Gitanas Nausėda zum litauischen Präsidenten gewählt – Freie Wirtschaftszonen bleiben attraktiv

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veröffentlicht am 28. Mai 2019 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Man kann es durchaus als das Ende einer Ära bezeichnen: Seit zehn Jahren war Präsidentin Dalia Grybauskaitė im Amt – am vergangenen Sonntag wählte Litauen nach Ablauf von zwei möglichen Amtszeiten ein neues Staatsoberhaupt. 

 

 

Sowohl in Litauen als auch im Rest von Europa wurde das Ergebnis mit Spannung erwartet. Unter Grybauskaitės Ägide entwickelte sich das kleine Land zu einem zuverlässigen und international hoch angesehen Partner auf vielen Gebieten. Durchaus im Kontrast zu einigen seiner Nachbarn trieb Litauen die weitere Integration in EU und NATO voran. Grybauskaite nutzte immer wieder die Gelegenheit, die Bedeutung des Landes in beiden Bündnissen hervorzuheben – auch bedingt durch ein angespannteres Verhältnis zu Russland nach Ausbruch des Ukraine-Konflikts im Jahr 2014.


Wirtschaftlich machte sich dieser Kurs dann doch bezahlt. Die Finanzkrise im Jahr 2009 traf Litauen wie kaum ein anderes europäisches Land. Doch die ergriffenen, teils drastischen Maßnahmen (u.a. Lohnsenkungen von 25 Prozent) fruchteten. Die Wirtschaftsleistung ist heute mehr als doppelt so hoch wie vor dem EU-Beitritt im Jahr 2004. Die Arbeitslosigkeit sinkt seit vielen Jahren und liegt aktuell bei ca. 6 Prozent.

 

Die Macht des litauischen Präsidenten

Neben repräsentativen Funktionen hat der litauische Präsident weitreichende innen- und außenpolitische Macht. In bestimmten Fällen darf er die Unterzeichnung von verabschiedeten Gesetzen des litauischen Parlaments (Seimas) verweigern und sie an den Seimas zurückverweisen. In der Vergangenheit wurde bereits mehrfach von diesem Recht Gebrauch gemacht, u.a. im Jahr 2016, als eine Neufassung des litauischen Arbeitsgesetzbuches noch einmal vom Seimas überarbeitet werden musste. Die besondere Stellung des litauischen Präsidenten zeigt sich aber vor allem nach außen: Er entscheidet verfassungsgemäß über grundlegende Fragen der Außenpolitik und führt sie zusammen mit der Regierung durch.

 

Der Neue

Mit knapp zwei Dritteln der Stimmen gewann im entscheidenden zweiten Wahlgang am vergangenen Sonntag der 55-Jährige Gitanas Nausėda die Wahl um dieses Amt. Nausėda war bis vor kurzem Chefökonom der größten Privatbank Litauens (einer Tochter der schwedischen Bank SEB). Zuvor war er bereits in leitender Funktion bei der litauischen Zentralbank beschäftigt.

 

Ausgerechnet der ehemalige Banker Nausėda setzte sich im Wahlkampf für einen stärkeren Wohlfahrtsstaat ein und dafür, einen höheren Teil des immer weiter steigenden Bruttoinlandsprodukts abzuschöpfen. Derzeit liegt die Staatsquote in Litauen unter 35 Prozent – nur Irland weist in der EU eine noch geringere Quote auf. Grund für Nausėdas Pläne ist eine immer größere Kluft zwischen Armen und Reichen. In der Region um die Hauptstadt Vilnius liegen die Einkommen bereits über dem EU-Durchschnitt, in vielen anderen Regionen weit darunter.

 

Das könnte sich für Unternehmen ändern

Unternehmen profitierten in Litauen bisher von äußerst niedrigen Steuern. Auch wenn der Präsident innenpolitisch in diesem Bereich keine Kompetenzen besitzt, hat sein Wort dennoch Gewicht. So könnte sich diese Niedrigsteuerpolitik nun allmählich aufweichen, um Nausėdas Pläne finanzieren zu können. Ausländische Investoren, die den Schritt nach Litauen planen, sollten diese Situation im Auge behalten. Würde sich mittel- bis langfristig tatsächlich eine Abkehr vom litauischen „Flat Tax"-System andeuten, sollten Unternehmen schnell reagieren. Eine Möglichkeit, bei der Investition in Litauen auch in Zukunft von niedrigen Steuern zu profitieren, wäre die Investition in einer von Litauens sechs Freien Wirtschaftszonen – ausländischen Investoren bieten sie u.a. eine auf zehn Jahre garantierte Befreiung von der Körperschaftsteuer (sowie anschließend der halbe Körperschaftsteuersatz über die sechs Folgejahre). Selbst wenn es zu Steuererhöhungen käme, würde sich der Investor über dieses Modell langfristig niedrige Körperschaftsteuersätze sichern.

 

Darüber hinaus sprach sich Nausėda neben der weiteren Anpassung an westliche Standards unter bestimmten Voraussetzungen auch für eine Wiederannäherung gegenüber Russland aus. Litauen könnte hierdurch seine ehemalige Bindegliedwirkung zwischen Ost und West zurückgewinnen.

 

Und noch etwas könnte den Präsidentenwechsel insbesondere für deutsche Unternehmen interessant machen: Nausėda forschte in den 90er Jahren mehrere Jahre in Mannheim für seine Doktorarbeit. Er spricht Deutsch – sein Verhältnis zu Deutschland gilt als ausgezeichnet und immer wieder schwärmte er in Interviews von der Bundesrepublik. Waren in den vergangenen Jahren vor allem die nordischen Staaten zum Vorbild für Litauen erklärt worden, könnte sich nun ein noch engeres Verhältnis zu Deutschland anbahnen.

  

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