Geänderte BFH-Rechtsprechung: Betriebsaufspaltung auch bei nur mittelbarer Beteiligung denkbar

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veröffentlicht am 17. März 2022 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Die bloße Vermietung oder Verpachtung einer Immobilie ist grundsätzlich eine vermögensverwaltende Tätigkeit, begründet regelmäßig keinen Gewerbebetrieb. Der Steuerpflichtige erzielt in diesem Fall laufende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S.d. § 21 EStG, die nicht der Gewerbesteuer unterliegen. Veräußert er die Immobilie nach Ablauf der Haltefrist von aktuell 10 Jahren, ist ein erzielter Veräußerungsgewinn sogar grundsätzlich steuerfrei.
 
Deutlich komplizierter werden die Steuerfolgen, wenn ein Steuerpflichtiger beispielsweise seine Immobilie an seine Betriebsgesellschaft vermietet bzw. verpachtet. Stellt der Grundbesitz eine wesentliche Betriebsgrundlage für den Betrieb dar, erfüllt eine solche betriebliche Nutzungsüberlassung üblicherweise den Tatbestand einer sog. „Betriebsaufspaltung”. Der Steuerpflichtige erzielt in diesem Fall mit seinem Besitzunternehmen gewerbliche Einkünfte i.S.d. § 15 EStG. Trotz der unveränderten vermögensverwaltenden Tätigkeit besitzt das Besitzunternehmen ausschließlich Betriebsvermögen (ggf. auch Sonderbetriebsvermögen). Die Betriebsaufspaltung hat u.a. den ertragsteuerlichen Nachteil, dass realisierte Wertsteigerungen in der überlassenen Immobilie bei der späteren Veräußerung stets steuerpflichtig sind. Für Zwecke der Gewerbesteuer kommt es üblicherweise bei der gewerblichen Immobilienvermietung zum Ausschluss der erweiterten Grundbesitzkürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG, so dass die Einkünfte aus der Nutzungsüberlassung daher grundsätzlich mit Gewerbesteuer belastet sind.
 
Aufgrund der regelmäßig eintretenden steuerlichen Nachteile sollte nach Möglichkeit das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung vermieden werden. Eine Betriebsaufspaltung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bei einer Vermietung und Verpachtung vor, wenn mindestens eine notwendige Betriebsgrundlage vom sog. Besitzunternehmen dem Betriebsunternehmen überlassen wird (sachliche Verflechtung). Zudem müssen beide Unternehmen von derselben Person bzw. Personengruppe beherrscht werden, d.h. sie muss bzw. müssen in der Lage sein, in beiden Unternehmen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchzusetzen (personelle Verflechtung).
 
Der Streitfall, der dem erst Anfang Februar veröffentlichen BFH-Urteil vom 16.9.2021 (Az. IV R 7/18) zugrunde lag,  beschäftigte sich vorrangig mit dem Vorliegen der erweiterten Grundbesitzkürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG für Vermietungseinkünfte. Allerdings nutzte der BFH die Gelegenheit, um seine bisherige Rechtsprechung zur personellen Verflechtung für das  Vorliegen einer Betriebsaufspaltung zu ändern. Dabei ging es vor allem um die in der Praxis unverändert strittige Frage, ob bei der Beurteilung einer personellen Verflechtung als Voraussetzung einer Betriebsaufspaltung auch die Personen, die die Betriebsgesellschaft beherrschen, aber an dem Besitzunternehmen (in der Rechtsform einer Personengesellschaft) mittelbar über eine Kapitalgesellschaft (als unmittelbare Gesellschafterin des Besitzunternehmens) beteiligt sind, zu berücksichtigen sind.
 
Im Streitfall vermietete die Klägerin in der Rechtsform der GmbH & Co. KG (KG) ihren bebauten Grundbesitz an ihre Schwestergesellschaft, die M-GmbH & Co. KG (M-KG). Diese nutzte die vermietete Immobilie neben weiteren Grundstücken betrieblich. An der Klägerin als Besitzgesellschaft war bis zu seinem Tod A, in der Folgezeit die Personengruppe (B, C und D), sowohl unmittelbar als Kommanditist als auch mittelbar über eine jeweils mehrheitliche Beteiligung an der Komplementär-GmbH (BV-GmbH) beteiligt. Zugleich war die gleiche Person (bzw. Personengruppe nach dem Tod von A) auch mittelbar über eine jeweils mehrheitliche Beteiligung an der alleinigen Kommanditistin (H-GmbH) der M-KG als Betriebsgesellschaft beteiligt. Die H-GmbH war zudem alleinige Gesellschafterin der Komplementär-GmbH der M-KG.
 
