Finanzgericht Schleswig-Holstein: Einordnung des Carried Interests für DBA-Zwecke

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veröffentlicht am 30. April 2025 | Lesedauer ca. 5​ Minuten


Finanzgericht Schleswig-Holstein: Einordnung des Carried Interests für DBA-Zwecke

Bei einem Carried Interest handelt es sich um eine kapitaldisproportionale Gewinnverteilung zugunsten der Initiatoren eines Private Equity Fonds (üblicherweise in der Rechtsform einer in- oder ausländischen Personengesellschaft) oder eines sonstigen Investmentvermögens. Ein solcher Carried Interest wird gesellschaftsrechtlich vereinbart, um den Fondsinitiatoren einen Gewinnanteil für ihre aktive Förderung des Gesellschaftszwecks zu gewähren.

Die steuerliche Behandlung des Carried Interests (besonderen Gewinnanteils) durch die deutsche Finanzverwaltung und die höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ist derzeit sehr unterschiedlich und führt immer wieder zu Streitigkeiten. Die Finanzverwaltung behandelt den Carried Interest trotz der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung als disproportionalen Ergebnisanteil als steuerpflichtige (verdeckte) Tätigkeitsvergütung (BMF-Schreiben vom 16.12.2003, BStBl. I 2004, 40, Tz. 24). An dieser Rechtsauffassung ändert auch nicht die Regelung in § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG, mit der der Carried Interest als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit behandelt wird. Trotz dieser gesetzlichen Regelung wird die Gewinnverteilungsabrede weiterhin steuerlich nicht anerkannt und der Carried Interest als steuerpflichtige Tätigkeitsvergütung der Initiatoren an die Fondsinitiatoren gesehen. Allerdings unterliegt die Tätigkeitsvergütung nur zu 60% der Besteuerung (§ 3 Nr. 40a EStG).

Demgegenüber ordnet der Bundesfinanzhof (BFH) einen Carried Interest abweichend als ggf. steuerlich begünstigte disproportionale Ergebnisverteilung und gerade nicht als (verdeckte) Tätigkeitvergütung ein (BFH-Urteil vom 11.12.2018, BFH/NV 2019, 746 in Bezug auf gewerbliche Private Equity Fonds; BFH-Urteil vom 16.04.2024, BStBl. II 2024, 902 in Bezug auf vermögensverwaltende Private Equity Fonds).

Im Gegensatz zur nationalen steuerlichen Einordnung des Carried Interests ist die steuerliche Behandlung einer solchen Gewinnverteilungsabrede in grenzüberschreitenden Sachverhalten, insbesondere im Hinblick auf das Abkommensrecht, noch ungeklärt. Das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein hatte mit seiner Entscheidung vom 08.10.2024 (Az. 3 K 37/22) erstmals Gelegenheit, zur Behandlung des Carried Interests eines US-amerikanischen Carry-Vehikels mit einem in Deutschland ansässigen Fondsmanager aufgrund des einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommens mit den USA Stellung zu nehmen.

Die Klägerin war eine US-amerikanische LLC mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in den USA (Carry-Vehikel), die als Carry-Gesellschafterin an zwei Fonds in den USA und an einem Fonds in Deutschland beteiligt war. Die Fonds und die LLC qualifizierten als vermögensverwaltende Personengesellschaften. Der Unternehmensgegenstand der Fondsgesellschaften bestand im Wesentlichen im Erwerb, Halten und in der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften. Die Klägerin war proportional zu ihrer Einlage am Ergebnis der Fonds beteiligt und erhielt darüber hinaus einen sog. "Carried Interest " (disproportionalen Gewinnanteil) aufgrund ihres ideellen Beitrags zur Förderung des Gesellschaftszwecks. Dieser ideelle Beitrag wurde in Person der Gesellschafter der LLC erbracht, die u.a. auch in Deutschland steuerlich ansässig waren.

Das Carry-Vehikel erklärte den Carried Interest, der aus der relevanten Veräußerung von Anteilen an den Portfolio-Kapitalgesellschaften resultierte, im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr als Einkünfte gem. § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG. Soweit der Carried Interest auf den inländischen Gesellschafter entfiel und zudem in den USA eine Besteuerung stattfand, erklärte die Klägerin die Einkünfte gemäß Art. 7 Abs. 7 i.V.m. Art. 23 Abs. 3 Buchst. a) DBA-USA als unter Progressionsvorbehalt steuerfrei. Soweit der Carried Interest nicht in den USA besteuert wurde, erklärte die Klägerin in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte aufgrund der Anwendung der Switch-over-Klausel gem. Art. 23 Abs. 4 Buchst. b) DBA-USA.

