BGH bestätigt Zulässigkeit von kommunalen Ausgleichsleistungen an Krankenhäuser und pocht auf strenge Einhaltung der Voraussetzungen für eine Freistellung von der Anmeldung bei der Kommission

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​veröffentlicht am 5. August 2016

 

In der nun vorliegenden Urteilsbegründung seines Urteils vom 24.03.2016 (Az.: I ZR 263/14) hat der BGH bestätigt, dass Kommunen die Defizite ihrer Krankenhäuser auf Grundlage der kommunalen Sicherstellungsverpflichtung der Gesundheitsversorgung bei Einhaltung der Voraussetzungen des Freistellungsbeschlusses der europäischen Union (ohne Notifizierung bei der Europäischen Kommission) ausgleichen dürfen.

 

​Kläger war der Bundesverband Deutscher Privatkliniken. Beklagter war der Landkreis Calw als Mitgesellschafter der Kreiskliniken Calw gGmbH, welche die Krankenhäuser in Calw und Nagold betreibt. Seit dem Jahr 2010 wurden Jahresfehlbeträge, Investitionszuschüsse und Ausfallbürgschaften in Millionenhöhe übernommen. Der Ausgleich erfolgte zunächst auf Grundlage eines Betrauungsaktes aus dem Jahre 2008; 2013 wurde dann ein ablösender neuer Betrauungsakt erlassen.

 

Der BGH sieht es als gerechtfertigt an, die medizinische Versorgung durch ein öffentliches Krankenhaus als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse nach Art. 106 Abs. 2 AEUV anzusehen, deren Defizite die öffentliche Hand ausgleichen darf. Denn nur die Öffentliche Hand ist verpflichtet den Betrieb eines Krankenhauses, das in den Krankenhausplan aufgenommen ist, aufrechtzuerhalten. Diese Betriebspflicht nach dem Landeskrankenhausgesetz trifft private Krankenhausbetreiber nicht.

 

Der BGH hat ausdrücklich festgestellt, dass dem von der öffentlichen Hand betriebenen Krankenhaus keine „Sonderaufgaben” übertragen sein müssen, die private Krankenhäuser nicht ausüben. Ausreichend ist die Verpflichtung zur Sicherstellung des Fortbestandes der Versorgung und der Lebensfähigkeit des Krankenhaussystems. Die gesetzlich vorgesehene duale Finanzierung sei insoweit „keine abschließende Regelung, die staatliche Ausgleichsleistungen zur Aufrechterhaltung des Betriebs eines öffentlichen Krankenhauses ausschließt”.


Der BGH stellt aber auch klar, dass die Transparenzkriterien des Art. 4 der Freistellungsentscheidung sowie auch der Nachfolgeregelung des Freistellungsbeschlusses der EU-Kommission keine rein formalen Regelungen sind, deren Nichteinhaltung ohne Rechtsfolgen bleibt. Daher hat der BGH – abweichend von den Entscheidungen der Vorinstanzen – festgestellt, dass der Betrauungsakt des Kreises von 2008 als Grundlage des Ausgleichs für die Jahre 2012 und 2013 den Anforderungen des Art. 4 Freistellungsbeschluss nicht genügt. In dem Betrauungsakt fehlten u.a. Angaben dazu, wie die Einnahmen und Ausgaben ermittelt werden, die voraussichtlich auf die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse entfallen. Für die Jahre 2012 und 2013 hat der BGH die Sache daher an das OLG Stuttgart zurückverwiesen, um zu prüfen, ob eine Beihilfe mit dem Argument verneint werden kann, dass die Zuwendungen lediglich lokale Auswirkungen haben, so dass es an einer „Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten” fehlt. Das Gericht weist darauf hin, dass bei Verneinung einer nur lokalen Auswirkung der Zuwendung ein Beihilferechtsverstoß man-gels Notifizierung zu bejahen ist.


Das Urteil des BGH stellt die Tätigkeit der Kommunen auf rechtsfestere Füße. Die Urteilsfeststellungen sind schon deswegen eine gute Nachricht für die öffentliche Hand, weil die Kommunen sonst bei Erfüllung ihres kommunalrechtlichen Sicherstellungsauftrags grundsätzlich Gefahr laufen würden, europarechtlich rechtswidrig zu handeln. Nichtsdestotrotz müssen die Kommunen weiterhin die europarechtlichen Voraussetzungen der Freistellung von der Notifizierung nach dem Freistellungsbeschluss der Kommission genau beachten, da sie sonst Gefahr laufen, durch Klagen/Beschwerden von Konkurrenten durch nationale Gerichte oder (auch unmittelbar) durch die Europäische Kommission bzw. europäische Gerichte zur Unterlassung oder sogar Rückforderung von Zuwendungen gezwungen zu werden. Daher sollte der Erlass entsprechender Betrauungsakte bzw. die Prüfung bestehender Betrauungsakte auch unter Berücksichtigung der Feststellungen des erörterten BGH-Urteils erfolgen.

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