Engere Verzahnung der Sektoren versus Korruption in der Gesundheitswirtschaft – Ein Widerspruch?! (Quelle: GKV-Spitzenverband, 03.01.2017)

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veröffentlicht am 27. Januar 2017

 

Der GKV-Spitzenverband hat niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser aufgefordert, enger und effizienter zusammenzuarbeiten. Obgleich der Wunsch gesundheitspolitisch nachvollziehbar ist, empfiehlt sich mit Blick auf die Neufassung der §§ 299a und 299b StGB eine genaue Betrachtung zukünftig angestrebter Struktur- und Versorgungsformen.

 

​Der GKV-Spitzenverband hat nach aktuellen Informationen niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser aufgefordert, enger und effizienter zusammenzuarbeiten. Bisherige Hürde ist hierbei ein charakteristisches Strukturmerkmal des Gesundheitswesens in Deutschland: Die historisch gewachsene Sektorentrennung, also die klare Abgrenzung der ambulanten Versorgung gegenüber der stationären Versorgung.

 

Nach Auffassung der Vorstandsvorsitzenden des GKV-Spitzenverbandes Dr. Doris Pfeiffer könne es nicht sein, dass Menschen „nur“ aufgrund der Sektorengrenzen nicht optimal versorgt werden. Außerdem interessiere es die Patienten letztlich nicht, in welchem Sektor ihre Behandlung erfolgt. Wichtig ist nur, dass sie die bestmögliche Versorgung erhalten.


Zwar wurde bereits in der GKV-Gesundheitsreform 2000 und insbesondere im GKV-Modernisierungsgesetz 2004 beabsichtigt, die starren Versorgungsstrukturen durch die Möglichkeit selektivvertragliche Vereinbarungen abzuschließen aufzubrechen. Die Realität sieht allerdings in großen Teilen noch immer anders aus.

 

Krankenhausärztinnen und -ärzte dürfen z. B. nur ambulante Behandlungen durchführen, wenn sie von der Kassenärztlichen Vereinigung dazu eigens ermächtigt wurden. Umgekehrt sind niedergelassene Ärztinnen und Ärzte nur in geringem Umfang als Belegärztinnen und -ärzte an der stationären Versorgung beteiligt. Eine Folge dieser Trennung ist die stark ausdifferenzierte fachärztliche Versorgung im ambulanten Bereich bzw. die sogenannte „doppelte Facharztschiene”.

 

Eines der derzeit strittig diskutierten Themen ist die strikte Trennung ambulanter und stationärer Notfallversorgung. Denn die Zahl der Patienten, welche in einer Notaufnahme eines Krankenhauses versorgt werden, obwohl ihnen auch ein niedergelassener Arzt hätte helfen können, steigt. Das Resultat sind überlastete und unterfinanzierte Notaufnahmen, da diese Vergütungsstruktur nicht zu der Kostenstruktur eines Krankenhauses passt. Obgleich es weitere Ansätze für ein Aufweichen der Sektorentrennung gibt, etwa im Versorgungsstärkungsgesetz oder im Krankenhausstrukturgesetz, wird dies nach wie vor ein Thema für die Zukunft sein. Die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes fordert daher eine umfassende Überprüfung der derzeitigen Strukturen der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit. Denn in der Finanzierungssystematik beispielsweise von psychiatrischen oder geriatrischen Institutsambulanzen, von ambulant durchgeführten Operationen oder von Hochschulambulanzen existiert kein strukturiertes schlüssiges System.

 

In der Zukunft ist somit mit der Entwicklung und Verbreitung von weiteren innovativen Versorgungsformen zu rechnen, die unter der Überschrift der bereits existierenden integrierten Versorgungsmodelle diskutiert werden. Im Vordergrund steht wiederum der Gedanke einer Überwindung der starren Sektorengrenzen im deutschen Gesundheitswesen – vor allem zwischen ambulanter und stationärer Versorgung, aber auch hinsichtlich Rehabilitationseinrichtungen, Pflegeeinrichtungen usw.

 

Perspektivisch soll demnach ein neuer Typus von Leistungserbringern entstehen, welcher eine qualitativ optimierte Versorgung „aus einem Guss” organisiert und zu wirtschaftlichen Bedingungen anbietet. Die Versorgungsprozesse sollen daher stärker nach sachlichen Erfordernissen geplant und die Ressourcen (stationäre Behandlung, ambulante ärztliche Behandlung, Arzneimittel, Krankengymnastik usw.) effizienter eingesetzt werden.

 

Allerdings sind bei jedweden neuen Versorgungsformen bzw. bei die Sektorengrenzen aufbrechenden Kooperationsverträgen immer auch die potentiellen strafrechtlichen Risiken zu berücksichtigen, die sich durch In-Kraft-Treten der §§ 299a/b StGB am 04. Juni 2016 (Antikorruptionsgesetz) insbesondere bei Fragen der Patientenzuführungen möglicherweise verschärfen. Entscheidend ist die korrekte Abgrenzung zwischen den gewünschten vielfältigen Kooperationsformen und den Straftatbeständen der Korruption im Gesundheitswesen.

 

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