Insolvenzen im Gesundheits- und Sozialwesen – Kein Rückgang der Fälle zu erwarten!?

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​veröffentlicht am 5. August 2016

 

Eine deutliche Verringerung der Insolvenzfälle im Gesundheits- und Sozialwesen ist nach einer aktuellen Analyse der Bank für Sozialwirtschaft (BFS) in den nächsten Jahren nicht zu erwarten. Der Konsolidierungs- und Konzentrationsprozess schreitet voran und die gesetzlichen Rahmenbedingungen, etwa die Pflegestärkungsgesetze II und III sowie einige novellierte Landesheimgesetze wie das GEPA NRW ziehen deutliche Veränderungen nach sich. Die betroffenen Institutionen und Einrichtungen tun gut daran, eine genaue Analyse ihres Status Quo vorzunehmen, um geeignete Maßnahmen und Instrumente zur Krisenvermeidung zu entwickeln.

 

​Analyse der Insolvenzen im Gesundheitsmarkt

Das Gesundheits- und Sozialwesen ist mit Blick auf das Wachstum eine weitgehend konjunkturunabhängige Branche. Gleichwohl steigen die Anforderungen an die Unternehmen ständig. Sie sehen sich einem hohen stets wachsenden Kostendruck ausgesetzt. Zudem erfordern gesetzliche Rahmenbedingungen (z.B. Pflegestärkungsgesetze II und III; GEPA NRW) Veränderungen der Unternehmensstrukturen respektive Modernisierungsinvestitionen. Die finanziellen Mittel hierfür sind nicht immer gegeben. So wiesen nach einer Analyse der BFS 19 Prozent der Pflegeheime und 35 Prozent der Krankenhäuser im Jahr 2013 einen Jahresverlust aus. Anhaltende Verluste führen im Extremfall zur Insolvenzantragspflicht und damit einhergehend zu unkalkulierbaren Risiken für die Geschäftsleiter. Die BFS analysiert diese Entwicklungen seit Jahren kritisch im Hinblick auf die Beurteilung der Zukunftsfähigkeit von Geschäftsmodellen in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft.


Entwicklung der Anzahl der Insolvenzen im Gesundheits-und Sozialwesen

Die Anzahl der bei den Amtsgerichten angemeldeten Insolvenzen im Gesundheits- und Sozialwesen sind nach der Analyse der BFS und den Daten des Statistischen Bundesamtes um 10 Prozent von 214 (2008) auf 236 (2015) angestiegen. Im Zeitverlauf sind einige Schwankungen zu erkennen. Nach einem kontinuierlichen Anstieg auf 293 (bis 2012) haben sich die angemeldeten Insolvenzen wieder auf 227 (bis 2014) verringert. Nach diesem Rückgang verzeichnen die Statistiker für das vergangene Jahr erneut einen leichten Anstieg. 2015 haben 236 Unternehmen eine Insolvenz angemeldet. Hiervon betroffen waren wie in den Vorjahren auch Wohlfahrtsverbände.

 

 

Entwicklung Insolvenzen 

Quelle: Statistisches Bundesamt, Unternehmen und Arbeitsstätten – Insolvenzverfahren; Berechnungen der Bank für Sozialwirtschaft AG 

 

 

Nach Analyse der BFS waren ambulante soziale Dienste, etwa ambulante Pflegedienste, besonders betroffen. 97 Insolvenzen des vergangenen Jahres kamen aus diesem Segment. Deutlich niedrigere Zahlen weisen Pflegeheime mit 21, Alten- und Behindertenwohnheime mit 15, Krankenhäuser mit neun und Rehabilitationskliniken mit vier Insolvenzen auf. Trotzdem entfällt ein Großteil der betroffenen Arbeitnehmer auf die beiden letztgenannten Bereiche. So waren 2015 rund 50 Prozent der insgesamt 5.573 betroffenen Arbeitnehmer in Krankenhäusern und Rehabilitationskliniken beschäftigt.

 

Die Gründe für die Insolvenzen sind vielfältig. Häufig sind es geringe Auslastungsquoten, Investitions- und Instandhaltungsstaus aber auch Managementfehler.

