Zytostatika und Umsatzsteuer – Die Krankenhäuser können sich vorläufig auf das BFH-Urteil berufen!

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veröffentlicht am 1. September 2015

 

OFD NRW, 29.07.2015
 
Mit den Urteilen vom 31.07.2013 zur Ertragsteuer und vom 24.09.2014 zur Umsatzsteuer hat der BFH sich von der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung abgewandt und im jeweiligen Urteilsfall die strittigen Zytostatikalieferungen durch eine Krankenhausapotheke für steuerfrei gehalten. Während sich das BMF zur ertragsteuerlichen Behandlung mit Schreiben vom 14.01.2015 äußerte, warten die Krankenhäuser und die Kostenträger noch auf die Äußerung der Finanzverwaltung, wie in der Umsatzsteuer zu verfahren ist. Die OFD NRW veröffentlichte nun Hinweise auf die von den Finanzbehörden angestrebte Umsetzung in der Umsatzsteuer.

 

Mit dem BFH-Urteil vom 31.07.2013 zur Ertragsteuer hat sich das BMF mit Schreiben vom 14.01.2015 und die OFD NRW mit ihrem Schreiben vom 26.01.2015 beschäftigt. Hierüber hatten wir bereits in unseren Ausgaben Kompass Gesundheit und Soziales 02/2013, 12/2013 und 02/2015 berichtet.
  
Zur Umsatzsteuer dagegen warten die Krankenhäuser und die Kostenträger immer noch auf die Äußerung der Finanzverwaltung, wie mit der BFH-Entscheidung vom 24.09.2014 umzugehen ist. Über die BFH-Entscheidung selbst hatten wir in unserer Ausgabe 09/2014 berichtet. Zu diesem Komplex der Besteuerung der Zytostatikalieferungen hat sich nun die OFD NRW geäußert:

  1. Die Grundsätze des BFH-Urteils sollen voraussichtlich in allen offenen Fällen anzuwenden sein. Hierzu ist die amtliche Veröffentlichung des Urteils im Bundessteuerblatt mit einem begleitendem BMF-Schreiben geplant. Insbesondere für Zwecke des Vorsteuerabzugs soll im Rahmen des BMF-Schreibens eine Nichtbeanstandungsregelung getroffen werden. Zudem soll die Möglichkeit eines vereinfachten Rechnungsberichtigungsverfahrens geprüft werden.
      
  2. Dabei sei – so die OFD – eine enge Auslegung des Urteils beabsichtigt. Die Grundsätze des BFH-Urteils sollen nur auf Sachverhalte Anwendung finden, die mit denen des Urteilsfalls vergleichbar sind. Demnach komme eine Steuerbefreiung nur für die Abgabe von individuell für den Patienten hergestellte Arzneimittel durch eine Krankenhausapotheke für eine in diesem Krankenhaus erbrachte ärztliche Heilbehandlung in Betracht.

    Dies wirft die Frage auf, welche Sachverhaltskonstellationen die Finanzverwaltung nun im Einzelnen für umsatzsteuerfrei halten wird. Das Urteil des BFH betraf die folgenden beiden Fallkonstellationen, in denen die an die Patienten verabreichten Zytostatika von der eigenen Krankenhausapotheke nach ärztlicher Anordnung und individuell für den jeweiligen Patienten hergestellt worden waren:

    a) Der im Urteilsfall klagende Krankenhausträger verfügte über eine sog. Institutsermächtigung gemäß § 116a SGB V, aufgrund der er ermächtigt war, ambulante Behandlungen durchzuführen.
     
    b) Ambulante Behandlungen wurden auch durch Krankenhausärzte durchgeführt, die dabei gemäß § 116 SGB V aufgrund einer sog. persönlichen Ermächtigung tätig waren. 
      
    Der BFH hielt in diesen Konstellationen die Zytostatikalieferungen für umsatzsteuerfrei und kam – u.E. noch etwas weitergehend – zu folgendem Ergebnis: Es stehe der Steuerfreiheit nicht entgegen, dass in der Krankenhausapotheke für einzelne Patienten individuell hergestellte Arzneimittel nicht nur zur ambulanten Krankenhausbehandlung durch das Krankenhaus selbst im Rahmen seiner vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 116a SGB V oder zu ambulanten Behandlungen gemäß § 116b SGB V verwendet wurden und auch der ambulanten Krankenhausbehandlung durch gemäß § 116 SGB V zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigte Krankenhausärzte dienten.
        
