Erfolgreich investieren in Vietnam

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​​​​​​​​​​zuletzt aktualisiert am 7. Juni 2024 | Lesedauer ca. 5 Minuten


    

   

​​​​​Wie beurteilen Sie die derzeitige wirtschaftliche Lage in Vietnam?

Vietnam hat in den letzten dreieinhalb Jahrzehnten ein rasantes und bemerkenswertes wirtschaftliches Wachstum und eine Entwicklung erlebt, die mit der wirtschaftlichen und politischen Reform „Doi Moi" von 1986 begann. Seitdem hat die Umstellung der Wirtschaft im Anschluss an „Doi Moi" zu einem beeindruckenden Wachstum mit steigenden ökonomischen Werten in Vietnam geführt.
   
In den letzten Jahren hat sich Vietnam dank seines starken wirtschaftlichen Wachstums zu einem vielver​­sprech­​enden Ziel für viele regionale und überregionale Investoren entwickelt. Zu diesen Fortschritten tragen unter anderem ein relativ stabiles politisches System, eine junge und dynamische Erwerbsbevölkerung, ein Niedrig­lohnsektor und eine wachsende Mittelschicht bei. Insbesondere in den Jahren 2023 und 2022 haben wir auch gesehen, dass es Vietnam gelungen ist, die Inflation unter Kontrolle zu halten, die in diesem Zeitraum unter 5 Prozent blieb.
   
Gegenwärtig scheint Vietnam einer der Nutznießer der sich verändernden globalen Rahmenbedingungen und der raschen Anpassungen der Lieferketten zu sein. Einerseits zieht Südostasien und insbesondere Vietnam europäische, asiatische und nordamerikanische Unternehmen an, die ihre Lieferketten aufgrund der dynamischen und manchmal unvorhersehbaren Entwicklungen der Handelsbeziehungen zwischen den USA und China diversifizieren möchten. Vietnam ist aufgrund des Freihandelsabkommens mit der EU und der guten Handelsbeziehungen mit China und den USA ideal positioniert, um die Diversifizierungsbemühungen zu unterstützen. Darüber hinaus profitieren Markteintrittsstrategien in Südostasien auch davon, dass Vietnam Mitglied des ASEAN-Vertragswerks ist.
   
Zudem erkennen viele Unternehmen, dass Vietnam und auch die ASEAN Region als Ganzes einen interes​­santen Absatzmarkt darstellen. Dies vor allem durch eine regionale Gesamtbevölkerung von über 600 Mio. Menschen und eine wachsende Mittelschicht, die ein wachsendes verfügbares Einkommen hat. Um hier wettbewerbsfähig zu sein, verfolgen viele Unternehmen Regionalisierungsstrategien, also die Verlagerung der Produktion, des Vertriebes oder auch der Service Leistungen in die Region, in der auch verkauft werden soll. Aufgrund der internationalen Vernetzung Vietnams innerhalb des EU-VN Freihandelsabkommens und auch der ASEAN Verträge, ist das Land in diesem Zusammenhang sehr gut positioniert. 
   

Wie würden Sie das Investitionsklima in Vietnam beschreiben? Welche Branchen bergen großes Potenzial?

Seit dem Beitritt des Landes zur Welthandelsorganisation WTO im Jahr 2007 wurden die vietnamesischen Märkte in vielen Sektoren für ausländische Investoren geöffnet. Gleichzeitig hat die Regierung verschiedene Maßnahmen zur Erleichterung der Geschäftsbedingungen und zur Verringerung des Verwaltungsaufwands ergriffen.
   
Darüber hinaus hat Vietnam mehrere neue Freihandelsabkommen abgeschlossen, wie das Freihandels​­abkommen zwischen der EU und Vietnam und das Freihandelsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und Vietnam, die die Handelsströme ankurbeln, und attraktive und sichere Bedingungen für geschäftliche Unternehmungen im Land schaffen sollen.
   
Ausländische Investitionen in Vietnam sind weitgehend offen und liberalisiert, mit Ausnahme sehr begrenzter Bereiche, die ausländischen Investitionsbeschränkungen unterliegen, wie zum Beispiel Finanzdienstleistungen, bestimmte Aspekte der Logistik, Telekommunikationsdienste und -anwendungen. Nichtsdestotrotz birgt die freie Marktwirtschaft Vietnams große Chancen für ausländische Investoren, insbesondere in den Bereichen Maschinenbau, erneuerbare Energien (wie Aufdach-Solaranlagen im Industriebereich), Hightech und IT, wobei letztere attraktiven Steuervergünstigungen unterliegen. Der internationale Markt des Landes bietet mit seiner schnell wachsenden Mittelschicht und einer hohen Zahl von Verbrauchern auch eine gute Basis für ausländ­ische Investoren. 
   
Der Schwerpunkt auf handelsintensiven und arbeitsintensiven Gütern wie Textilien und Holz ist nach wie vor vorhanden, verlagert sich aber derzeit. Derzeit beobachten wir eine Entwicklung weg von der Schuh- und Bekleidungsproduktion hin zur komplexeren Montage und Produktion von Maschinen und elektronischen und elektrischen Geräten. Neuartige Technologien sind in Vietnam noch sehr wenig entwickelt und bieten gute Möglichkeiten – eine Tatsache, die von der Regierung des Landes erkannt wurde, die proaktiv versucht, Investitionen in diesem Bereich anzuziehen.
   
Die sichere und stabile Lage Vietnams zog ausländische Direktinvestitionen in 2024 75 Ländern an. In den ersten vier Monaten des Jahres 2024 war Singapur der größte Investor gefolgt von Hong Kong und Japan. In diesem Zeitraum erreichte das Gesamtvolumen der Investitionen 9,27 Mrd. US Dollar, ein jährlicher Zuwachs von 4,5 Prozent. 72 Prozent des Gesamtinvestitionsvolumens entfielen auf Produktions- und Verarbeitungs­betriebe.
   

Vor wel­chen Her­aus­for­de­run­gen ste­hen deut­sche Un­ter­neh­men bei ih­ren Ge­schäfts­rei­sen nach Viet­nam?

Laut der Delegation der Deutschen Industrie- und Handelskammer in Vietnam (AHK Vietnam) ist Vietnam für Deutschland einer der wichtigsten ASEAN-Handelspartner in der Europäischen Union. 
   
Deutsche Unternehmen, die in Vietnam tätig sind, sehen sich immer noch mit einer Reihe von Herausforder­ungen konfrontiert: von infrastrukturellen Problemen, wie dem unterentwickelten Straßennetz, bis hin zu intransparenten Verwaltungsentscheidungen. Widersprüchliche Gesetze und eine ineffiziente Bürokratie sind nach wie vor ernste Probleme, mit denen das Land zu kämpfen hat.
   
Aufgrund des starken Zustroms ausländischer Direktinvestitionen nach Vietnam, insbesondere aus asiatischen Ländern, beobachten wir einen Druck auf die Immobilienpreise, insbesondere in Verbindung mit Produktions­standorten, aber auch steigende Arbeitskosten. Gleichzeitig können Unternehmen je nach den betrieblichen Erfordernissen einen Standort in einem weniger entwickelten Gebiet in Erwägung ziehen, das heißt außerhalb der Regionen HCMC, Da Nang und Hanoi, die immer noch ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. 
   
Schließlich kann die Lokalisierung von Lieferanten in Vietnam einige Zeit und Mühe in Anspruch nehmen, da die Wirtschaft nicht so weit entwickelt ist wie beispielsweise in Thailand oder Malaysia, was bedeutet, dass es einiger Vorbereitung bedarf, um geeignete Lieferanten zu finden, die die gewünschte Menge, Qualität und Lieferfristen bieten.
   

Welche Chancen können sich für Vietnam angesichts der wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen ergeben?

Vietnam hat sich kontinuierlich zu einem attraktiven Zulieferer für China entwickelt. Chinas Handelskonflikt mit den Vereinigten Staaten führt zu erhöhten und nicht vorhersehbaren Zöllen auf allen Gebieten. Vietnam bietet durch eine Vielzahl von Freihandelsabkommen kosteneffizientere und vorhersehbare Handels­möglichkeiten, aber auch einen freien Marktzugang dank einer sich ständig entwickelnden Wirtschaft.
   
Die Unabhängigkeit Vietnams von lokalen Partnern führt außerdem zu einem starken, innovationsfördernden Investitionsfluss.
   
Vietnam wird auch in Zukunft keine Alternative zu China sein, aber das Land wird sich weiterhin als wertvolle Diversifizierungsoption positionieren. Unter dem Gesichtspunkt des Risikomanagements sollte die Abhängigkeit der Lieferkette von einem Land wie China ¬werden, und Vietnam bietet die Gelegenheit dazu.
  
Deutsche Unternehmen haben ebenfalls gute Geschäftschancen in den Bereichen der erneuerbaren Energien der nachhaltigen Produktion oder auch Software und Automatisierung.
  
Schließlich treibt der in Deutschland vorherrschende Fachkräftemangel auch viele Unternehmen nach Vietnam, um hier nicht nur geeignete Outsourcing Projekte durchzuführen, sondern auch Fachkräfte in vielen Bereichen anzuwerben. 
   

Wie wird sich Viet­nam Ih­rer Mei­nung nach ent­wi­ckeln?

Trotz spürbarer Defizite in den Bereichen Gesetzgebung, Regularien, Bürokratie, Korruption, interne Prozesse und Infrastruktur entwickelt sich Vietnam weiterhin positiv. Gestützt auf einen stabilen und berechenbaren politischen Rahmen werden die Defizite schrittweise abgebaut, um das Land noch attraktiver zu machen – insbesondere für ausländische Investoren.
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Vietnam wird weiterhin hart an der Entwicklung seiner Industrie und an der Modernisierung, Effektivität und Nachhaltigkeit des Landes arbeiten, um eine höhere Wettbewerbsfähigkeit als stabile Basis einer Industrienation zu schaffen. Das Land wird in der Lage sein, die Möglichkeiten der unterzeichneten Freihandelsabkommen auszuschöpfen und zu nutzen, um Handelsschranken zu beseitigen, was wiederum die heimischen exportorientierten Industrien unterstützen und somit neue und zusätzliche Möglichkeiten für Handel und ausländische Direktinvestitionen eröffnen wird.
  
Einen positiven Aufwärtstrend zeigen auch die lokalen Finanzmärkte, die neulich von der Einstufung „Frontier“ zu „Emerging“ erfahren haben. 

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