Chance und Risiko der Mietsicherheit beim Mieter

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veröffentlicht am 30.8.2022 | Lesedauer ca. 3 Minuten


 

AG Köln, Urteil vom 19. Juli 2022, Az.: 203 C 199/21

Erträge aus der Mietsicherheit stehen unabhängig von der gewählten Anlageform dem Mieter zu.


Die beklagte Vermieterin schloss mit der Klägerin einen Mietvertrag, der unter anderem eine Klausel enthielt, wonach der Mieter vor Abschluss des Mietvertrages einen Geschäftsanteil in Höhe von 800 DM zu zahlen hat, den ihm die Vermieterin als „Darlehen” schuldet. Die Vermieterin ist berechtigt, den Geschäftsanteil für den Mieter ganz oder teilweise in eigene Aktien anzulegen. Zudem ist geregelt, dass nach Beendigung des Mietverhältnisses der Geschäftsanteil an den Mieter zurückzuzahlen ist. Wenn und soweit er in Aktien angelegt ist, sind diese ihm im gleichen Zeitpunkt herauszugeben. Der Vermieterin steht jedoch das Recht zu, vom Mieter zu verlangen, dass er sie einem von ihr zu benennenden Dritten zum Nominalbetrag überlässt. Gegenforderungen kann die Vermieterin dabei von dem Geschäftsanteil in Abzug bringen. Im Rahmen des Vertragsschlusses zahlten die Rechtsvorgänger der Klägerin einen Geschäftsanteil in Höhe von 800 DM an die Beklagte. Diese legte ihn sodann vollständig in 409 eigene Aktien an. Aufgrund zweier Kapitalerhöhungen erhöhte sich die Anzahl der Aktien auf 832 Stückaktien, wobei der rechnerische Anteil am Grundkapital seitdem EUR 1,00 pro Aktie beträgt. Die Klägerin kündigte unter Berufung den Mietvertrag an, mit Beendigung des Mietverhältnisses die Herausgabe der Aktien zu verlangen. Mit Schreiben vom 22. August 2018 erteilte die Beklagte Auskunft und teilte erstmalig mit, zeitnah einen Dritten zu benennen, dem die Klägerin die Aktien zum Nominalbetrag überlassen solle. Der Aufforderung der Klägerin, ihr die 832 Aktien binnen zwei Wochen herauszugeben, kam die Beklagte nicht nach. Stattdessen zahlte die Beklagte an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 409,03. Die Klägerin teilte daraufhin mit, hierin keine Erfüllung zu sehen.


Der Klägerin steht nach Ansicht des Amtsgericht Köln ein Anspruch auf Herausgabe der Aktien zu, welcher sich aus der zwischen den Parteien geschlossener Sicherungsabrede ergibt. Sie muss sich nicht mit der Rückzahlung der ursprünglich erbrachten Sicherheitsleistung in Höhe von umgerechnet EUR 409,03 begnügen. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, anstelle der Herausgabe der Aktien zur Zahlung berechtigt zu sein. Auch wenn die Vertragsparteien diese Leistung der Mieter als Darlehen bezeichnet haben, hat es sich schon seinerzeit um eine Sicherungsleistung gehandelt, denn aus dem Geschäftsanteil durfte der Vermieter bei Beendigung des Mietverhältnisses auch eigene Forderungen in Abzug bringen. Nach dem Mietvertrag sind dem Mieter binnen eines Monats nach Beendigung des Mietverhältnisses die Aktien herauszugeben, wenn und soweit der Geschäftsanteil in Aktien angelegt wurde. Der von der Klägerin im Jahre 1960 gezahlte Betrag von DM 800,00 wurde vollständig in 832 Aktien angelegt. Die von der Beklagten geschuldete Leistung bestand mithin in der Herausgabe der 832 Aktien im Wert von etwa EUR 100.000. Nur durch Bewirkung dieser Leistung konnte der Anspruch der Klägerin gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erlöschen.


Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem im Mietvertrag geregelten Wahlrecht der Beklagten, wonach der Vermieterin das Recht zustehe, vom Mieter zu verlangen, dass er die Aktien einem von ihr zu benennenden Dritten zum Nominalbetrag überlässt. Die Bestimmung ist gemäß § 551 Abs. 3 S. 3, Abs. 4 BGB unwirksam. Die Vorschrift des § 551 Abs. 3 S. 3 BGB sieht vor, dass die Erträge aus der Mietsicherheit unabhängig von der Anlageform dem Mieter zustehen. Vorliegend haben die Parteien die Anlage in Aktien vereinbart. Bei dieser Form der Anlage gehören zu den Erträgen neben den Dividenden auch etwaige Kursgewinne. Von dieser Vorschrift abweichende Vereinbarungen sind nach § 551 Abs. 4 BGB unwirksam.

 

Fazit:

Der Mieter als Sicherungsgeber trägt das Risiko eines Wertverlustes der Sicherheit bei Rückgabe, er erhält aber auch die Chance auf Gewinne und ihm steht die Rendite in Form von Dividenden zu. Dass sich infolge veränderter Umstände die damalige Kapitalbeschaffung für die Beklagte aus heutiger Sicht nicht mehr so günstig darstellt, ist ihr eigenes Risiko.


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