Demgegenüber behandelte das Finanzamt die Einkünfte aufgrund des Carried Interests zwar ebenfalls als Einkünfte i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG, gewährte jedoch keine DBA-Steuerfreistellung, da die disproportionale Gewinnverteilungsabrede abkommensrechtlich nicht als Gewinn im Sinne des Art. 7 Abs. 7 DBA-USA qualifizierte. Für den umstrittenen Carried Interest kam jedoch mangels Einschlägigkeit anderer Artikel die "Auffangregelung " in Art. 21 Abs. 1 DBA USA zur Anwendung, durch die das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland zugewiesen wird. Bei dem besagten Carried Interest handelte es sich folglich insgesamt um in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte (vor Berücksichtigung des Teileinkünfteverfahrens).

Das FG Schleswig-Holstein hat mit Urteil vom 08.10.2024 (Az. 3 K 37/22) die Auffassung des Finanzamts bestätigt, nach der der Carried Interest nur in Deutschland besteuert werden darf, soweit er an eine in Deutschland ansässige Person gezahlt wird. Die wesentlichen Feststellungen des Finanzgerichts lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • ​Das FG bestätigt, dass es sich bei dem Carried Interest originär um Einkünfte aus Vermögensverwaltung (§§ 20, 23 EStG) handelt. Die Regelung in § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG ist lediglich als eine Fiktion im nationalen zu beurteilen, die den Carried Interest den Einkünften aus selbstständiger Arbeit zuordnet. Insofern hat der Senat die jüngste BFH-Entscheidung vom 16.04.2024 (Az. VIII R 3/21) bestätigt.
  • Die nationale Fiktion des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG wirkt sich nicht dergestalt auf das Abkommensrecht aus, dass der Carried Interest zur Einordnung als gewerbliche Gewinne i.S.d. Art. 7 (Abs. 1, Abs. 7) DBA-USA führt

​​Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 DBA-USA können gewerbliche Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaats nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass das Unternehmen seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt. Nach Art. 7 Abs. 7 DBA-USA umfasst der Ausdruck "gewerbliche Gewinne " Einkünfte aus der Ausübung einer freiberuflichen oder sonstigen selbständigen Tätigkeit. Da weder der Ausdruck "gewerbliche Gewinne eines Unternehmens " bzw. "Einkünfte aus der Ausübung einer freiberuflichen oder sonstigen selbständigen Tätigkeit " im DBA-USA definiert ist, hat eine Auslegung unter Rückgriff auf Art. 3 Abs. 2 DBA-USA nach deutschem Verständnis zu erfolgen.

Da es sich im Streitfall weder bei dem Carry-Vehikel noch bei den Fondsgesellschaften um originär gewerblich tätige Gesellschaften handelt, hat das FG Schleswig-Holstein die Auslegung der vergleichbaren Fiktion im Fall einer gewerblichen Prägung nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, die abkommensrechtlich unbeachtlich ist (siehe BFH-Urteil vom 28.04.2010, BStBl. II 2014, 754), auf die Fiktion des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG übertragen.

Im Ergebnis ist die nationale Fiktion des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG nicht ausreichend, um gewerbliche Unternehmensgewinne i.S.d. Art. 7 DBA-USA zu begründen.

  • Da die beteiligten Personengesellschaften lediglich vermögensverwaltend tätig waren und mangels abkommensrechtlich unbeachtlicher nationaler Fiktion keine Unternehmensgewinne i.S.d. Art. 7 DBA-USA vorlagen, ist der Carried Interest abkommensrechtlich nach Auffassung des FGs Schleswig-Holstein entweder als Veräußerungsgewinn nach Art. 13 Abs. 5 DBA-USA oder als andere Einkünfte i.S.d. Art. 21 Abs. 1 DBA-USA einzuordnen. In beiden Fällen kann der Carried Interest nur in Deutschland besteuert werden, soweit er an eine in Deutschland ansässige Person gezahlt wird.

Wie bereits eingangs erwähnt, ist die aktuelle Entscheidung des Finanzgerichts vom 08.10.2024 für die Praxis von erheblicher Bedeutung, da der Senat erstmals über die Einordnung des Carried Interest für DBA-Zwecke entschieden hat. Da nach Auffassung des Gerichts der Carried Interest nicht als Unternehmensgewinn i.S.d. Art. 7 DBA-USA einzuordnen ist, besitzt Deutschland das volle Besteuerungsrecht am disproportionalen Gewinnanteil. Allerdings ist zu beachten, dass die Entscheidung wohl nur in Bezug auf vermögensverwaltend tätige Fonds (einschließlich gewerblich geprägter Fonds) einschlägig sein dürfte. Zudem können sich durch dieses aktuelle Urteil Doppelbesteuerungen im Fall grenzüberschreitend tätiger Private Equity-Gesellschaften ergeben, wenn nämlich der Carried Interest aufgrund einer abweichenden abkommensrechtlichen Zuordnung durch die ausländische Finanzverwaltung auch im Ausland besteuert wird.

Vor dem Hintergrund bleibt abzuwarten, ob der Bundesfinanzhof im Rahmen der zugelassenen Revision die Auffassungen des FGs Schleswig-Holstein bestätigt, insbesondere, ob er ebenfalls in Bezug auf § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG für Abkommenszwecke eine Absage erteilt.​

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