Pflegestärkungsgesetz II – der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff und seine Auswirkung auf Altenpflegeheime (Bundestag 13.11.2015)

PrintMailRate-it

veröffentlicht am 23. November 2015

 

Zum 01.01.2017 soll der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff nach dem Pflegestärkungsgesetz II eingeführt werden. Aus der Änderung von drei Pflegestufen hin zu fünf Pflegegraden ergeben sich signifikante Neuerungen für die Anbieter von Pflegeleistungen, insbesondere im stationären Bereich.

 

Nachdem das Kabinett am 12.08.2015 das Zweite Pflegestärkungsgesetz beschlossen hatte, stimmte am 13.11.2015 der Bundestag zu. Dadurch soll ab 01.01.2017 der neue Pflegbedürftigkeitsbegriff nach § 14 SGB XI sowie ein neues Begutachtungsverfahren zur Einstufung in die Pflegegrade eingeführt werden. Die wichtigsten zu erwartenden Neuerungen bei der Überleitung von den bisherigen Pflegestufen hin zu den neuen Pflegegraden sowie im Begutachtungsverfahren werden nachfolgend beleuchtet.
 
Der bisherige Pflegebedürftigkeitsbegriff wird geprägt durch den Hilfebedarf bei körperlichen Verrichtungen, hierbei bleiben die Bedarfe an allgemeiner Betreuung, Anleitung und Beaufsichtigung unberücksichtigt. Diese werden derzeit erst im Rahmen der Feststellung einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI berücksichtigt. Nach dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff soll nun eine Gleichstellung von kognitiv und psychisch beeinträchtigten Versicherten mit körperlich Beeinträchtigten erfolgen. Dies wird insbesondere bei Menschen mit demenzieller Erkrankung zu einer tendenziell höheren Einstufung führen.
  
Die Bewertung der Beeinträchtigungen erfolgt künftig im Rahmen des Neuen Begutachtungsassessements (NBA)  in sechs Bereichen, wovon ungefähr die Hälfte den aktuell bereits geltenden Kriterien entspricht. Die andere Hälfte beinhaltet auch Kriterien, die sich derzeit noch auf die Feststellung der erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz beziehen. Weiterhin muss die Pflegebedürftigkeit auf Dauer bestehen, also voraussichtlich für mindestens sechs Monate und zwar mit mindestens der in § 15 SGB XI festgelegten Schwere. In ebendiesem § 15 SGB XI, sowie Anlagen, sind die relevanten Kriterien für die Leistungsgewährung abschließend beinhaltet.
 
Für die Leistungsgewährung sind ab 2017 die neuen Pflegegrade maßgeblich, welche die bisherigen Pflegestufen ablösen werden. Je nach erreichter Punktzahl im Neuen Begutachtungsassessement wird der Pflegebedürftige einem Pflegegrad zugeordnet. Hierbei werden Sachleistungen, Pflegegeld sowie Leistungen für Tages- und Nachtpflege, Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege jedoch erst ab Pflegegrad 2 gewährt. Im Pflegegrad 1 liegt der Leistungsfokus auf der Finanzierung von Maßnahmen zur Unterstützung bei der Alltagsbewältigung.
  
Pflegebedürftige, die bis 31.12.2016 schon einen Pflegestufe haben, wegen erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz Leistungen erhalten oder einen Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung gestellt haben, werden mit Wirkung zum 01. Januar 2017 im Rahmen der Überleitungsregelung einem Pflegegrad zugeordnet, ohne dass es einer erneuten Antragstellung bedarf. Hierbei werden Menschen ohne festgestellte erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz eine Stufe nach oben übergeleitet, also zum Beispiel von Pflegestufe I in Pflegegrad 2. Menschen mit festgestellter erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz im sogenannten werden um zwei Stufen nach oben übergeleitet. Hierbei bleiben die Leistungen der Pflegeversicherungen für Pflegesachleistungen und Pflegegeld im ambulanten Bereich in etwa gleich. Bei Leistungsempfängern, die bislang eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz festgestellt hatten, kann es sogar zu deutlichen Steigerungen der Leistungsbeträge kommen (vgl. § 140 Abs. 2 SGB XI im Kabinettsentwurf zum PSG II).
  

Anders sieht es im stationären Bereich aus, hier sind bei den niedrigen Pflegegraden Ab-senkungen der Leistungsbeträge zu erkennen. Durch entsprechende Überleitungsvorschriften sollen Schlechterstellungen von übergeleiteten Leistungsempfängern vermieden werden. Im stationären Bereich bezieht sich der Besitzstandsschutz auf den vom Versicherten zu bezahlenden Eigenanteil an den Heimkosten. Im Anwendungsfalle zahlt die Pflegekasse diesen Besitzstandsbetrag direkt an den Heimbetreiber.
  

Im Rahmen der Überleitungsregelungen für die vollstationäre Pflege soll festgelegt werden, dass Pflegesatzvereinbarung die nach bisherigem Recht vereinbart wurden oder noch werden und über das Jahr 2016 hinaus gültig sein sollen zum 01. Januar 2017 ihre Gültigkeit verlieren. Damit sind Betreiber von Pflegeeinrichtungen aufgerufen, noch im Jahr 2016 neue Pflegesätze im Hinblick auf die Einführung der neuen Pflegegrade mit den Kostenträgervertretern zu verhandeln. Zudem soll es künftig in vollstationären Einrichtungen den sogenannten einrichtungseinheitlichen Eigenanteil (§84 Abs. 2 Satz 3 SGB XI) geben. Hiernach soll der zu zahlende Eigenanteil für Bewohner einer Pflegeeinrichtung einheitlich für alle Bewohner geregelt werden, unabhängig von der jeweiligen Einstufung in Pflegegrade. Dies soll unter anderem zu einer Vereinfachung bei Veränderungen des Pflegegrades führen. Eine entsprechende Vereinheitlichung des Eigenanteils kann jedoch zu einer Steigerung der Kosten für Bewohner mit niedrigerem Pflegegrad führen, da diese den Eigenanteil der Bewohner mit höherem Pflegegrad quersubventionieren müssen, wenn er gleichmäßig gelten soll. Hierbei stellt sich die Frage, in wie weit diese Kostensituation für die Bereitschaft, bereits mit niedrigeren Pflegegraden in ein Pflegeheim zu ziehen, nachteilig sein kann.
  
Eine Neuverhandlung der Pflegesätze kann jedoch erst nach einer Anpassung der Rahmenverträge gemäß §75 SGB XI erfolgen. Sollte hierzu keine Vereinbarung bis 01. Oktober 2016 getroffen worden sein, greift zunächst die in §§ 92 d und e SGB XI geregelte alternative Überleitung.
  
Offen bleiben derzeit die Fragen, wie sich das Zweite Pflegestärkungsgesetz auf die Situation der Pflegeheime in Deutschland auswirken wird. Ist mit einem Rückgang der Belegung bei Neubewohnern mit niedrigen Pflegegraden zu rechnen, da der Eigenanteil steigt? Wie wird sich dies auf die Attraktivität der Einrichtungen für Interessenten und Mitarbeiter aber auch auf die Arbeitsbelastung des Pflegepersonals auswirken? Und Vor allem: In wie weit ist der administrative Aufwand der Umstellung für Betreiber von Altenpflegeheimen neben dem Alltagsgeschäft zu bewältigen?

Aus dem Newsletter

Wie beraten Sie gern!

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu