Eigenbedarf: „verfestigte“ Nutzungsabsicht muss bestehen

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veröffentlicht am  17.1.2022 | Lesedauer ca. 2 Minuten
 

Urteil des AG Hamburg vom 26.10.2022, Az.: 49 C 441/21

Für eine Kündigung wegen Eigenbedarf muss die Nutzungsabsicht auf Seiten des Vermieters hinreichend verfestigt sein. Eine Kündigung „auf Vorrat” ist unwirksam.


Die streitenden Parteien sind Vermieter und Mieter einer Wohnung bestehend aus sechs Zimmern. Ende 2020 kündigten die Vermieter das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Sie führten aus, dass ihr Sohn beabsichtige, das Objekt mit vier Freunden zu beziehen, um dort eine studentische Wohngemeinschaft zu gründen. Nachdem die Mieter der Kündigung widersprachen, erhoben die Vermieter Räumungsklage.
Das AG Hamburg wies die Klage ab. Sie sei unbegründet, da nach den Ergebnissen der Beweisführung kein verfestigter Eigenbedarf für eine zulässige Kündigung bestand. Eine Eigenbedarfskündigung ist zulässig, wenn die Räume als Wohnung für den Vermieter oder Familienangehörige benötigt werden. Ob ein Vermieter Räumlichkeiten im Sinne dieser Vorschrift tatsächlich benötigt, kann nicht generell festgestellt werden. Vielmehr ist eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich. Darüber hinaus bedarf es im Zeitpunkt der Kündigung nicht nur eines generellen, abstrakten Interesses an einer etwaigen eigenen Nutzung der Räume. Vielmehr muss auf Seite des Vermieters gerade ein konkretes Interesse an der künftigen Rückgabe der Mietsache bestehen, damit diese durch ihn oder angehörige genutzt werden können. Nach Ausführung des AG Hamburg muss sich der Eigenbedarf zum Zeitpunkt der Kündigung gewissermaßen „verfestigt” haben.


Das AG Hamburg bezweifelte aufgrund vielseitiger Umstände, dass die klägerseits ausgeführte Eigennutzung durch Gründung einer Wohnungsgemeinschaft des Sohnes mit vier Freunden bereits als verfestigter Eigenbedarf qualifiziert werden kann. Zum einen waren sich der Sohn der Kläger sowie seine Freunde als später beabsichtigte Bewohner weder darüber einig, wie hoch der Mietzins sein solle, noch darüber, wer welches der sechs Zimmer in der Mietsache bewohnen würde. Zudem hatten sie die Wohnräume im Vorfeld der Kündigung noch nicht einmal begutachtet. Zum anderen schloss das AG Hamburg aus dem Parteiverhalten der Klägerseite, dass kein konkretes Nutzungsinteresse bestand. Auf eine Fristsetzung zur Nennung von ladungsfähigen Anschriften der vier Freunde, mit denen der Sohn hätte in die Wohnung einziehen sollen, reagierten die Kläger nicht. Dadurch soll zum Ausdruck gekommen sein, dass bei keinem der vermeintlich späteren Mieter der verfestigte Entschluss gefasst worden ist, die Wohnung später gemeinsam zu beziehen, zumal einer Befragung gewissermaßen ausgewichen wurde. In einem späteren Schriftsatz der Klägerseite spiegelte sich letztlich nochmals wider, dass die Eigenbedarfskündigung nur „auf Vorrat” erfolgte.

 

Fazit:

Bei Eigenbedarfskündigungen muss auf Seiten des Vermieters zum Zeitpunkt der Kündigung ein konkretes Interesse bestehen, dass die Räumlichkeiten in absehbarer Zeit an ihn zurückgegeben werden. Dafür erforderlich ist ein verfestigter Eigenbedarf, also ein verfestigtes (Eigen-)Nutzungsinteresse, das aufgrund der Umstände des Einzelfalles festzustellen ist. Eine Kündigung „auf Vorrat” bei bloß abstrakt geplanter Eigennutzung ist unwirksam. 

 

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