Bitcoin & Co. – Ein Bilanzierungsvakuum?

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Status-quo der Bilanzierung von Krypto-Assets nach IFRS

Virtuelle Währungen – wie Bitcoin als deren prominentester Vertreter – werden nicht nur in den Medien häufig diskutiert, sondern finden zunehmend Einzug in die Unter­nehmens­welt. Daher stellt sich die Frage, wie diese und weitere sogenannte Krypto-Assets bilanziell zu behandeln sind. Die IFRS liefern hierzu bislang keine spezi­fischen Regelungen. Jedoch beschäftigte sich das IFRS Interpretations Committee (IFRS IC) im Juni 2019 mit dieser Thematik und veröffentlichte hierzu eine Agenda-Ent­scheidung

 

     

    Einführung 

    Krypto-Assets bieten eine neuartige Art und Weise zur Gestaltung von Transaktionen, ohne dass hierfür Vertrauen in dritte Parteien benötigt wird. Anstatt der bisherigen Abwicklung durch eine zentrale Institution (beispielsweise eine Bank), werden diese dezentral über einen kryptografisch abgesicherten (Konsens-)Algorithmus durchgeführt (beispielsweise mittels Blockchain-Technologie). Die Ausführung der Transaktionen erfolgt dabei nahezu in Echtzeit.  Aufgrund dieser Innovation verbreiteten sich Krypto-Assets schlagartig. Alleine im Zeitraum zwischen 2017 und 2019 hat sich die Anzahl solcher virtueller Vermögenswerte nahezu verdoppelt. Krypto-Assets existieren in unterschiedlichen Ausgestaltungen und mit unterschiedlichen Zwecken, von denen auch die bilanzielle Behandlung abhängig sein kann. Daher ist zunächst eine Klassi­fizierung der unterschied­lichen Arten von Krypto-Assets notwendig.

     


    KATEGORISIERUNG VON KRYPTO-ASSETS

    Obgleich es bislang an einer einheit­lichen Definition von Krypto-Assets sowie seiner Untergruppen fehlt, hat sich mittlerweile eine vorherrschende Meinung über deren Einordnung gebildet. Hiernach werden Krypto-Assets zunächst in sog. Coins bzw. Kryptowährungen einerseits und sog. Token andererseits unterschieden. Coins operieren üblicherweise auf einer eigenen Plattform bzw. Blockchain mit der Intention dabei als Zahlungsmittel zu fungieren. Token operieren i.d.R. hingegen nicht über eine eigene Blockchain. Deren Funktio­nalität geht oftmals über die eines reinen Zahlungs­mittels hinaus, sodass mit dem

    Besitz eines Token verschiedene Rechte, wie beispielsweise ein Mitbestimmungsrecht bei Abstimmungen oder der Anspruch auf Erhalt einer anteiligen Vergütung, einhergehen können.

     

    Grundsätzlich können Token wiederum in drei Unter­gruppen eingeordnet werden: Asset-backed Token, Utility Token und Security Token. Asset-backed Token sind mit physischen oder sonstigen Ressourcen (z.B. Gold) hinter­legte Token, deren Wert sich aus dem anteilig für sie hinterlegtem Vermögenswert ableitet. Im Gegensatz dazu ermöglichen Utility Token dem Nutzer den Zugang zu einem Produkt (oder einer Dienstleistung), wobei sich deren Wert ent­sprechend aus der Nachfrage nach diesem Produkt (oder Dienstleistung) bestimmt. Mit dem Besitz eines Security Tokens erhält der Halter üblicherweise einen wirtschaftlichen, jedoch nicht rechtlichen Anteil an einem Unternehmen, zumeist in Form einer anteiligen Vergütung.

         

      

    BILANZIERUNG NACH IFRS

    Nachdem in den bestehenden IFRS-Normen keine spezifischen Regelungen zum Umgang mit Krypto-Assets enthalten sind, widmete sich das IFRS IC diesem Thema im Rahmen seiner Juni-Sitzung. Hierbei stand die Untergruppe der klassischen Kryptowährungen/Coins im Fokus. Dennoch lassen sich aus den Ausführungen auch Schlussfolgerungen für weitere Krypto-Assets ableiten.


    (1) Ansatz als Zahlungsmittel oder Zahlungsmitteläquivalente

    Zumindest für Krypto­währungen im klassischen Sinne erscheint eine Klassifizierung als Zahlungsmittel bzw. Zahlungs­mitteläquivalent zunächst naheliegend. Gemäß IAS 7.6 umfassen Zahlungsmittel Barmittel und Sichteinlagen. Da es sich bei Krypto-Assets nicht um ein Sichtguthaben bei Kreditinstituten handelt, scheidet eine Einordnung als Sichteinlage aus. Barmittel hingegen lassen sich im Wesentlichen in Barguthaben in Euro oder ausländische Währungen unterteilen. Dabei könnte die Bezeichnung „ausländische Währung“ ggf. weiter ausgelegt werden und somit auch virtuelle Währungen umfassen. Da jedoch nur einige Krypto-Assets und diese nur von einer beschränkten Anzahl an Staaten anerkannt werden, scheidet eine Klassifizierung als Zahlungsmittel laut IFRS IC in Einklang mit der herrschenden Literaturmeinung aus.


