nach der zur Gegenleistung nicht die auf dem Grundstück ruhenden dauernden Lasten gehören. Dauernde Lasten sind solche Belastungen des Grundstücks, mit deren Wegfall der Grundstückseigentümer in absehbarer Zeit nicht rechnen kann und die im rechtsgeschäftlichen Verkehr zu einer dauernden Wertminderung des Grundstücks selbst führen. Dauernde Lasten können unter anderem bestehende Grunddienstbarkeiten, wie zum Beispiel das Wegerecht, sein. Dem gegenüber handelt es sich um keine dauernden Lasten, wenn die bestehenden Belastungen abzulösen wären, wenn das Grundstück sofort lastenfrei auf den Erwerber übergehen würde. Hierzu zählt der BFH unter anderem auch den Nießbrauch, selbst wenn er zu Gunsten einer juristischen Person bestellt ist. Ursächlich hierfür ist die Argumentation, dass der zu Gunsten der Klägerin bestellte Nießbrauch nicht dauernd im Sinne des Gesetzes besteht, da nicht von einem dauernden Fortbestand einer juristischen Person ausgegangen werden kann. Somit besteht keine Möglichkeit, das Nießbrauchsrecht zunehmend zu berücksichtigen.
 
Im Ergebnis ist bei Grundstückserwerben im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens zu beachten, dass die Grunderwerbsteuer sich zwar grundsätzlich nach dem „Meistgebot” im Sinne des § 1 Absatz 1 Nr. 4 GrEStG bemisst. Allerdings gelten als Gegenleistung nicht nur das gezahlte Meistgebot, sondern auch eventuelle Rechte, die nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben. Insofern sollten vor einem entsprechenden Grundstückserwerb die bestehenden schuldrechtlichen Beziehungen eingehend untersucht werden.

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Frank Dißmann

Diplom-Kaufmann, Steuerberater

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