Erfolgreich investieren in Spanien

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zuletzt aktualisiert am 7. Juni 2022 | Lesedauer ca. 3 Minuten


 

 

​​Wie schätzen Sie die derzeitige wirtschaftliche Lage in Spanien ein?

Die Erholung der spanischen Wirtschaft zeigte im vierten Quartal 2021 ein gutes Tempo, allerdings lag das jähr­liche Bruttoinlandsprodukt deutlich unter dem Niveau des Jahres 2019, was v.a. an der schwachen Entwicklung in der ersten Jahreshälfte lag.

 

Die Beschränkungen, die Spanien und dem übrigen Europa zur Eindämmung der Omikron-Variante auferlegt wur­den, führten dazu, dass die Konjunktur im Jahre 2022 schwach begann, was vor allen Dingen auf den Dienst­leis­tungssektor wie den Tourismus zurückzuführen ist, in dem es Anfang des Jahres zu Arbeitsplatzabbau kam. Auch wenn die Indikatoren im Februar eine Erholung hervorsagten, so veränderte sich das Panorama, wie in vielen anderen Ländern, mit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine deutlich. Rohstoffe, insbesondere Erdöl, Erdgas und Getreide, wurden noch teurer. Die Erhöhungen machen sich besonders bei den Endverbraucherpreisen für Energieerzeugnisse und bei bestimmten Lebensmitteln bemerkbar, wodurch sich der Kaufkraftverlust der Verbrau­cher und die Verschlechterung der Gewinnspannen der Unternehmen erhöht hat – auch wenn die Regierung einen direkten Rabatt auf die Spritpreise an den Tankstellen bis September 2022 eingeführt hat und versucht, die Strompreise zu drosseln.

 

Die spanische Regierung sieht für 2022 ein Wachstum von 4,3 Prozent vor, wobei sie davon ausgeht, dass die Arbeitslosenquote unter 13 Prozent bei ca. 12,8 Prozent liegen wird.


Wie würden Sie das Investitionsklima in Spanien beschreiben? Welche Branchen bergen großes Potenzial?

Das Investitionsklima ist generell nach wie vor positiv, wenn auch die aktuelle Links-Links-Koalition nicht direkt unternehmerfreundlich genannt werden kann.


Die Gesetzgebung ist allerdings größtenteils vorhersehbar und das Arbeitsrecht im Vergleich mit anderen euro­päischen Ländern wie Frankreich, Deutschland oder Italien unkomplizierter. Die amtierende Regierung hat ihre anfängliche Absicht, bestimmte Maßnahmen zur Erschwerung der betriebsbedingten Entlassungen einzuführen, wegen der Corona-Krise zumindest vorläufig aufgegeben.

Großes Potenzial bieten in diesen Zeiten, in denen die Energiekosten explodieren, der Sektor der Erneuerbaren Energien, der von der spanischen Politik unterstützt wird; außerdem die IT- und Kommunikationsbranche, wozu sehr gut ausgebildete Studenten und das niedrige Lohnniveau beitragen.

 

In dem Zusammenhang sollte man nach wie vor Themen wie Smart Cities und Micro-Mobilität nicht aus den Augen verlieren, da Spanien im digitalen Bereich sehr gut aufgestellt ist und die Pandemie sich als ein Katalysator für allgemeine und auch industrielle Digitalisierung bewiesen hat.

 

Der wichtigste Wirtschaftssektor wird auch in Zukunft der Tourismus sein, der einen großen Teil des Brutto­in­lands­produkts ausmacht, und der in Post-Pandemiezeiten aufgrund des Nachholbedarfes vieler Reisenden eine besonders wichtige Rolle spielt. 


Welchen Herausforderungen steht ein deutscher Unternehmer beim Engagement in Spanien gegenüber?

Die über Erfolg und Nichterfolg entscheidenden Faktoren sind nach wie vor die Auswahl der Mitarbeiter und noch konkreter der Leiter der spanischen Niederlassungen. Zudem ist die Kontrolle der Niederlassungen in Spanien wichtig, um unangenehme Überraschungen, die erst mit zeitlicher Verzögerung eintreten, zu vermeiden.

