Die Bedeutung des europäischen Beihilferechts für soziale Einrichtungen

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Warum ist eine rechtsfeste Trennungsrechnung in der Beihilfekontrolle von Krankenhäusern und sozialen Einrichtungen so wichtig?
 
Die Finanzierung von Krankenhäusern und anderer sozialer Einrichtungen rückt weiterhin verstärkt ins Prüfungslicht der Beihilfekontrolle. So sind mehrere (teilweise anonyme) Beschwerden bei der EU-Kommission erhoben worden und der Bundesverband Deutscher Privatkliniken e.V. (BDPK) hat beim Landgericht Tübingen Klage gegen den Landkreis Calw auf Unterlassung von Ausgleichszahlungen an die Kreiskliniken eingereicht. In diesem Verfahren geht es insbesondere um die Frage, ob der Landkreis Calw die von der EU-Kommission im Freistellungsbeschluss für staatliche Beihilfen vorgeschriebenen Voraussetzungen beachtet hat.
 
Der am 31.01.2012 in Kraft getretene Freistellungsbeschluss (K(2011) 9380) als Teil des Almunia-Maßnahmenpaket enthält die EU-Beihilfevorschriften für die Prüfung öffentlicher Ausgleichsleistungen für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, also insbesondere Dienstleistungen der Daseinsvorsorge. Der Beschluss bestimmt, unter welchen Voraussetzungen DAWI von bestimmten Unternehmen ohne Notifizierung durch die Europäische Kommission als mit dem europäischen Markt vereinbar anzusehen sind. Zu diesen Voraussetzungen gehört - neben weiteren Anforderungen - insbesondere die Betrauung mit der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung. Mit der Betrauung wird die Erbringung der Dienstleistung von allgemeinem öffentlichem Interesse dem Unternehmen übertragen. Sowohl Krankenhäuser als auch andere soziale Einrichtungen, wie z.B. Altenheime, können ihre Leistungen im Fall einer Betrauung nach dem Freistellungsbeschluss auch mit staatlichen Beihilfen beihilfekonform erbringen.
 
Die weitere Betrachtung soll sich hier auf das sehr wesentliche und in der Praxis häufig vernachlässigte Erfordernis der Trennungsrechnung bei Anwendung des Freistellungsbeschlusses fokussieren. Wird das Prinzip der Trennungsrechnung nicht beachtet, hat dies nach der Rechtsprechung des EuGH (Urt. V. 07.05.2009, Rs. C-504/07, Antrop) die Nichtigkeit der Ausgleichszahlungen insgesamt zur Folge und zieht eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung an den Zuwendungsgeber nach sich. Eine solche Rückzahlungsverpflichtung muss in der Bilanz passiviert werden (vgl. IDW Prüfungsstandard 700 für Wirtschaftsprüfer). Weiterhin muss über diesen Sachverhalt und die insoweit bestehenden Risiken im Jahresabschluss berichtet werden. Außerdem können entsprechende beihilferechtliche Verstöße Auswirkungen auf die Feststellungen zur Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung im Anhang haben. Nach der Rechtsprechung des EuGH obliegt der Geschäftsführung im Rahmen ihrer kaufmännischen Sorgfaltspflicht auch, sich darüber zu vergewissern, dass die Annahme von Zuwendungen nicht gegen das Beihilferecht verstößt. Eine entsprechende Sorgfaltspflichtverletzung kann die Geschäftsleitung  durch den Aufbau eines beihilferechtsbezogenen internen Kontrollsystems (IKS) allerdings vermeiden. 
 
Speziell für nach dem Freistellungsbeschluss der Europäischen Kommission betraute Unternehmen, also insbesondere auch Krankenhäuser und soziale Einrichtungen, ergibt sich das Erfordernis der Trennungsrechnung bereits aus Art. 5 Abs. 9 Freistellungsbeschluss. Auch § 1 Transparenzrichtlinie-Gesetz ordnet aber allgemein an, dass betraute Unternehmen, die neben Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (Daseinsvorsorge) auch wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben, eine Trennungsrechnung durchzuführen haben. Die Notwendigkeit der Trennungsrechnung ergibt sich insbesondere aus der Anforderung des Freistellungsbeschlusses, dass die Kostenerstattung auf die für die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung erforderlichen Kosten begrenzt sein muss. Zur Berechnung der erforderlichen Gemeinkosten sind die für die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung dazugehörigen Aufwendungen und Erträge zu ermitteln. Nur in Höhe der für die Erfüllung der Aufgaben der Daseinsvorsorge notwendigen Ausgaben dürfen maximal Ausgleichszahlungen erfolgen (Verbot der Überkompensation). Denn wirtschaftliche Bereiche sollen durch die Förderung der betrauten gemeinwirtschaftlichen Bereiche nicht quersubventioniert werden. Dazu bedarf es der Trennungsrechnung, der hier ebenso eine Transparenz- wie auch eine Nachweisfunktion zukommt.
 
Eine Trennungsrechnung kann aus der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) des testierten Jahresabschlusses abgeleitet werden. Die Trennungsrechnung kann aber auch direkt aus einem bestehenden Rechnungswesen-System mit einer beihilfebezogenen Kosten- und Leistungsrechnung
erstellt werden. 
 
Die Trennungsrechnung erfordert, dass die Konten getrennt nach gemeinwirtschaftlichen betrauten Verpflichtungen und wirtschaftlichen Verpflichtungen geführt werden. Der Anteil der zugehörigen Aktiva, sowie der Fixkosten und variablen Kosten, ist umzulegen. Für die Rechnungslegung bedeutet dies konkret, dass für die wirtschaftlichen Tätigkeiten die direkten Kosten (=Einzelkosten) auf die entsprechenden Kostenträger (=Tätigkeiten/Projekte/Abteilungen) gebucht werden. Eine direkte Zuordnung der Einzelkosten kann per Einzelnachweis erfolgen, während hingegen indirekte Kosten (=Gemeinkosten) zunächst in Kostenverrechnungsstellen gesammelt und von dort aus über Zuschlagssätze auf die Kostenträger weiterverrechnet werden. Kostenverrechnungsstellen sind Personalnebenkosten, Geschäftsleitung, Personalgemeinkosten, Sachgemeinkosten, Abschreibungen usw. Bei Anlagevermögen, das sowohl für wirtschaftliche als Ein Info-Dienst von Rödl und Partner auch für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten genutzt wird, muss eine Aufteilung der Abschreibung erfolgen. Insgesamt muss die Zuordnung der Kosten sachgerecht, für Dritte nachvollziehbar, überprüfbar und stetig sein. Das Unternehmen muss Aufzeichnungen über die Zuordnung der Kosten und die Maßstäbe der Schlüsselung führen.
 
Die Implementierung einer entsprechenden Trennungsrechnung ist ein maßgebliches Kriterium für die Beurteilung einer beihilfekonformen Umsetzung des Freistellungsbeschlusses im Fall von Beschwerden bei der Europäischen Kommission oder bei Konkurrentenklagen vor den Gerichten und sollte daher nicht vernachlässigt werden. 
 
Abschließend bleibt darauf hinzuweisen, dass die betriebliche Kostenrechnung nicht nur für die Trennungsrechnung einen hohen Stellenwert besitzt. Auch bei der Erfüllung der für den Erhalt der Gemeinnützigkeit i.S.d. §§ 51 ff AO maßgeblichen steuerlichen Pflichten (etwa für die Ermittlung der Gewinne der steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe) ist eine solche erforderlich.

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Jan-Volkert Schmitz

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