  3. Eine Berufung auf das Urteil – so die OFD NRW weiter - sei bis zur Veröffentlichung im Bundessteuerblatt im Einzelfall unter Berücksichtigung der damit einhergehenden allgemeinen rechtlichen Konsequenzen möglich. Insoweit könne das Urteil in vergleichbaren Fällen bereits vor Ergehen des angekündigten BMF-Schreibens angewendet werden.
        

Vor diesem Hintergrund darf man – trotz dieser ersten Hinweise der OFD NRW – gespannt sein, welche Folgen für die Praxis der Krankenhäuser und der Kostenträger sich aus dem begleitenden BMF-Schreiben – insbesondere auch aus den Einzelheiten der Nichtbeanstandungsregelungen - ergeben werden. Dies gilt einerseits für das Verhältnis zwischen den Krankenhäusern und den Finanzbehörden, andererseits in sozialrechtlicher Hinsicht. 
   
So ist z.B. nicht geklärt, ob Zytostatikalieferungen an Hochschulambulanzen (§ 117 SGB V) umsatzsteuerfrei behandelt werden. Zudem hatte bereits der GKV-Spitzenverband in seinem an das BMF gerichtete Schreiben vom 01.04.2015 auf die mangelnde Trennschärfe des Begriffs der „Zytostatika” hingewiesen. Eine Anwendung auf andere Medikamentenlieferungen wird die Finanzverwaltung aber wohl eher nicht billigen.
  
Weiterhin offen ist auch, wie und in welcher Höhe sich die Umsetzung dieser Rechtsprechung durch die Finanzverwaltung auf das Verhältnis der Krankenhäuser zu den Kostenträgern auswirkt. Dies betrifft wirtschaftlich die den Krankenhausträgern ggf. entgehenden Vorsteuererstattungsansprüche und damit die Frage, ob eine Rückforderung von geleisteten Umsatzsteuerzahlungen an die Kostenträger erfolgt oder ob – wirtschaftlich zugunsten der Krankenhäuser – der für die Krankenhäuser verloren gehende Vorsteuererstattungsanspruch berücksichtigt wird.
 
Dies betrifft aber auch die Frage, ob die Krankenhäuser im Falle einer von den Finanzbehörden gewährten Nichtbeanstandungsregelung überhaupt – ggf. lediglich zugunsten der Krankenkassen – die Veranlagung ändern müssen. Die Taktik der Krankenhäuser in den Verhandlungen mit den Krankenkassen wird sich hier am Einzelfall ausrichten. Viel hängt hier von den Vereinbarungen der Krankenhäuser mit dem Kostenträgern ab. 
  
Bei einer Bruttopreisabrede sind beide Vertragsbeteiligte dem Risiko eines unzutreffenden Umsatzsteueransatzes ausgesetzt. Ist die Steuer im Bruttopreis zu hoch veranschlagt, muss der Abnehmer den vereinbarten Preis in der Regel auch dann zahlen, wenn nach objektiver Rechtslage ein niedrigerer Ausweis möglich gewesen wäre. Das Entscheidungsrecht über die Besteuerung liegt nach dem System der Abgabenordnung ausschließlich bei den Finanzbehörden. Nur diese treffen verbindliche Entscheidungen über die Steuerpflicht. Meinungsunterschiede über Grund und Höhe der Umsatzsteuerpflicht sind zwischen den Krankenhäusern als Steuerschuldner und dem Steuerfiskus als Steuergläubiger zu klären (BSG, Urteil vom 17. Juli 2008, B 3 KR 18/07 R).

Die Krankenhäuser sind aber auch bei einer Nettopreisabrede nicht zwingend aus sozialrechtlichen Gründen verpflichtet, gegen die bisherige Steuerveranlagung vorzugehen. Allerdings können die Krankenhäuser den durch eine Nettopreisabrede begründeten Anspruch gegen die Kostenträger ganz oder teilweise verlieren, wenn sie bei Abführung der Umsatzsteuer vertragliche Nebenpflichten verletzen; dann kann ein Schadensersatzanspruch der Kostenträger in Betracht kommen (BSG, Urteil vom 17. Juli 2008, B 3 KR 18/07 R). Dem können u.E. aber die Krankenhäuser den Abzugsposten des entgehenden Vorsteuererstattungsanspruchs einschließlich aller steuerlicher Nebenleistungen wie z.B. Zinsen entgegenhalten.
 
Über die Veröffentlichung des BFH-Urteils und des begleitendem BMF-Schreibens werden Wir berichten.

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