Streikrecht in kirchlichen Einrichtungen: Es bleibt beim „Dritten Weg“

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BAG, 20.11.2012
 
In einem Grundsatzurteil vom November 2012, dessen Urteilsgründe nunmehr vorliegen, hat das Bundesarbeitsgericht die Frage entschieden, ob bei konfessionell getragenen Einrichtungen ein Streikrecht bestehe. Vor einigen Tagen haben die Gewerkschaften nun Verfassungsbeschwerde gegen die Urteile angekündigt, und dass, obwohl sie eigentlich gewonnen haben. Es ging um folgenden Sachverhalt:
 
Die Evangelische Kirche von Westfalen, die Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, deren Diakonische Werke sowie vier diakonische Einrichtungen und ein Zusammenschluss mehrerer Diakonischer Werke hatten von der Gewerkschaft ver.di nach Warnstreiks verlangt, Aufrufe zu Streiks in diakonischen Einrichtungen zu unterlassen. Sie beriefen sich darauf, durch Streiks in ihrem grundrechtlich geschützten kirchlichen Selbstbestimmungsrecht verletzt zu werden. Ver.di wandte ein, aufgrund des grundgesetzlich verankerten Streikrecht könne sie auch in kirchlichen Einrichtungen zu Streiks aufrufen. 
 
Das Bundesarbeitsgericht bestätigte im Grundsatz die Zulässigkeit des kirchlichen Sonderwegs bei Tarifgesprächen. Dieses Verfahren wird „Dritter Weg”  genannt. Hierbei handelt es sich um Verfahren, bei dem die Stelle von Tarifstreit und Streik ein kircheninternes Verfahren tritt, bei dem die Arbeitnehmerseite und die Arbeitgeberseite in einer paritätisch besetzten Kommission die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten gemeinsam aushandeln und einen Konflikt durch den neutralen Vorsitzenden einer Schlichtungskommission lösen. Das hält das Bundesarbeitsgericht grundsätzlich zulässig - und damit Streikaufrufe für unzulässig. Jedoch gelte dies nur, wenn Gewerkschaften in dieses Verfahren organisatorisch eingebunden würden und das Verhandlungsergebnis für die Arbeitgeberseite auch verbindlich sei. Hier meldeten die Erfurter Richter Bedenken an. Insbesondere wandten Sie ein, dass die Verhandlungsergebnisse des Tarifkommission nicht unmittelbar verbindlich für alle kirchlichen Arbeitgeber im Geltungsbereich wären. Vielmehr müssten diese im Zwischenschritt, die Verhandlungsergebnisse noch in die einzelnen Arbeitsverträge einbeziehen. Hierbei sei nicht ausgeschlossen, dass diese zwischen mehreren auf dem „Dritten Weg” zustande gekommenen Ergebnisse auswählen könnten. Damit würde aber der Arbeitgeber einseitig Arbeitsbedingungen bestimmen können. Dies lasse sich nicht mit Art. 9 Abs. 3 GG in Einklang bringen. 
 
Nachdem die Entscheidung zunächst von Gewerkschaftsseite begrüßt worden war, zeigte sich bald Enttäuschung. So gelang es trotz einem Sieg in der Sache nicht, die erhoffte Grundsatzentscheidung zum Streikrecht bei Kirchen zu erreichen. Zwar ist derzeit ein Streikrecht bei kirchlichen Einrichtungen der Evangelischen Kirche gegeben – aber nur solange, bis diese die vom Bundesarbeitsgericht bemängelten Verfahrensregelungen anpassen. 
 
Ob nun eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil möglich ist, in dem man gewonnen hat, ist einigermaßen fraglich. Dennoch wird eines deutlich: Trotz eindeutiger Urteile des höchsten Arbeitsgerichts wird es weitere Rechtsstreite zum Streikrecht in Kirchen geben.
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