Vorkaufsrecht eines Angehörigen hat Vorrang

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veröffentlicht am  15.8.2023 | Lesedauer ca. 2 Minuten

BGH, Beschluss vom 27. April 2023. Az.: V ZB 58/22

Das dingliche Vorkaufsrecht, das zugunsten eines Familienangehörigen bestellt ist, hat Vorrang vor einem gesetzlichen Vorkaufsrechts des Mieters.

 
Im Jahr 2016 erwarb ein Mann (nachfolgend „Voreigentümer“) eine Eigentumswohnung, die er vermietete. Zeitgleich mit Eintragung seiner Eigentumsinhaberschaft wurde für seine damalige Ehefrau ein Vorkaufsrecht für den ersten Verkaufsfall im Grundbuch eingetragn. Im Jahr 2019 verkaufte der Voreigentümer die Wohnung an einen Dritten. Sowohl die zwischenzeitlich geschiedene Ehefrau des Voreigentümers als auch der Mieter der Wohnung erklärten daraufhin die Ausübung ihres Vorkaufsrechts. Die Wohnung ging schließlich mit Genehmigung der Drittkäufer an den Mieter, der als neuer Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wurde. Daraufhin nahm die frühere Ehefrau den Voreigentümer vor dem Landgericht unter anderem auf Auflassung des Wohnungseigentums in Anspruch. Nachdem die Klage abgewiesen und die Löschung im Grundbuch vorgenommen wurde, beantragte die frühere Ehefrau im Wege der Beschwerde, ihr Vorkaufsrecht wieder einzutragen. Auch diese Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht zurückgewiesen. Im Wege der Rechtsbeschwerde verfolgt die Ehefrau ihr Ziel gerichtet auf Eintragung des Amtswiderspruchs gegen die Löschung ihres Vorkaufsrechts weiter.

  
Der BGH gab der ehemaligen Ehefrau nun Recht und entschied, dass das Grundbuchamt zur Eintragung eines Amtswiderspruchs anzuweisen ist, da die Voraussetzungen der Löschung des Vorkaufsrechts nicht vorlagen. Der BGH kam zu dem Ergebnis, dass das dingliche Vorkaufsrecht der Ehegattin nach sinngemäßer Anwendung des § 577 Abs. 1 S. 2 BGB jedenfalls dann Vorrang vor dem Vorkaufsrecht des Mieters genießt, wenn es – wie hier – zugunsten eines Familienangehörigen bestellt wurde und begründete dies wie folgt: Vom Begriff des Familienangehörigen sind – wie bei den Regelungen über die Eigenbedarfskündigung – auch geschiedene Ehegatten umfasst. Zwar findet § 577 Abs. 1 S. 2 BGB keine unmittelbare Anwendung, da das Vorkaufsrecht keinen Verkaufsfall darstellt und auch nicht als solcher im Rahmen der gesetzlichen Regelung angesehen werden kann. Insbesondere fehlt es an den erforderlichen Einigungen über die wesentliche Inhalte des Kaufvertrags, wie etwa den Verkaufspreis. Dieser wird erst in dem von dem Vorkaufsverpflichteten mit dem Dritten geschlossenen Kaufvertrag festgelegt.

 
Der Vorrang des dinglichen Vorkaufsrechts zugunsten eines Familienangehörigen vor dem Mietvorkaufsrecht kann jedoch der des § 577 Abs. 1 S. 2 BGB zu entnehmenden gesetzgeberischen Wertungsentscheidung entnommen werden. Der Gesetzgeber wollte mit der Vorschrift des § 577 BGB zum einen der Gefahr der Verdrängung des Mieters aufgrund spekulativer Umwandlung von Wohnung in Wohnungseigentum begegnen. Auf der anderen Seite erschien ihm das Interesse des Vermieters, die Wohnung an ihm nahestehende Personen verkaufen zu können, vorrangig. Der Gesetzgeber bezweckte somit ein Regelungskonzept, das für einen sachgerechten Ausgleich zwischen den geschützten Rechtspositionen von Mieter und Vermieter sorgt. Der Gedanke dieses Regelungskonzept ist auch auf die Konkurrenz zwischen dem Mietvorkaufsrecht und dem Vorkaufsrecht zugunsten eines Familienangehörigen zu übertragen. Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass das Mietvorkaufsrecht nicht einmal im Falle der Veräußerung an einen Familienangehörigen Schutz vor der Verdrängung in Folge der Eigenbedarfskündigung bieten kann und der Vermieter somit sogar die Möglichkeit gehabt hätte, direkt an den Familienangehörigen zu verkaufen.

 

Fazit:

Ein Vorkaufsrecht, das rechtsgeschäftlich für einen Familienangehörigen bestellt ist, nimmt auch dann Vorrang vor dem gesetzlichen Vorkaufsrecht des Mieters, wenn es sich beim Vorkaufsberechtigten um einen geschiedenen Ehegatten handelt. Dies folgt aus der Intention des Gesetzgebers, dem das Interesse des Vermieters, die Wohnung an eine bestimmte ihm nahestehende Person verkaufen zu können, vorrangig erschien und damit die Verankerung des Eigentumsgrundrechts zugunsten der Familie im weiten Rechtssinn verstärkt.

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