Gleicher Kaufpreis für vorkaufsberechtigten Mieter

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veröffentlicht am  07.06.2022 | Lesedauer ca. 2 Minuten

BGH, Urteil vom 23. Februar 2022, Az.: VIII ZR 305/20

Die Abrede zur Zahlung eines höheren Kaufpreises durch den vorkaufsberechtigten Mieter stellt eine unzulässige Vereinbarung zulasten Dritter dar.


Die Klägerin ist Mieterin einer im Eigentum der Vermieterin (Beklagte) stehenden Wohnung. Die Wohnung befindet sich in einem Mehrfamilienhaus, das die Beklagte in Wohnungseigentum aufgeteilt hatte. Im Jahr 2016 schloss sie einen Kaufvertrag über die Wohnung der Mieterin mit der Erstkäuferin. Der Kaufvertrag sah für den Fall, dass die Mieterin ihr Vorkaufsrecht ausübe, einen Kaufpreis in Höhe von EUR 163.000 vor. Sollte die Wohnung vermietet, d.h. ohne Ausübung des Vorkaufsrechtes verkauft werden, betrage der Kaufpreis zehn Prozent weniger. Die Klägerin erklärte im Zuge des bevorstehenden Verkaufs gegenüber dem empfangsbevollmächtigten Notar die Ausübung ihres Vorkaufsrechtes. Sie wies dabei darauf hin, dass sie die i.R. des Kaufvertrages mit der Erstkäuferin getroffene Regelung über den zehn Prozent höheren Kaufpreis für unwirksam erachte. Des Weiteren bezahle sie nur unter dem Vorbehalt der Rückzahlung des überschüssigen Kaufpreises.


Der BGH sprach der Klägerin die teilweise Rückforderung des Kaufpreises aus folgenden Gründen zu: Gemäß § 577 BGB steht der Mieterin nach der Umwandlung in Wohnungseigentum ein Vorkaufsrecht an der Wohnung zu. Dieses hat sie wirksam ausgeübt. Durch die rechtswirksame Ausübung des Vorkaufsrechtes kommt zwischen vorkaufsberechtigtem Mieter und Vermieter ein Kaufvertrag zu denselben Bedingungen zustande, wie er zwischen Vermieter und Erstkäufer abgeschlossen worden wäre. Unter denselben Bedingungen ist dabei auch ein betragsmäßig deckungsgleicher Kaufpreis zu verstehen. Der nach dem Vertrag zwischen Vermieterin und Erstkäuferin geschuldete Kaufpreis, der für den Verkauf bei fortbestehender Vermietung vereinbart wurde, liegt jedoch zehn Prozent unter demjenigen, den die Mieterin zu entrichten hätte. Deshalb stellt die Kaufpreisregelung nach Auffassung des BGH eine unzulässige Vereinbarung zulasten Dritter – nämlich zulasten der Mieterin - dar. Eine solche ist dann anzunehmen, wenn die Vereinbarung eine unmittelbare Rechtspflicht für einen am Vertrag nicht beteiligten Dritten begründen soll. Dies gelte auch dann, wenn die in Rede stehende Rechtspflicht bzw. Benachteiligung erst im Anschluss an eine vom Dritten selbst noch vorzunehmende Rechtshandlung einträfe. Die differenzierende Kaufpreisregelung führt dazu, dass die Mieterin durch ihre Vorkaufsrechtsausübung stets den höheren Kaufpreis zu zahlen hätte. Dies widerspricht der Intention des § 464 Abs. 2 BGB, der den Vorkaufsberechtigten insbesondere vor - im Vergleich zum Erstkäufer - ungünstigeren Vertragsbedingungen schützen soll und verkürzt damit die Mieterrechte.


Darüber hinaus verbiete sich die pauschale Behauptung, dass mit vermieteten Wohnungen nur vergleichsweise niedrigere Kaufpreise erzielt werden können. Daher rechtfertige auch der Umstand, dass die zu erwerbende Wohnung aus Perspektive der Erstkäuferin vermietet, wohingegen sie aus Perspektive der Mieterin gerade nicht mit einem Mietverhältnis belastet sei, eine Differenzierung hinsichtlich des Kaufpreises nicht. Eine andere Beurteilung ergäbe sich nur für den hier nicht zutreffenden Fall, dass die Miethöhe unterhalb des geltenden Marktniveaus läge und die Wohnung deshalb für einen an einer Kapitalanlage interessierten Käufer weniger werthaltig sei. Die Erhöhung des Kaupreises könne folglich nicht vom Erlöschen mietvertraglicher Belastungen abhängig gemacht werden, zumal die Situation für die Verkäuferin laut Gericht ohnehin keinen wirtschaftlichen Nachteil begründe.

 

Fazit:

Das Vorkaufsrecht des Mieters dient dazu, den Mieter bei Veräußerung an eine Vielzahl privater Eigentümer vor dem erhöhten Risiko der Kündigung wegen Eigenbedarfs zu schützen und insgesamt abzusichern. Dieser Schutz kann nicht ohne Weiteres durch individuelle kaufvertragliche Regelungen unterlaufen werden.


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