    Zahlungsmitteläquivalente sind nach IAS 7.6 kurzfristige hochliquide Finanzinvestitionen, die jederzeit in festgelegte Zahlungsmittelbeträge umgewandelt werden können und nur unwesentlichen Werte­schwankungs­risiken unterliegen. Das Kriterium der hohen Liquidität kann ggf. für manche Coins oder Token als erfüllt angesehen werden. Allerdings werden Krypto-Assets zu teils sehr unterschiedlichen Bewertungen an den verschiedenen Onlinebörsen gehandelt und unterliegen überwiegend starken Wert­schwankungen. Eine Klassifizierung als Zahlungsmittel­äquivalent erscheint daher nicht sachgerecht, was auch durch das IFRS IC bestätigt wurde.


    Eine Ausnahme könnten unter Umständen jedoch sog. Stable-Coins darstellen, welche an einen stabilen Vermögenswert (z.B. den US-Dollar) gebunden und üblicherweise im Verhältnis 1:1 mit diesem hinterlegt sind.

     

    (2) Ansatz als Finanzinstrumente

    Für gehaltene Bestände von Krypto-Assets käme auch eine Einstufung als finanzieller Vermögenswert in Betracht. Nach IAS 32.11 umfassen solche Vermögenswerte zum einen liquide Mittel, als welche Krypto-Assets wie zuvor erläutert i.d.R. jedoch nicht einzustufen sind. Zudem zählen folgende Instrumente als finanzielle Vermögenswerte:

    • ein Eigenkapitalinstrument eines anderen Unternehmens;
    • ein vertragliches Recht darauf, flüssige Mittel oder andere finanzielle Vermögenswerte von einem anderen Unternehmen zu erhalten; oder finanzielle Vermögenswerte oder finanzielle Verbindlichkeiten mit einem anderen Unternehmen zu potenziell vorteilhaften Bedingungen auszutauschen;
    • einen bestimmten Vertrag, der in den eigenen Eigenkapitalinstrumenten des Unternehmens erfüllt wird oder werden kann.

    Die Einordnung als Eigenkapital­instrument eines anderen Unter­nehmens scheidet sowohl für Coins als auch für Token üblicherweise aus. Gehaltene Kryptowährungen stellen zudem i.d.R. aufgrund des Fehlens eines vertraglichen Rechts für den Halter auch keinen Vertrag im Sinne der IFRS dar. Entsprechend entschied das IFRS IC, dass ein gehaltener Bestand an Krypto­währungen nicht als finanzieller Vermögenswert einzuordnen ist. Für bestimmte Token könnte sich ggf. jedoch eine abweichende Einschätzung ergeben.

     

    (3) Ansatz als Vorräte

    Laut IAS 2.6 sind Vorräte Vermögenswerte, die entweder zum Verkauf im normalen Geschäftsgang gehalten werden, die sich in der Herstellung für einen solchen Verkauf befinden, oder die dazu bestimmt sind, bei der Herstellung oder der Erbringung von Dienstleistungen verbraucht zu werden. Die beiden letztgenannten Kriterien können dabei bereits im Vorhinein ausgeschlossen werden. Entsprechend hängt eine Einordnung in den Anwendungsbereich von IAS 2 von der Einschätzung, ob die Krypto-Assets zum Verkauf gehalten werden und ob dies im Rahmen der normalen Geschäftstätigkeit geschieht, und somit von der Absicht des Unternehmens ab.

     

    Wurden diese zu Absicherungs- oder Spekulations­zwecken erworben, scheitert eine Klassifizierung als Vorräte i.d.R., da dies für die meisten Unternehmen nicht Teil der üblichen Geschäftstätigkeit sein dürfte. Ebenso scheitert eine Anwendung von IAS 2 bei Token, die gehalten werden, um die damit verbundenen Rechte bzw. Funktionen zu nutzen. Nur sofern Krypto-Assets tatsächlich zum Verkauf im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit gehalten werden, ist eine Anwendung von IAS 2 sachgerecht.

     

    Die Bewertung der Krypto-Assets erfolgt dann grundsätzlich zum niedrigeren Wert aus Anschaffungskosten und Netto­veräußerungswert. Eine Bilanzierung zum beizulegenden Zeitwert (abzgl. Veräußerungskosten) ist jedoch dann wahlweise gestattet, wenn es sich beim Unternehmen um einen Warenmakler/-händler handelt, dessen Geschäftsmodell darauf beruht, aus kurzfristigen Preisschwankungen oder Makler-/Händlermargen Gewinn zu erwirtschaften (IAS 2.3 (b) i.V.m. IAS 2.5).
      