 

In Bezug auf Fremdsprachenkenntnisse haben sich die Spanier in den letzten Jahren deutlich verbessert, sind aber noch nicht auf dem Niveau anderer europäischer Länder. Weitere Herausforderungen ergeben sich auch aus der weiteren politischen Entwicklung im Land, sowie aus der Entwicklung der Rohstoff- und Energiepreise.


Spanien will ein zentraler Standort für die Produktion von Elektroautos in Europa werden. Welche Chancen ergeben sich dadurch für die Wirtschaft?

Die Automobil und -zuliefer-Industrie gehört sicherlich zu den Sektoren, die in den letzten Jahren in Spanien sehr gebeutelt wurde. Es gibt daher ideale Voraussetzungen für die Produktion von Elektroautos, viele gut ausgebildete junge Leute sowie schon vorhandene industrielle Infrastrukturen. Da Nachhaltigkeit im aktuellen politischen Programm der Links-Links-Regierung eine sehr große Bedeutung hat, werden dazu Möglichkeiten staatlicher Unterstützung in Aussicht gestellt. Für die Wirtschaft hätte die Produktion von Elektroautos in Spanien eindeutig einen positiven Effekt, auch gerade in den Regionen, in denen Zulieferer und Automobilkonzerne ihre Produktion gedrosselt oder beendet haben. Diese grundlegende Bedeutung erklärt, dass die spanische Regierung Förder­gel­der i.H.v. 2.975 Mio Euro für den industriellen Teil des sog. „Strategischen Projekts für die Erholung und Wirt­schaft­liche Umwandlung des Elektroautos“ („PERTE del Vehículo Eléctrico y Conectado – PERTE VEC“) bestimmt hat. Es wird erwartet, dass dieses PERTE insgesamt 140.000 Arbeitsplätze schaffen könnte. Sein Beitrag zum spanischen BIP würde zwischen 1 Prozent und 1,7 Prozent liegen, mit bis zu 250.000 neu zugelassenen Elektro­fahrzeugen.
 

Wie wird sich aus Ihrer Sicht Spanien weiterentwickeln?

Die für Spanien noch wichtigste Branche, der Tourismus, wurde durch die Pandemie und die Reisebeschränkungen in ihrem Herzen schwer getroffen. Die Aufhebung der Restriktionen hat schon innerhalb Spaniens zu einem Wachstum der Nachfrage geführt, das sich jetzt auch in den Reisebuchungen aus dem Ausland bemerkbar macht. Wenn man davon ausgeht, dass die Pandemie im Sommer 2022 eine Pause einlegt, wird Spanien in der Tourismus­branche sicherlich sogar mit Einnahmen über dem Vor-Pandemie-Niveau liegen.

 

Erneuerbare Energien werden in Zukunft, auch im Hinblick auf die hohen Energiepreise, die durch den Krieg mit Russland weiter nach oben getrieben werden, in Spanien eine immer größere Rolle spielen. Im Falle einer Verschärfung der europäischen Gasversorgungskrise könnte Spanien in den kommenden Monaten, dank seiner vielen Regasifizierungsanlagen und des weit verbreiteten Gaspipelinenetzes, eine wichtige Rolle als Vertreiber nach Europa des per Schiff in spanischen Hafen entladenen Flüssiggases spielen.

 

Jedoch ist Spanien wegen der hohen Staats- und Privatverschuldung der neuen Zinspolitik der EZB besonders ausgesetzt. Andererseits sollten schon in 2022 und deutlicher noch in 2023 die positiven Auswirkungen des massiven von der EU genehmigten „Next Generation" Fonds und ähnlicher europäischen Beihilfepakete in der spanischen Wirtschaft spürbar sein.

 

In Spanien ist unter den Experten die Befürchtung sehr verbreitet, dass ab der Aufhebung des noch bis zum 30 Juni 2022 geltenden Moratoriums der gesetzlichen Verpflichtung zur Beantragung auf Eröffnung des Konkurs­ver­fahrens in Insolvenzfällen, eine echte „Welle" von Insolvenzanträge auf die spanischen Insolvenzgerichte zukommen wird. Diese Gefahr hat sich in den letzten Monaten wegen der schnellen und negativen Entwicklung der geopolitischen Rahmenbedingungen erhöht, da zwei der wichtigsten Sektoren der spanischen Wirtschaft – der Tourismus und die Autoindustrie – den drohenden Risiken besonders ausgesetzt sind.

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