Vorsicht beim Grundstücksverkauf nach erfolgter Anwachsung vermögensverwaltender Gesellschaftsanteile

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veröffentlicht am 28. März 2024 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Der Verkauf einer Immobilie, die sich im Privatvermögen eines Steuerpflichtigen befindet, ist derzeit regelmäßig nach Ablauf der zehnjährigen Behaltefrist gemäß § 23 EStG einkommensteuerfrei. Die Ausnahme im Fall des Vorliegens eines gewerblichen Grundstückshandels soll an dieser Stelle außer Acht gelassen werden.


Diese grundsätzliche Steuerfreiheit ist auch einschlägig, wenn sich mehrere Steuerpflichtige zu einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (z.B. einer GbR) zusammenschließen, die Grundbesitz erwirbt und außerhalb der Haltefrist von 10 Jahren veräußert. Für Zwecke des Tatbestands eines privaten Veräußerungsgeschäfts gilt nämlich in einem solchen Fall die Anschaffung oder Veräußerung einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an einer solchen Personengesellschaft als Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter (§ 23 Abs. 1 S. 4 EStG). Über den Wortlaut hinaus werden auch sog. ”Mischfälle” erfasst, in denen entweder das Grundstück durch die Personengesellschaft erworben und anschließend die Beteiligung verkauft oder umgekehrt die Beteiligung erworben und anschließend das Grundstück durch die Personengesellschaft veräußert wird. Im Ergebnis ermöglicht § 23 Abs. 1 S. 4 EStG einen steuerlichen Durchgriff durch die vermögensverwaltende Personengesellschaft (Bruchteilsbetrachtung) auf den einzelnen Gesellschafter.

Auf Grundlage dieser Norm kann ein Gesellschafter einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft steuerpflichtige Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft erzielen, wenn er beispielsweise innerhalb der Haltefrist von 10 Jahren aus der grundbesitzenden Gesellschaft ausscheidet oder die Gesellschaft nach Ablauf der maßgeblichen Haltefrist ein ihr gehöriges Grundstück zwar unschädlich veräußert, der Gesellschafter jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt der Gesellschaft beitrat, so dass für ihn die Haltedauer von 10 Jahren zum Veräußerungszeitpunkt noch nicht abgelaufen ist.

Im Zusammenhang mit Beteiligungen an vermögensverwaltenden, grundbesitzenden Personengesellschaften ist von praktischer Bedeutung, ob auch die Anwachsung eines Anteils an der Gesellschaft auf die verbleibenden Gesellschafter (also eine Kapitalerhöhung) und die anschließende Veräußerung des Grundstücks ein steuerpflichtiges, privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG auslösen kann.

Das Finanzgericht Niedersachen hatte die Gelegenheit, sich in seinem Urteil vom 25.05.2023 (Az. 4 K 186/20) mit dieser bedeutenden Rechtsfrage im Fall einer Anwachsung auseinanderzusetzen. Die Brisanz dieser Rechtsfrage ergibt sich daraus, dass die GbR im Streitfall das veräußerte Grundstück bereits vor mehr als 20 Jahren angeschafft hatte. Insofern war die gesetzlich geforderte Behaltefrist von 10 Jahren im Verkaufszeitpunkt bereits abgelaufen.

Im Streitfall war der Kläger nach einigen Gesellschafterwechseln seit dem Jahr 2006 zusammen mit zwei weiteren Gesellschaftern an der A-GbR beteiligt. Der Zweck der A-GbR war die Verpachtung von Grundstücken. Ein Gesellschafter schied mit Ablauf des Jahres 2008 aus der A-GbR aus und erhielt dafür von der Gesellschaft eine Abfindung. Der Anteil des ausgeschiedenen Gesellschafters ist disquotal den beiden verbleibenden Gesellschaftern angewachsen. Insoweit erhöhte sich die Beteiligungsquote des Klägers an der A-GbR von 25 Prozent auf 52 Prozent. Nach erfolgter Anwachsung veräußerte die A-GbR im Jahr 2014, jedoch mit Wirkung im Jahr 2015, ein Grundstück, das sie 1991 angeschafft und seither verpachtetet hatte.

Den erzielten, anteiligen Veräußerungsgewinn des Klägers behandelte das Finanzamt als steuerpflichtiges, privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 EStG. Ein solches soll im Streitfall vorliegen, da auf Grundlage des § 23 Abs. 1 S. 4 EStG (siehe oben) sowohl eine Anschaffung als auch eine Veräußerung innerhalb des maßgeblichen Zehn-Jahreszeitraums erfolgte. Eine (anteilige) Anschaffung sei auch im Fall einer Anwachsung zu sehen, da sich der Anteil des Klägers an der GbR erhöht habe.

Das Finanzgericht Niedersachen hat die Klage gegen eine steuerliche Subsumtion der Anwachsung unter den Tatbestand des privaten Veräußerungsgeschäfts i.S.d. § 23 EStG zugunsten des Finanzamts abgewiesen. Nach Ansicht des Senats wird auch die Anwachsung (Kapitalerhöhung oder -aufstockung) einer schon bestehenden Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (hier: GbR) vom Tatbestand des § 23 Abs. 1 S. 4 EStG erfasst. Der Hinzuerwerb eines weiteren Anteils an der A-GbR durch den Kläger aufgrund eines Gesellschafteraustritts (im Wege der Anwachsung) gilt somit als (anteilige) Anschaffung des Wirtschaftsguts ”Grundstück” i.S. eines privaten Veräußerungsgeschäfts. Im Ergebnis schließt sich das Finanzgericht mit seiner Beurteilung der Ansicht im Schrifttum an, da ansonsten Gestaltungen denkbar wären, bei denen Veräußerungen innerhalb von 10 Jahren zu keiner Steuerpflicht führen würden.

Nach diesen Grundsätzen liegt im Streitfall ein privates Veräußerungsgeschäft vor. Die Veräußerung des Grundstücks durch die A-GbR mit Wirkung im Jahr 2015 erfolgte innerhalb der Behaltefrist von 10 Jahren nach Hinzuerwerb des Anteils (Anschaffung aufgrund Anwachsung zum Ende 2008) und ist als anteiliges, steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft gemäß § 23 Abs. Nr. 1 EStG zu behandeln. Der entgeltliche Erwerb des Grundstücks durch die A-GbR im Jahre 1991 spielt insoweit keine Rolle.

In der Beratungspraxis ist das Urteil des Finanzgerichts Niedersachen vom 25.05.2023, das nach unserer Kenntnis rechtskräftig geworden ist, von großer Bedeutung. Sofern sich im Fall einer vermögensverwaltenden, grundbesitzenden Personengesellschaft der Gesellschafterbestand in den letzten 10 Jahren vor dem geplanten Grundstücksverkauf geändert hat oder beispielsweise ein Gesellschafter ausgeschieden und dessen Anteil an der Gesellschaft zugunsten der anderen Gesellschafter angewachsen ist, kann durch den Grundstücksverkauf ein (anteiliges) steuerpflichtiges, privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG vorliegen. Die Anwachsung eines Gesellschaftsanteils gilt nämlich als separate Anschaffung, für die die Zehn-Jahres-Frist des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG neu zu laufen beginnt.

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Frank Dißmann

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