    (4) Ansatz als immateriell Vermögenswerte

    Abgesehen von den eben beschriebenen Fällen, in denen IAS 2 zur Anwendung kommt, scheitern die bislang diskutierten Ansätze für die meisten Krypto-Assets jedoch. Somit verbleibt die Behandlung als immaterieller Vermögenswert. Ein solcher ist definiert als ein identifizierbarer, nicht monetärer Vermögenswert ohne physische Substanz. Krypto-Assets erfüllen sowohl die Voraussetzung der Identifizierbarkeit als auch die der nicht vorhandenen physischen Substanz.

     

    Das IFRS IC befand in seiner Stellungnahme zudem, dass Kryptowährungen nicht als monetäre Vermögens­werte einzustufen sind, da sie dem Inhaber kein Recht auf Erhalt einer festen oder bestimmbaren Anzahl von Währungseinheiten geben (IAS 21.16). Dies gilt u.E. analog auch für die meisten Token. Demnach sind die Krypto-Assets, auf die keine der zuvor diskutierten Bilanzierungsmöglichkeiten anwendbar sind, als immaterielle Vermögenswerte nach IAS 38 zu behandeln.

     

    Bezüglich der Folgebewertung immaterieller Vermögenswerte besteht nach IAS 38 ein Wahlrecht, entweder das Anschaffungskostenmodell oder das Neubewertungsmodell zu verwenden. Die Anwendung des Neube­wertungsmodells ist jedoch auf Fälle beschränkt, bei denen der beizulegende Zeitwert unter Bezugnahme auf einen aktiven Markt bemessen werden kann (IAS 38.75). Krypto-Assets mit einem beo­bachtbaren Marktpreis können wahlweise also zu historischen Kosten oder zum beizulegenden Zeitwert bewertet werden. Für die­jenigen Kryptowährungen, die aktuell ein hohes Handelsvolumen aufweisen und auch gegen ”echte” Währungen gehandelt werden (z.B. Bitcoin), dürfte das Bestehen eines aktiven Marktes zumeist gegeben sein.

     

     

    KRITISCHE WÜRDIGUNG

    Obwohl die Einschätzung des IFRS IC zur Bilanzierung von Kryptowährungen grundsätzlich in Einklang mit der herrschenden Literaturmeinung steht, finden sich auch einige kritische Stimmen bzgl. dieser Entscheidung. IAS 38 sei ursprünglich nicht für derartige Vermögenswerte entwickelt worden und hatte seine Intention vielmehr darin, die Bilanzierung von Vermögenswerten, die sich aus der Verwendung von Ressourcen zur Generierung von wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen, Lizenzen, Marken o.ä. ergeben, zu regeln. Dies entspricht nicht dem typischen Zweck von Krypto-Assets.

     

    Auch die Unternehmenspraxis kam bislang vielfach zu einer abweichenden Einschätzung bzgl. der Bilanzierung von Krypto-Assets. Entsprechend einer Untersuchung des IFRS IC selbst bilanzierten vor Herausgabe der Stellungnahme ca. zwei Drittel der Unternehmen ihre Krypto-Asset-Bestände nach den Regelungen zu Finanz­instrumenten (IAS 39 bzw. IFRS 9 oder über IAS 8) erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert.

     

     

    FAZIT 

    Das IFRS IC hat sich mit seiner Entscheidung, Kryptowährungen – sofern die restriktiven Anforderungen des IAS 2 nicht erfüllt werden – als immaterielle Vermögenswerte zu behandeln, klar positioniert. Dennoch bleibt deren bilanzielle Behandlung weiterhin alles andere als unumstritten und wird immer noch ausgiebig diskutiert. Die Komplexität der Thematik wird weiterhin dadurch erhöht, dass sich die Ausführungen des IFRS IC an den gängigsten Varianten von Krypto-Assets orientieren. Wie erläutert existiert jedoch eine Vielzahl an Funktionen und Ausgestaltungsformen, welche zu unterschiedlichen bilanziellen Einschätzungen führen könnten. Die Frage nach der sachgerechten Bilanzierung bleibt daher u.E. eine Einzelfallentscheidung.

     

    Neben der Frage nach der geeigneten Bilanzierungsmethodik wird auch der angemessene Ausweis von Krypto-Assets diskutiert. Vereinzelte Stimmen fordern bereits, einen eigenen Bilanzposten zu etablieren, um dem Ziel der Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen bestmöglich nachzukommen. Es bleibt daher spannend, welche Entwicklungen sich in Bezug auf die Bilanzierung von Krypto-Assets zukünftig noch ergeben werden.

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