 

Nach unseren Erfahrungen in den bisher durchgeführten Restrukturierungsmandaten ist aber insbesondere das Verständnis der Beteiligten für ihre eigene Arbeit Auslöser einer Krise, denn es fehlt oft an einem notwendigen Weiterdenken: Die Sozialwirtschaft ist der Teil des Wirtschaftssystems, der sich im Wesentlichen mit Leistungen zum Nutzen der Gesellschaft befasst. Die Gesundheitswirtschaft ist ein Sammelbegriff für alle Wirtschaftszweige, die etwas mit Gesundheit zu tun haben, mit den Kernbereichen stationäre sowie ambulante Versorgung, Altenhilfe sowie die Gesundheitsverwaltung. Die Branchen haben grundlegend gemeinsam: Im Zentrum stehen soziale und gesellschaftliche Probleme, insbesondere in der Erbringung von sozialen Dienstleistungen für und mit Menschen. Das Sachziel besteht in der direkten Produktion von individueller und gemeinschaftlicher Wohlfahrt. Damit hat das sozial-und gesundheitswirtschaftliche Handeln natürlich primär soziale und ethische Aspekte. Das ist auch gut so! Die Unternehmen der Gesundheits- und Sozialwirtschaft  unterliegen aber insbesondere auch ökonomischen Zwängen und Aspekten, denen zwingend Rechnung zu tragen sind, um am Markt weiterhin mit hoher Qualität bei der Lösung sozialer und gesellschaftlicher Probleme durch Dienstleistungen am und mit Menschen zu helfen. Dieses Bewusstsein ist elementar für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft.

 

Die Insolvenz - dennoch kein Grund zur Sorge!

Die gute Nachricht: Nach der Analyse der BFS blieben nach einer Restrukturierung oder Übernahme aus der Insolvenz die notleidenden Einrichtungen und damit auch die Arbeitsplätze erhalten. Hintergrund ist der Umstand, dass ein professionell vorbereitetes Insolvenzverfahren heute nicht mehr zwangsläufig die Schließung von Einrichtungen zur Folge haben muss. Denn auch beim Gesetzgeber hat bereits ein Umdenken stattgefunden:


Das Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) ist am 01. März 2012 in Kraft getreten und beinhaltet weitreichende Änderungen der Insolvenzordnung.  Das bisherige Insolvenzrecht verhinderte in vielen Fällen, dass lebensfähige Unternehmen durch ein eröffnetes Insolvenzverfahren saniert werden konnten, weil die fehlende Berechenbarkeit eines Insolvenzverfahrens Unternehmen davon abhielt, einen Insolvenzantrag zu stellen. Vielmehr wurde der Weg über die außergerichtliche Sanierung so lange beschritten, bis alle Reserven verbraucht waren und nur noch die Liquidation des Unternehmens möglich war.

 

Mit der Änderung der Insolvenzordnung hat der Gesetzgeber eine frühzeitige Sanierung von Unternehmen angestrebt, um die Spielräume für außergerichtliche Sanierungen zu erhöhen. Gleichzeitig soll der Weg durch die Insolvenz für den Insolvenzschuldner berechenbar werden. Der Schwerpunkt des Gesetzes besteht deshalb in der Erleichterung der Sanierung von Unternehmen durch einen stärkeren Einfluss der Gläubiger auf die Auswahl des Insolvenzverwalters und einem erleichterten und bereits in das Eröffnungsverfahren vorverlagerten Zugang zur Eigenverwaltung, bei der die Geschäftsleitung weiterhin die Verwaltungs- und Verfügungsgewalt über das Unternehmen hat. Ein Sachverwalter hat eine reine Aufsichtsfunktion.

 

Praxisempfehlung

Da eine deutliche Verringerung der Insolvenzfälle im Gesundheits- und Sozialwesen in den nächsten Jahren nicht zu erwarten ist, sollten betroffene Institutionen und Einrichtungen mit Blick auf die geplanten Gesetzesänderungen frühzeitig Analysen ihres Status Quo vornehmen, um geeignete Maßnahmen und Instrumente zur Krisenvermeidung zu entwickeln. Unser hochspezialisiertes, Branchen fokussiertes und insolvenzerfahrenes Restrukturierungsteam hilft Ihnen in einem ersten Schritt bei der Erstellung eines individuellen Krisenprofils und leiten daraus mit Ihnen gemeinsam Maßnahmen ab, um letztendlich die Zukunftsfähigkeit Ihres Unternehmens sicherzustellen. Sprechen Sie uns gerne an!

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Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M.

Mediator & Rechtsanwalt, Wirtschaftsmediator, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Restrukturierung & Unternehmensplanung (DStV e.V.)

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