Strom- und Wärmeerzeugung in KWK-Anlagen – Zuckerbrot und Peitsche: Gesetzgeber schafft Rechtssicherheit für Stromerzeugung auf Klinikarealen und sorgt für steigenden Verwaltungsaufwand

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veröffentlicht am 5. August 2016

 

Der Gesetzgeber hat einige interessante Änderungen im Strom- und Energiesteuerrecht vorgenommen. Künftig können sich Anlagenbetreiber von der Stromsteuer sicher befreien lassen, sofern die Stromerzeugung in dezentralen Anlagen mit einer Leistung bis 2 MWel erfolgt und die Erzeugungsanlage und die Verbrauchsstelle nicht weiter als 4,5 km voneinander entfernt liegen. Insoweit hat der Gesetzgeber Unsicherheiten im Rahmen der Stromsteuerbefreiung beseitigt. Schließlich sind zukünftig viele Steuerbegünstigte in der Pflicht, konkret in Anspruch genommene Begünstigungen anzuzeigen oder sich auf Antrag in bestimmten Ausnahmefällen von dieser Anzeigepflicht befreien zu lassen.

 

​Hintergrund

Träger von Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen sind in den letzten Jahren vermehrt dazu übergegangen, Wärme und Strom in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen) selbst zu erzeugen. Vor allem die Eigenstromerzeugung ist deutlich wirtschaftlicher als der Fremdstrombezug, da der Gesetzgeber eine Vielzahl an regulatorischen Umlagen (z.B. EEG-Umlage) geschaffen hat, die bei der Eigenstromerzeugung nicht oder nur teilweise anfallen.

 

Für die Wärme- und Stromerzeugung in hocheffizienten KWK-Anlagen mit einer Leistung von bis zu 2 MWel fällt zudem grundsätzlich weder die Strom- noch die Energiesteuer an. Der Gesetzgeber hat nun im Rahmen der Verabschiedung der Verordnung zur Umsetzung unionsrechtlicher Veröffentlichungs-, Informations- und Transparenz-pflichten im Energiesteuer- und im Stromsteuergesetz (EnSTransV) mit Wirkung zum 01.07.2016 umfangreiche Änderungen auf Verordnungsebene vorgenommen, von denen wir Ihnen nachstehend einige ausgewählte vorstellen möchten:  

 

Überblick

Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 a) Stromsteuergesetz gilt, dass Anlagenbetreiber nur in den Genuss einer Stromsteuerbefreiung kommen, soweit Erzeugung und Verbrauch des Stroms im räumlichen Zusammenhang zur Anlage erfolgen. Die konkrete örtliche Bestimmung des räumlichen Zusammenhangs hat in Vergangenheit immer wieder Fragen aufgeworfen. Erfreulicherweise hat der Bundesfinanzhof bereits im Jahr 2004 (Urteil vom 20.04.2004 – Az. VII R 54/03) eine Entfernung von ca. 4,5 km zwischen Erzeugungs- und Verbrauchsanlage als noch zulässig gewertet. Die Tragweite dieser Einzelfallentscheidung war dennoch seit jeher umstritten. Der Gesetzgeber hatte sich im Gesetzgebungsverfahren zur EnSTransV zwischenzeitig dafür ausgesprochen gehabt, den räumlichen Zusammenhang deutlich enger zu fassen, um die Begünstigungen für Anlagenbetreiber dezentraler Stromerzeugungsanlage einzuschränken. Vor diesem Hintergrund kam die nun endgültige Neuregelung zum räumlichen Zusammenhang für dezentrale Anlagen mit einer Leistung von bis zu 2 MWel umso überraschender: Gemäß § 12b Abs. 5 Stromsteuer-Durchführungsverordnung umfasst der räumliche Zusammenhang Entnahmestellen in einem Radius von bis zu 4,5 km um die jeweilige Stromerzeugungseinheit. Zwar gilt nunmehr eine Obergrenze von 4,5 km. Die Neuregelung schafft aber Rechtssicherheit und bietet eine praxistaugliche Abgrenzung. Zumal die räumliche Grenze für Kliniken, Alten- und Pflegeheime weiterhin ausreichend Spielraum bietet, um Eigenstromprojekte wirtschaftlich weiterzubetreiben oder Neuprojekte umzusetzen. Die Gesetzesänderung ist zum 18.05.2016 in Kraft getreten.

 

Daneben hat der Gesetzgeber einzelne Änderungen im Hinblick auf das Erfordernis einer Versorgererlaubnis nach Stromsteuergesetz vorgenommen. Weiterhin ohne Eigenerzeugererlaubnis kommt aus, wer ausschließlich als Eigenerzeuger Strom aus Anlagen mit einer Leistung von bis 2 MWel gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 a) Stromsteuergesetz entnimmt. Grundsätzlich der Regulierung unterliegt hingegen, wer als Anlagenbetreiber Strom an Dritte weiterleitet. Neben Anzeige- und Meldepflichten im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes und des Erneuerbare-Energien-Gesetzes können auch die Voraussetzungen für eine Versorgererlaubnis gemäß § 4 Abs. 1 Stromsteuergesetz erfüllt sein, insbesondere soweit Strom aus der Stromerzeugungsanlage verkauft wird. Der Gesetzgeber hat aber Ausnahmeregelungen im Rahmen von § 1a Stromsteuer-Durchführungsverordnung bei Konstellationen neugeregelt, wenn Strom von einem Versorger bezogen wird und an Dritte weitergeleitet wird. Die Änderungen sind ebenfalls am 18.05.2016 in Kraft getreten.

 

Anlass des Gesetzgebers für die Neuregelungen in Rahmen der EnSTransV war das Umsetzungserfordernis europäischer Vorgaben des Beihilfenrechts für eine transparente Erfassung von Steuerbegünstigungen nach dem Strom- und Energiesteuergesetz. Künftig sollen einzelne Steuerbegünstigungen von mehr als € 500.000,00 pro Kalenderjahr veröffentlicht werden. Weiterhin ist auch mit einem Zuwachs an Verwaltungsaufwand zu rechnen, da für eine Vielzahl an Steuerbegünstigungen nunmehr Erklärungs- und Anzeigepflichten gelten. Diese greifen zwar im Grundsatz erst für Steuerbegünstigungen in Höhe von 150.000 Euro pro Kalenderjahr. Steuerbegünstigte, die diesen Schwellenwert nicht erreichen, sind dennoch verpflichtet, sich auf ausdrücklichen Antrag bei den Hauptzollämtern von ihrer Erklärungs- und Anzeigepflicht befreien zu lassen. Entsprechende Formulare sind bis spätestens zum 30.06.2017 für die im Jahr 2016 gewährten Steuerbegünstigungen an die zuständigen Hauptzollämter zu richten.

 

Ausblick

Nach der Novelle ist vor der Novelle: Bereits jetzt steht aber fest, dass das Strom- und Energiesteuergesetz im Jahr 2017 ein weiteres Mal novelliert wird. Der Referentenentwurf vom 22.04.2016 befindet sich derzeit in der Konsultation durch die Verbände. Es ist nicht auszuschließen, dass der Gesetzgeber vor dem Hintergrund des europäischen Beihilfenrechts weitere Einschnitte für die dezentrale Erzeugung in EE- und KWK-Anlagen vornehmen wird. Das Inkrafttreten der Gesetzesänderungen wurde vorerst für den 01.01.2017 angekündigt.

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Lukas Kostrach

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