Der Senat kam zu dem Ergebnis, dass im Streitfall die sachliche Verflechtung als Voraussetzung der Betriebsaufspaltung vorliegt, denn die KG hat der M-KG als Betriebsgesellschaft mit dem vermieteten Grundstück eine wesentliche Betriebsgrundlage überlassen.
 
Während die Vorinstanz im Einklang mit der bisherigen herrschenden BFH-Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangte, dass es im Streitfall an der erforderlichen personellen Verflechtung für eine Betriebsaufspaltung fehlte, gelangte der BFH in seiner Revisionsentscheidung zu einer abweichenden Beurteilung.
 
Nach bisheriger Rechtsprechung kann eine Beteiligung der Betriebsgesellschafter an der Besitzgesellschaft, die lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft besteht, mangels Mitunternehmerstellung dieser Gesellschafter in der Besitzgesellschaft nicht zu einer personellen Verflechtung führen. Wegen des sog. „Durchgriffsverbots” könne der Besitzgesellschaft weder die Beteiligung an der Betriebsgesellschaft noch eine damit verbundene Beherrschungsfunktion zugerechnet werden. Andererseits kann jedoch (schon nach bisheriger Rechtsprechung, an der der Senat ausdrücklich festhält) die Herrschaft über das Betriebsunternehmen auch mittelbar über eine Kapitalgesellschaft ausgeübt und damit eine personelle Verflechtung begründet werden (z.B. BFH v. 29.11.2017, X R 8/16, BStBl II 2018, 426).
 
Da diese unterschiedliche Rechtsprechung im Schrifttum auf Kritik gestoßen ist, hält nunmehr auch der BFH an dieser Unterscheidung nicht länger fest, sofern es sich – wie im Streitfall – bei der Besitzgesellschaft (KG) um eine Personengesellschaft handelt (mitunternehmerische Betriebsaufspaltung). Die Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft verhindert somit nicht länger die Begründung einer Betriebsaufspaltung. Die personelle Verflechtung ist immer dann gegeben, wenn eine Person oder Personengruppe sowohl das Besitzunternehmen als auch die Betriebsgesellschaft in der Weise beherrscht, dass sie ihren einheitlichen Geschäfts- oder Betätigungswillen in beiden Unternehmen durchsetzen kann. Dabei ist eine mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft ausreichend, wenn die Beteiligung sowohl einen beherrschenden Einfluss auf die zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft als auch auf die nachgeschaltete Betriebs- oder Besitzgesellschaft ausüben kann.
 
Im Streitfall ist aufgrund der neuen Rechtsansicht des BFH eine personelle Verflechtung gegeben. Die Beteiligungsverhältnisse des A (bzw. der Personengruppe nach dem Tod des A) haben zur Beherrschungsidentität hinsichtlich der KG (Besitzunternehmen) und der M-KG (Betriebsunternehmen) geführt. Dieselbe Person (bzw. Personengruppe) konnte über ihre Beteiligungen an der H-GmbH, die ihrerseits an der M-KG und deren Komplementär (V-GmbH) beteiligt war, mittelbar maßgeblichen Einfluss auf die M-KG nehmen. Außerdem konnte A (bzw. die Personengruppe) aufgrund seiner (ihrer) unmittelbaren Kommanditbeteiligungen bzw. am Komplementär (BV-GmbH) die Geschäfte der KG (Besitzgesellschaft) maßgeblich beeinflussen. Aufgrund des Vorliegens einer Betriebsaufspaltung hat der BFH die Ausgangsfrage, ob nämlich das Besitzunternehmen die erweiterte Grundbesitzkürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewSt in Anspruch nehmen darf, verneint.
 
Die aktuelle Entscheidung mit der vom BFH vollzogenen Rechtsprechungsänderung ist in der Praxis von großer Bedeutung, da nunmehr auch die Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft zum Vorliegen einer Betriebsaufspaltung (und damit z.B. zum Versagen der erweiterten Grundbesitzkürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG) führen kann. Insofern sollten vor allem bestehende Unternehmensstrukturen überprüft werden. Der I. und III. Senat des BFH haben der Rechtsprechungsänderung zugestimmt, sofern es sich um eine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung handelt. Im Fall einer kapitalistischen Betriebsaufspaltung mit einer Besitz-Kapitalgesellschaft könnte wegen des Trennungsprinzips ("Durchgriffsverbot”) eine Betriebsaufspaltung weiterhin vermieden werden. Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf diese Rechtsprechungsänderung reagieren wird. Allerdings ist wohl davon auszugehen, dass sie sich dieser neuen Rechtsprechung anschließen wird.

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Frank Dißmann

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